Der erste "Iron Man": Götz von Berlichingen
24. April 2019500 Jahre bevor Tony Stark mit seinem Alter Ego "Iron Man" sein Debüt auf der Kinoleinwand hatte, nutzte bereits ein ebenfalls reicher und mächtiger Mann technologische Errungenschaften, um sein Leben nicht wegen einer amputierten Hand einschränken zu müssen. Aber war dieser ursprüngliche "Iron Man", bekannt als "Götz mit der eisernen Hand", ein Held oder ein Bösewicht?
Gottfried "Götz" von Berlichingen, Spross eines fränkischen Rittersgeschlechts, wurde um 1480 geboren. Eine turbulente Zeit: In ganz Süddeutschland tobten Kriege und Konflikte zwischen rivalisierenden Städten und Adelsgeschlechtern. Daher war es vermutlich unvermeidlich, dass das Leben des jungen Götz weitestgehend der Kriegsführung gewidmet war. Schon vor seinem 18. Lebensjahr kämpfte er während des Schwabenkrieges für das Heilige Römische Reich gegen Schweizer Truppen.
Sich etwas sagen oder befehlen zu lassen, passte allerdings ganz und gar nicht zu von Berlichingens Gemüt. Und so quittierte er bald den Dienst beim Kaiser und baute eine eigene Söldnerarmee auf - man kämpfte für den, der am besten zahlte; eine damals sehr verbreitete Variante der Kriegsführung.
Legende mit Prothese
In seiner frühen Söldner-Zeit traf ihn ein Schicksalsschlag, der sein Leben fortan bestimmte: 1504 wurde bei der Belagerung der Stadt Landshut sein Schwertknauf vom feindlichem Kanonenfeuer getroffen, die Splitter zerschmetterten seine Hand und drangen bis in den Arm ein. Die rechte Hand samt Gelenk mussten daraufhin amputiert werden.
Normalerweise hätte der Verlust der rechten Hand das Ende einer Ritter-Karriere bedeutet. Oder vielleicht hätte der Verletzte dies auch als ein Wink des Schicksals interpretieren können, sich fortan eher ruhigeren Beschäftigungsfeldern zuzuwenden.
Aber von Berlichingen war fest entschlossen, bald wieder in die nächste Schlacht zu ziehen. Also beauftragte er einen lokalen Schmied mit der Herstellung einer Prothese, die ein Schwert halten konnte. Es wurden zwei Versionen hergestellt, wobei eine davon sogar das Greifen ermöglichte. Heute sind beide Prothesen auf Schloss Jagsthausen bei Heilbronn ausgestellt, wo Berlichingen seine Kindheit verbrachte.
Der erste Iron Man?
Von Berlichingen lernte schnell, mit seiner neuen eisernen Hand umzugehen und zog bald wieder in die Schlacht. Seine Söldnerbrigade wütete in den folgenden Jahren in Süd- und Mitteldeutschland - jeweils für denjenigen Kriegsherrn, der den höchsten Lohn versprach.
Gleichzeitig war Götz von Berlichingen in unzählige Fehden mit anderen Rittern verwickelt. Mit Überfällen auf Kaufleute, dem Einfordern von Schutzgeldern oder Lösegeld-Forderungen erwirtschaftete sich Götz mit der eisernen Hand kein schlechtes Einkommen. Allerdings trieb er es oftmals zu bunt, so dass 1512 die Reichsacht über ihn verhängt wurde - eine Art Hausarrest, bei der der Geächtete als vogelfrei galt und straffrei ermordet werden konnte.
Von Berlichingen ertrug das Stillhalten auf Burg Hornberg nicht lange. 1514 erkaufte er sich seine Freiheit und gelobte Besserung, doch sein Eid hielt nicht lang. Götz mit der eisernen Hand machte da weiter, wo er aufgehört hatte und stieg wieder ins Fehdewesen ein. Als er den Grafen von Waldeck während eines Überfalls als Geisel nahm und hohes Lösegeld einforderte, wurde 1518 erneut die Reichsacht über ihn verhängt.
Schurke - oder Opfer seiner Zeit?
Für viele ist von Berlichingen nicht anderes als ein übler Haudegen. Der Heidelberger Historiker Jonas Hock gibt jedoch zu bedenken, dass von Berlichingens Handeln im damaligen gesamtgesellschaftlichen Kontext gesehen werden muss: "Höhergestellte Adlige wollten die Macht bündeln, daher verbannten sie Raubritter wie von Berlichingen, um die Beilegung von Streitigkeiten mittels Fehden einzudämmen", sagt er. "Statt sich mit Gewalt durchzusetzen, sollten sie sich vor Gericht auseinandersetzen."
Menschen mit viel Macht, die bereit waren, alles in die Luft zu jagen, so Hock weiter, seien zunehmend außer Kontrolle geraten. "Es war ein Versuch, diese Art von Verhalten zu verhindern."
Daher solle man von Berlichingen eher als eine aussterbende Spezies betrachten denn als einen besonders gewalttätigen oder kriminellen Menschen. "Im Grunde genommen haben die feudalen Ritter das getan, was sie immer getan hatten. Bis sie damit plötzlich nicht mehr durchgekommen sind", so Hock.
Auf die rechte Bahn?
Natürlich gingen diese Umwälzungen nicht an von Berlichingen vorüber. Daher trat er 1519 im Schwabenkrieg in den Dienst des Herzogs von Württemberg. Als 1525 der Deutsche Bauernkrieg ausbrach, zwangen ihn die Bauern, den sogenannten "Odenwälder Haufen" anzuführen. Er war vier Wochen ihr Hauptmann, zog sich dann aber auf seine Burg zurück. Später würde er behaupten, von den Exzessen der Bauern entsetzt gewesen zu sein.
Daher schloss er sich dem Kampf gegen die Bauern an und führte eine kaiserliche Armee, die die Bauernrebellen vor den Toren Würzburgs zerschlug. Doch nach dem Krieg lastete man ihm die vierwöchige Hauptmann-Tätigkeit an, er kam zunächst ins Gefängnis und wurde später zu lebenslangem Hausarrest verurteilt.
Rächer, versammelt Euch!
Von Berlichingen war jetzt fast 60 und hätte seinen Lebensabend ruhig in seiner komfortablen Burg verbringen können. Doch als sich 1540 wieder die Gelegenheit bot, seine eiserne Hand anzulegen, brauchte es nicht viel Überzeugungskraft.
Historiker Jonas Hock dazu: "Die Tatsache, dass der Kaiser ihn um Hilfe bat, obwohl er bereits 60 Jahre alt war und dass er den Hausarrest, zu dem Götz von Berlichingen aufgrund seiner Beteiligung am Bauernkrieg verurteilt gewesen war, aufhob, zeigt, wie hoch sein Ansehen als militärischer Anführer war."
Götz von der eisernen Hand war sowohl in Ungarn als auch in Frankreich im Einsatz und behauptete sich an der Seite von Männern, die halb so alt waren wie er. 1462 starb er friedlich im Alter von mehr als 80 Jahren.
Endspiel
Allein von Berlichingens Eisenhand, sein rauflustiges Wesen und seine Karriere als Kriegsherr hätten sicherlich ausgereicht, damit er der Nachwelt als Legende erhalten blieb. Doch ein paar hundert Jahre später setzte ihm niemand anderes als Johann Wolfgang von Goethe ein Denkmal. 1773 schrieb der Dichter das Stück "Götz von Berlichingen", heute ein Klassiker. Belagert durch ein kaiserliches Heer, lässt der Ritter diesem ausrichten: "Er kann mich im Arsche lecken!" Der Ausruf wird heute als "Schwäbischer Gruß" bezeichnet.
Als von Berlichingens Lebensende nahte, diktierte er einem Schreiber seine Autobiographie und präsentierte sich damit wohlwollend der Nachwelt - ein schamloser Selbstdarsteller also. Aber war er nun ein Held oder ein Schurke? Die Antwort darauf ist nicht so einfach.
"Er war wahrscheinlich einfach einer der Glücklichen. Im Gegensatz zu Franz von Sickingen (einem weiteren berühmten Ritter) kam er mit seinem Lebensstil durch - bis ins hohe Lebensalter", sagt Historiker Hock.
Klar ist: Götz von Berlichingen war ein vielschichtiger Zeitgenosse, geschuldet einer turbulenten Zeit, und damit weit mehr als ein eindimensionaler, märchenhafter Held - oder Schurke. Damit unterscheidet er sich kaum von einigen unserer Superhelden der heutigen Zeit.