Der Gipfel der Zeitverschwendung
7. Juli 2015Die absurde Situation brachte sogar die sonst so gelassene Bundeskanzlerin aus der Fassung: Angela Merkel musste mehrfach ansetzen, um den wartenden Journalisten ein paar Sätze zum Auftakt des Eurozonen-Gipfels in die Mikrophone zu sagen: Es gebe "immer noch nicht die Grundlage" für Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm für Griechenland im Rahmen des Euro-Rettungsfonds ESM.
Die Regierungschefs würden am Abend "darüber beraten, wie es weiter geht", könnten sich allerdings "noch kein abschließendes Bild machen". Allerdings gebe es nur noch wenige Tage Zeit für eine Einigung. Und Merkel fügte hinzu: Für sie gehörten europäische Solidarität und Eigenverantwortung auf nationaler Ebene untrennbar zusammen.
Schon wieder kein schriftlicher Antrag
Die Nervosität von Angela Merkel erklärt sich aus der verblüffenden Tatsache, dass die griechische Delegation einmal mehr in Brüssel eingetroffen war, ohne ein Papier in der Tasche zu haben. Ungläubig hatten am Nachmittag Pressevertreter die Köpfe geschüttelt, als deutlich wurde, dass der neue Finanzminister Euklid Tsakalotos zum Treffen mit seinem Kollegen in der Eurogruppe gekommen war, ohne offiziellen Antrag für ein neues Hilfspaket. Dabei hatten gestern reihenweise Vertreter der Eurozone gemahnt: Wir müssen einen konkreten Vorschlag sehen, die griechische Seite muss sich bewegen und sehr genaue Ideen vorlegen.
Tsakalotos seinerseits soll wiederum verwirrt darüber gewesen sein, dass von ihm mehr erwartet wurde, als ein paar Erläuterungen zur Situation in Griechenland vorzutragen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble war nach dem Treffen so frustriert, dass er kommentarlos das Gebäude verließ und nicht mehr als eine abwehrende Handbewegung machte. Jeroen Dijsselbloem, Chef der Eurogruppe, musste sich dagegen eine Art Erklärung abringen: "Der erste Schritt wird sein, dass die griechische Regierung der Eurogruppe einen neuen Antrag schickt - einen Antrag auf Hilfe aus dem Euro-Rettungsfonds. Hoffentlich schon morgen." Dann werde man telefonieren, die Lage bewerten und sehen, ob man formell in Verhandlungen einsteigen könne. Aber das alles müsse in den nächsten Tagen geschehen. Wie das funktionieren soll, wo vorher noch die Zustimmung des Deutschen Bundestages nötig ist, konnte zunächst niemand erklären.
Der neue Vorschlag aus Athen ist der alte
Kurz darauf springt bereits der französische Präsident aus seinem Auto. "Griechenland muss glaubhafte und ernsthafte Vorschläge für Reformen machen", erklärt Francois Hollande. "Wir brauchen Vorschläge. Um es zusammenzufassen – so schnell wie möglich." Einmal mehr betont er dabei, Ziel sei es, Griechenland in der Eurozone zu halten. Danach verschwand er in einer Sondersitzung mit Angela Merkel, Alexis Tsipras und Jean-Claude Juncker. Was kann da Gesprächsgegenstand sein? Vielleicht die Tatsache, wie inzwischen aus Athen bestätigt wurde, dass der neue griechische Vorschlag der alte aus der vergangenen Woche ist, vor dem Referendum. Da waren nur einige Steuererhöhungen als Reformangebot aufgelistet und eine kleine Kürzung im Verteidigungsetat.
Es soll jetzt allerdings einige Nachbesserungen geben, sagten Regierungssprecher inzwischen. Außerdem will der griechische Premier 29 Milliarden Euro und eine Restrukturierung der Schulden. Dazu hatten allerdings zuvor schon mehrere Finanzminister laut "Nein" gesagt, u.a. aus den baltischen Staaten und aus Finnland. Selbst wenn der politische Wille da wäre, sind Umschuldungen langwierige und komplizierte Verhandlungen.
Einige andere Regierungschefs der Eurozone machten aus ihrem Ärger keinen Hehl: Es sieht so aus, als sei dieser Gipfel "eine Zeitverschwendung", sagt Joseph Muscat aus Malta. Und der österreichische Kanzler Werner Faymann zeigt seine Verärgerung: "Ich kann nicht versprechen, dass wir hier eine Lösung finden. Es ist nicht realistisch, jetzt optimistisch zu sein."
Das gelingt dagegen dem italienischen Premier Matteo Renzi, der für Investitionen wirbt und eine Lösung innerhalb einiger Stunden beschwört. Er erklärt jedoch nicht wie er sich das vorstellt. Man müsse dem leidenden griechischen Volk helfen, erklärt der irische Premier Enda Kenny, und setzt auf die Erläuterungen von Alexis Tsipras. Wenn der Premier aber so unvorbereitet ist wie sein Finanzminister, dürfte der Abend in weiterer Frustration enden. Die sieht der niederländische Regierungschef Mark Rutte schon zu Begin voraus: Er sei "sehr negativ gestimmt". Wenn die Griechen mit den alten Vorschlägen antreten würden und nichts Konkretes vorlegen, "dann ist das Ende nahe".