Der Fischerei-Vertrag zwischen Marokko und der EU läuft aus
17. Juli 2023Geld gegen Fisch.
Das war bisher die Abmachung zwischen der Europäischen Union und ihrem nordafrikanischen Nachbarland Marokko. Damit EU-Boote Sardinen, Thunfisch und Anchovis vor der marokkanischen Küste fischen dürfen, bezahlte die Union Marokko über vier Jahre insgesamt 208 Millionen Euro.
Doch damit wird ab dem 18. Juli Schluss sein, denn an diesem Montag läuft der Vertrag über Fischfang aus. Wie es danach weitergeht, ist mehr als unklar.
"Im Moment finden keine Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Marokko über Fischerei statt", teilte ein EU-Kommissionssprecher der DW mit. Man evaluiere gerade die vergangenen vier Jahre und denke - ebenso wie die marokkanischen Partner - darüber nach, den Vertrag in der Zukunft zu erneuern. Dies hänge aber von "den Umständen, Einschränkungen sowie wirtschaftlichen als auch ökonomischen Faktoren" ab.
Konflikt um die Westsahara
So weit, so schwammig.
Unter "Umständen" versteht die EU-Kommission vermutlich ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2021. Demnach gilt das Abkommen zwischen der EU und Marokko als nichtig, was die Fischereirechte vor der Küste der Westsahara angeht.
Die Westsahara, ehemalige Kolonie Spaniens, wurde ab 1975 zu großen Teilen von Marokko annektiert. Seitdem kämpft die Bewegung Frente Polisario um die Unabhängigkeit des Gebietes. Weil die EU die Polisario bei dem Fischerei-Vertrag nicht um Zustimmung bat, erklärte der EuGH, das Abkommen hätte das fischreiche Meer vor der Westsahara nicht einbeziehen dürfen.
Hier ist das letzte Wort aber noch nicht gesprochen, denn die EU-Kommission hat Berufung gegen dieses Urteil eingelegt. Zwar durften EU-Boote bis zum Ablauf des Vertrags, also bis diesen Montag, weiter fischen, nun könnte dieses ausstehende Urteil aber ein Grund sein, warum es erstmal nicht weiter geht mit der EU, Marokko und den Fischen.
Lorena Stella Martini, Expertin für Marokko beim European Council for Foreign Relations (ECFR) in Rom, rechnet bis Ende des Jahres mit einer Entscheidung des EuGH.
Aber es gehe bei der Westsahara-Frage bei weitem nicht nur um ein Fischerei-Abkommen. "Das alles kann sich auf andere Bereiche der Beziehungen zwischen der EU und Marokko auswirken", sagt Martini. Je nachdem, wie das Urteil des EuGH ausfalle, werde sich zeigen, ob EU-Verträge mit dem nordafrikanischen Land sich auf die Westsahara bezögen, zum Beispiel, was Landwirtschaft betreffe oder generell die wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Marokko will Partnerschaften mit Mehrwert
Für Marokko ist die Westsahara ganz klar ein Teil des eigenen Landes. Außenminister Nasser Bourita ließ aber vergangene Woche erahnen, was noch Grund sein könnte, dass nun erstmal keine EU-Fischerboote in marokkanischen Gewässern verkehren: Das Marokko von heute wolle Partnerschaften mit Mehrwert, anstatt dass jemand zum Fischen komme, Geld gebe und wieder gehe. Ein klarer Seitenhieb gegenüber der EU.
Aus Sicht von Jacob Kirkegaard, Senior Fellow bei der Denkfabrik German Marshall Fund in Brüssel, ist offensichtlich, warum die marokkanische Seite solche Worte wählt: Die Beziehungen zwischen Marokko und der EU hätten sich in den vergangenen Monaten rapide verschlechtert - besonders nachdem das EU-Parlament Anfang des Jahres die Menschenrechtslage im Land verurteilt habe.
"Sie haben das Gefühl, als Einzige kritisiert zu werden", sagt Kirkegaard. Vor allem weil die EU-Abgeordneten den Rivalen Algerien, einen wichtigen Gas-Lieferanten für einige EU-Staaten, unerwähnt ließen. Zwischen Marokko und dem Nachbarland herrscht seit Jahrzehnten Streit, weil Algerien die Frente Polisario in der Westsahara unterstützt.
Laut Kirkegaard könnte dieser Ärger dazu führen, dass sich Marokko nur darauf einlässt, das Abkommen zu verlängern, wenn sich die EU entgegenkommend zeigt. "Auf lange Sicht geht es um die Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Westsahara." Spanien etwa habe die Ansprüche Marokkos akzeptiert.
Spanien hat ein besonderes Interesse
Spanien ist auch das EU-Land, das besonders hart vom vorläufigen Ende des Fischereivertrags zwischen der Europäischen Union und Marokko betroffen ist. Denn die meisten der insgesamt 128 EU-Boote fahren unter spanischer Flagge, einige weitere etwa unter deutscher, französischer oder niederländischer.
Laut EU-Kommission werden die Betroffenen nur bis Ende 2023 finanziell entschädigt werden. Weil Spanien in diesem Halbjahr die EU-Ratspräsidentschaft innehat, also den 27 EU-Staaten vorsitzt, könnte es gut sein, dass das Thema weit oben auf der Tagesordnung landet.