Der kleine Chávez
15. April 2013Es war wohl Nicolás Maduros schwerster Gang. Der großgewachsene Maduro kämpfte mit den Tränen, seine tiefe Stimme zitterte, als er Venezuela und der Welt am 5. März 2013 die Nachricht vom Tod seines politischen Ziehvaters Hugo Chávez überbrachte. Auch bei den Trauerfeierlichkeiten für den an einer Krebserkrankung gestorbenen "Comandante" stand Maduro an vorderster Front, begleitete Chávez' Leichnam auf seinem Weg zur Aussegnung in der Militärakademie, quer durch die Hauptstadt Caracas.
Die Botschaft der Bilder war klar: Schaut her, ich bin der Mann, der Chávez am nächsten stand; der legitime Nachfolger und Bewahrer seines Erbes. Oder wie es Maduro selbst ausdrückt: "Ich bin der Sohn von Hugo Chávez. Ich werde seinen größten Traum verwirklichen und ein sozialistisches Vaterland schaffen."
All das ist durchaus im Sinne des verstorbenen Begründers der "Bolivarianischen Revolution". Chávez hatte Maduro noch zu Lebzeiten zum Vizepräsidenten gemacht. Falls er nicht mehr weitermachen könne, erklärte der todkranke Chávez vor seiner letzten Krebsbehandlung, dann sollten die Venezolaner Maduro zum neuen Präsidenten wählen.
Der Wunsch des "Comandante" ist in Erfüllung gegangen: Seit Montag (15.04.2013) steht fest, dass Nicolás Maduro die Präsidentschaftswahlen gewonnen hat - wenn auch mit weit knapperer Mehrheit als erwartet. Maduro erhielt 50,7 Prozent der Stimmen, sein Rivale Henrique Capriles 49,1 Prozent. Umfragen vor der Wahl hatten für Maduro zwischen zehn und zwanzig Prozent Vorsprung vorhergesagt.
Schrille Töne im Wahlkampf
Wie sein Vorbild Chávez polemisierte Maduro im Wahlkampf gegen die Opposition, bezeichnet seinen Herausforderer Capriles als "elendig", als "Mann mit faschistischem Antlitz" oder sprach gar von einem angeblichen Mordkomplott der Opposition gegen ihn. Regierung und Opposition warfen sich gegenseitig vor, den politischen Gegner mit schmutzigen Tricks zu diskreditieren.
Die Regierung hatte die Wahl zu einer Abstimmung über das Chávez-Erbe gemacht. Ihr sei durchaus bewusst, sagt der Politologe John Magdaleno, dass Maduro nicht das Charisma des wortgewaltigen "Comandante" besitzt. "Er ist als politischer Führer in der Öffentlichkeit nicht gefestigt, also bleibt ihm nichts anderes übrig, als auf das Image von Chávez zu setzen." De Facto habe nicht Maduro, sondern nochmal Chávez zur Wahl gestanden, so die Einschätzung von Günther Maihold, Lateinamerikaexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik. Maduro kopiere die Methoden und den Stil seines früheren Chefs.
Gegenkandidat Capriles versuchte, das inhaltliche Vakuum zu füllen. Im Zentrum seines Wahlkampfs stand die hohe Kriminalität in den Städten, auch thematisierte er die galoppierende Inflation sowie die marode Infrastruktur. Gleichzeitig beteuerte der 40-Jährige, die erfolgreichen Sozialprogramme des Chavismus fortsetzen zu wollen. Mit gutem Grund: Die Bevölkerung, so Heinz Dieterich, ehemaliger Chávez-Berater, wünscht sich Kontinuität. "Die Leute möchten, dass die Sozialprogramme erhalten bleiben." Deswegen würde die Mehrheit auf Maduro setzen.
Vom Busfahrer zum Präsidenten
Maduro hat sich hochgearbeitet. Der 50-Jährige war Busfahrer und Gewerkschafter, bevor er in die Politik wechselte. Gemeinsam mit seiner Frau Cilia Flores hat er den verstorbenen "Comandante" Hugo Chávez über Jahrzehnte begleitet.
Als Chávez 1992 erfolglos versuchte, mit einem Militärputsch an die Macht zu kommen, verteidigte Flores den gescheiterten Putschisten. Später kämpfte das Paar gemeinsam für Chávez' vorzeitige Freilassung.
Zusammen mit Chávez gründeten die beiden die Bewegung Movimiento Quinta Republica. 1998 gewann die Bewegung die Wahlen. Chávez wurde Präsident, Maduro Abgeordneter und Parlamentssprecher. 2006 machte ihn Chávez zum Außenminister, 2012 zum Vizepräsidenten.
Schwierige Aufgaben
Nun muss Maduro die Probleme Venezuelas angehen: extreme Gewalt in den Städten, Korruption und Vetternwirtschaft in Staatsbetrieben, hohe Inflation, sinkende Einnahmen aus dem Ölgeschäft. Der neue Präsident, sagt Günther Maihold, stehe vor schwierigen Entscheidungen. "Das dirigistische Programm der Wirtschaft, die massive Subventionsmentalität, die Sozialpolitik - all das ist nicht mehr finanzierbar."
Ohne den Übervater Chávez muss Maduro zudem die Regierungspartei zusammenhalten. Maduro "ist dafür sicherlich am besten geeignet", sagt Günter Maihold, "doch ob er auch das intellektuelle und politische Format hat, eine neue Perspektive für den Chavismus zu entwickeln, da habe ich meine Zweifel."