Spaniens Pläne für den EU-Ratsvorsitz
4. Juli 2023Spaniens EU-Ratspräsidentschaft begann am Montag mit einem Treffen in einem der wichtigsten Kunstmuseen des Landes. Die spanische Regierung empfing zahlreiche Mitglieder der EU-Kommission in der Galeria de Colecciones Reales. Bei der Pressekonferenz nach dem Arbeitstreffen schwärmte die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von den außergewöhnlichen spanischen Meisterwerken, bevor sie zum eigentlichen Grund des Treffens kam: die legislative Agenda der EU für die nächsten sechs Monate.
Spanien hat am 1. Juli die sechsmonatige Ratspräsidentschaft übernommen. In dieser Funktion ist das Land dafür zuständig, Treffen des EU-Rates vorzubereiten, Themen zu setzen, die vorangebracht werden sollen und Konsens zwischen den Mitgliedstaaten herzustellen. Der Rat vertritt die Regierungen der Mitgliedstaaten und beschließt gemeinsam mit dem Parlament die EU-Gesetze.
Prioritäten der Spanier
Als Prioritäten ihrer Ratspräsidentschaft nannte die spanische Regierung die Reindustrialisierung der EU, Fortschritte beim ökologischen Wandel, soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit und die Stärkung der europäischen Einheit.
Vor allem aber möchten die Spanier bis Ende des Jahres noch offene Gesetzespakete zusammenschnüren. Und davon gibt es einige - wie die heftig umstrittene Reform der EU-Asyl und Migrationspolitik, Teile des EU-Klimapaketes oder die Reform des Strommarktes. Aber auch das Abkommen mit der südamerikanischen Freihandelszone Mercosur soll vorangetrieben werden.
Den ersten Tag der Ratspräsidentschaft hatte der spanische Regierungschef Pedro Sanchez in Kiew verbracht, um damit seine Solidarität mit der Ukraine auszudrücken. Die weitere finanzielle Unterstützung der Ukraine sowie deren zukünftige Beziehung zur EU wird die Spanier ebenfalls beschäftigen. EU-Kommissionspräsidenten von der Leyen hatte erst kürzlich auch aus diesem Grund die Mitgliedstaaten um eine Aufstockung des EU-Haushaltes ersucht. Über diese Aufstockung wird der Rat entscheiden müssen.
Offene Gesetzesvorhaben zusammenschnüren
Dass viele der Dossiers - wie die Gesetzesvorhaben in Brüssel genannt werden - auf die richtige Spur zum baldigen Abschluss gesetzt werden, sei derzeit das Wichtigste, hieß es am Dienstag aus spanischen Regierungskreisen in einem Gespräch mit Journalisten. Denn nächstes Jahr im Juni stehen EU-Parlamentswahlen an. Je nach Ausgang könnte dies das Kräftegleichgewicht verändern und zu Neubesetzungen der Spitzenpositionen führen.
Spanien wählt - alles ganz normal?
Doch nicht nur in der EU wird gewählt, sondern auch in Spanien und zwar bereits in knapp drei Wochen. Ob die derzeitige Regierung ihre Pläne für die Ratspräsidentschaft noch selber umsetzen kann, werden die Spanier am 23. Juli entscheiden. Nach derzeitigen Umfragen hätte die konservative Partido Popular (PP) die Nase vorn und nicht die Sozialdemokraten von Ministerpräsident Pedro Sanchez. Es herrscht vor allem Sorge davor, dass sich die PP mit der rechtspopulistischen Partei Vox zusammenschließen könnte. Diese steht für einen europaskeptischen Kurs und damit im starken Kontrast zu der derzeitigen europafreundlichen Regierung.
Angesprochen auf die Auswirkungen der Wahlen auf die Ratspräsidentschaft sagte Ministerpräsident Sanchez am Montag, dass es "absolute Normalität" geben werde. Es sei üblich, dass während einer Ratspräsidentschaft Wahlen stattfinden würden. Auch Kommissionspräsidentin von der Leyen zeigt sich zuversichtlich, dass es Spanien - unabhängig vom Wahlausgang - gelingen würde eine "effiziente Präsidentschaft" zu führen.
Und auch wenn das Brüsseler Gesetzgebungsverfahren in der Regel eine gut geölte Gesetzgebungsmaschine ist, mit lange vorbereiteten Treffen und Positionen, schweben die Wahlen wie ein Damoklesschwert über dem Erfolg der spanischen Ratspräsidentschaft.