Die Judikative
3. November 2006
Die Gerichte
An der Spitze der Judikative steht das Oberste Gericht (Supreme Court) mit neun Richtern - der einzige amerikanische Gerichtshof, der explizit in der Verfassung vorgesehen ist. Die Richter werden auf Lebenszeit ernannt. Jüngere Richter können so die Rechtssprechung auf Jahrzehnte hinaus prägen.
Der Gerichtshof entscheidet über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen sowie der Anordnungen der Exekutive. In diesen Fragen sind seine Urteile so gut wie endgültig. "Wir urteilen nicht abschließend, weil wir unfehlbar sind, sondern wir sind unfehlbar, weil wir am Schluss stehen", hat Richter Robert H. Jackson einmal gesagt. Dieses als "judical review" bezeichnete Recht ist in den USA jedoch bis heute umstritten.
Zusätzlich zum Supreme Court richtete der Kongress 13 Appelationsgerichte auf Bundesebene (Federal Courts of Appeals) und - eine Stufe darunter - 95 Distriktgerichte auf Bundesebene (Federal District Courts) ein. Der Oberste Gerichtshof kommt in Washington D.C. zusammen; die anderen Bundesgerichte sind landesweit auf die Städte verteilt.
Kompetenzen
Bundesgerichte befassen sich mit Fällen, die die Verfassung, das Bundesrecht oder Bundesverträge betreffen. Außerdem sind sie für das Seerecht zuständig sowie für solche Fälle, bei denen ausländische Bürger oder Regierungen oder die amerikanische Bundesregierung selbst Partei sind.
Normenkontrolle
Von wenigen Ausnahmen abgesehen werden nur Berufungsfälle der unteren Gerichte vom Obersten Gericht verhandelt. Bei den meisten dieser Fälle geht es um Streitigkeiten über die Auslegung und Verfassungsmäßigkeit von Handlungsschritten der Exekutive und von Gesetzen, die vom Kongress oder von einzelnen Bundesstaaten verabschiedet wurden.
Gesellschaftliche Auswirkungen
Bei der Beurteilung anhängiger Klagen kommt es dem Gericht zu, die Verfassung auszulegen, dazu gehören auch mitunter vage, allgemein oder gar politisch brisant formulierte Stellen. Konservative Politiker und Juristen werfen dem Gremium immer wieder vor, neue verfassungsmäßige Rechte einfach zu "erfinden". Die Mehrheit des Gerichts betrachtet die Verfassung als "lebendiges Dokument", nach dem auch moderne Tendenzen in der Gesellschaft legitimiert werden können.
Dadurch ist das Gericht in die Rolle eines politischen Entscheidungsträgers geraten – neben dem Präsidenten und dem Kongress. Die Entscheidungen des Gerichts – wie zum Beispiel zu Themen wie Trennung aufgrund ethnischer Herkunft, Rede- und Meinungsfreiheit, Abtreibung und anderes – hatten häufig weitreichende gesellschaftliche Konsequenzen.
Im Laufe der Geschichte haben die Richter unterschiedliche Urteile zu einunddenselben Sachverhalten gefällt: 1857 noch entschied das Gericht, dass Schwarze "Wesen einer untergeordneten Ordnung" seien und sich nicht auf die verfassungsmäßig garantierten Bürgerrechte berufen könnten. Dies wurde erst 1954 aufgehoben, als das Gericht eine Rassentrennung im Bereich Bildung für verfassungswidrig erklärte.