1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Anderes Gesicht, andere Politik?

Panagiotis Kouparanis7. Juli 2015

Das Enfant terrible Varoufakis wurde durch Euklid Tsakalotos ersetzt. Der neue griechische Finanzminister wird zu einer Beruhigung in den Verhandlungen beitragen. Dessen ungeachtet bleiben die Probleme bestehen.

https://p.dw.com/p/1FuAI
Neuer griechischer Finanzminister: Euclid Tsakalotos. Foto: Wassilios Aswestopoulos
Hoffnungträger: Finanzminister Euklid TsakalotosBild: picture-alliance/NurPhoto/W. Aswestopoulos

Tsakalotos? War das nicht der General, der im griechischen Bürgerkriegs in den 1940er Jahren die Kommunisten bekämpfte? Richtig. Der Linke Euklid Tsakalotos ist tatsächlich ein Nachfahre des Kommunistenfressers. Keine Ausnahme in Griechenland.

Ein Salonlinker

Viele Kinder aus gutbürgerlichem Haus und auch dem Großbürgertum sind heute Minister von SYRIZA. Wirtschaftsminister Jorgos Stathakis zum Beispiel kommt aus einer Familie von Reedern, Außenminister Nikos Kotzias entstammt einer Unternehmerfamilie, Varoufakis Vater war Chef des größten griechischen Stahlunternehmens. Ihn, den internationalen Medienstar, beerbte am Montag, an seinem fünfundfünfzigsten Geburtstag, Euklid Tsakalotos. Die Übergabe war ausgesprochen herzlich. Varoufakis und Tsakalotos sind Freunde seit ihrer Studentenzeit in Großbritannien. Während Yanis sich am Neo-Keynesianismus orientierte, trat Euklid der Studentenorganisation der Kommunistischen Partei Griechenlands bei. Die allermeisten ihrer Mitglieder hielt das aber später nicht davon ab - nach Griechenland zurückgekehrt - in allen möglichen Parteien, Institutionen, Medien und Wirtschaftszweigen Karriere zu machen. Tsakalotos blieb links und machte auch Karriere.

Mit 33 Jahren siedelte er nach Griechenland über. Er kehrte nicht zurück in die Heimat. Euklid Tsakalotos wurde 1960 im niederländischen Rotterdam als Sohn eines Schifffahrtsingenieurs geboren. 1965 wanderte die Familie nach Großbritannien aus. Nach der Schule studierte Tsakalotos an den Eliteanstalten Eton, Oxford und Sussex Politik und Ökonomie. An der Universität Kent war er Dozent. 1993 zogen er und seine schottische Frau nach Athen um. Wie er sich später erinnert, musste er viel Zeit und Mühe aufwenden, um sich einen griechischen Akzent anzueignen. Er bekam eine Anstellung an der Wirtschaftshochschule und wurde 2010 unter starker Mithilfe von Varoufakis Professor an der Universität Athen.

Euklid Tsakalotos wird in Brüssel freundlich begrüßt von Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem (l) und dem französischen Finanzminister Michel Sapin (r) - Foto: Philippe Wojazer, reuters
Euklid Tsakalotos wird in Brüssel freundlich begrüßt von Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem (l.)und dem französischen Finanzminister Michel Sapin (r.)Bild: Reuters/P. Wojazer

Hat Euklid, der von Anfang an dabei war, seinem Freund Yanis den Weg zu SYRIZA geebnet? Das ist nicht bekannt. Und wenn doch, dann würde das niemals Tsakalotos selbst preisgeben. Überhaupt ist wenig über ihn persönlich bekannt. Was für Musik er hört, wo er Urlaub macht, mit wem er alles befreundet ist - nichts. Keine Homestory in den Medien, keine Fotos von den drei Kindern und kaum Fotos von der Ehefrau. Die ehemalige Kent-Dozentin Heather Denise Gibson ist seit 2011 Leiterin der Forschungsabteilung der Bank von Griechenland - obwohl sie mit Tsakalotos verheiratet ist. Das ganze Auftreten Tsakalotos scheint von seiner Sozialisation in Kindheit und Jugend in England bestimmt zu sein: durch und durch britisches Unterstatement. Genau das Gegenteil von der extrovertierten Performance eines Yanis Varoufakis. Aber der kam ja erst mit 18 Jahren von Griechenland nach Großbritannien, um dann später nach Australien weiterzuziehen.

Baustelle an der Akropolis in Athen Foto: Alkis Konstantinidis, reuters
In deutschen Medien gerne verwendet: Die Baustelle an der Akropolis als Symbolbild für die Zustände in AthenBild: Reuters/A. Konstantinidis

Kontinuität in der Sache

Der personelle Wechsel bedeutet nicht einen Wandel der Finanzpolitik Griechenlands. Varoufakis und Tsakalotos vertreten fast gleich lautende Positionen. Tsakalotos war in den langen Jahren der Opposition der finanzpolitische Sprecher von SYRIZA. Ihr Wahlprogramm ist wesentlich von ihm geschrieben worden. Schon vor der Parlamentswahl im Januar 2015 war klar, dass entweder er oder Varoufakis Finanzmister wird. Beide galten als gleichwertig in ihrer ökonomischen Kompetenz. Alexis Tsipras entschied sich letztendlich für Varoufakis, trotz oder gerade wegen dessen unbändigen Drangs zur Außendarstellung. Ihm gelang, was Tsakalotos niemals geglückt wäre: weltweit in den Medien die Ansicht der neuen griechischen Regierung zur Schuldenproblematik zu positionieren, insbesondere die These, dass es ohne einen Schuldenschnitt keine Lösung geben könne. Das mediale Spektakel Varoufakis kam bei den anderen Finanzministern der Eurozone nicht gut an. Aber Tsipras hat sein Ziel erreicht. Nun hat der Mohr seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.

Jetzt also Tsakalotos. Er ist bestens mit der Schuldenfrage vertraut. Vor einigen Wochen ersetzte er Varoufakis als griechischen Chefunterhändler mit den Institutionen. Der neue Stil war schon bei seinem ersten Arbeitstag am Dienstag augenfällig. Anders als sein Vorgänger, ging Tsakalotos an Kameras und Mikrofonen wortlos vorbei in die Sitzung der Finanzminister der Eurozone. Auf der einen Seite trug er eine Aktentasche, auf der anderen einen Stapel Papiere. So wie oftmals Varoufakis hat er in der Sitzung seine Kollegen mündlich über die neuen griechischen Vorschläge unterrichtet. Am Mittwoch ist Deadline. Dann soll alles, was er gesagt hat, in einem schriftlichen Kreditantrag an den ESM enthalten sein.