Hilfszahlungen an Ägypten?
20. August 2013Im August haben auch Minister einmal frei, gilt in der EU. Ausnahmen gibt es nur in wirklich dringenden Fällen. Dass ihre Ferien dieses Jahr verkürzt ausfallen, dürften viele Diplomaten und EU-Beamte schon geahnt haben, als sich am Wochenende die beiden EU-Spitzen, Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Ratsvorsitzender Hermann van Rompuy, zu den dramatischen Ereignissen in Ägypten meldeten. Die Europäische Union werde "in den kommenden Tagen ihre Beziehungen zu Ägypten überprüfen", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.
Am Mittwoch (21.08.2013) unternehmen die Außenminister in Brüssel den Versuch, gemeinsam Position zu beziehen. "Es wird nicht einfach werden", kommentiert Bernardino Leon, der Sonderbeauftragte der Europäischen Kommission für das südliche Mittelmeer, der gerade aus Ägypten zurückgekehrt ist, die Mammutaufgabe, die sich die Europäer gestellt haben: Die Union der 28 Staaten arbeite daran, die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Übergangsregierung und ihren Sicherheitskräften auf der einen Seite und den Muslimbrüdern und den Anhängern des geschassten Präsidenten Mohammed Mursi auf der anderen Seite zu entschärfen.
Nötiges Druckmittel oder überflüssige Pein?
Als Reaktion auf das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten vergangenen Mittwoch (14.082013) hatten eine Reihe von EU-Staaten wie Dänemark und Deutschland schon Entwicklungshilfezahlungen an Kairo in Millionenhöhe eingestellt. Am Mittwoch wollen die Außenminister der EU nun ein Stopp von Waffenlieferungen und die Sperre von Hilfsgeldern und Krediten debattieren.
Konkret geht es dabei um ein fünf Milliarden Euro-Paket, das die EU, ihre Mitgliedsstaaten und Organisationen Ägypten vergangenes Jahr in Aussicht gestellt hatten. Gemeinsam mit den USA könnte die EU auch einen Antrag Ägyptens auf Kredite in Höhe von 3,6 Milliarden Euro beim Internationalen Währungsfonds ablehnen oder zumindest hinauszögern.
Einige EU-Staaten lehnen es bisher aber ab, die Zahlungen nicht zu leisten – aus Sorge davor, dass solche Maßnahmen eher die Situation der Bevölkerung verschlechtern könnten, statt dass die Regierung so motiviert würde, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
Das diplomatische Geschick der Außenminister wird bei ihrem Treffen am Mittwoch daher auf die Probe gestellt. "Es ist für die EU nicht einfach, zu entscheiden, ob sie die Finanzhilfe für Ägypten vorerst einstellt", sagt der EU-Experte Josef Janning von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) im Gespräch mit der DW. "Einerseits schwächt es die ohnehin schon schwachen Strukturen der Zivilgesellschaft. Auf der anderen Seite können die Europäer nicht so weiter machen, als sei nichts passiert." Wahrscheinlich werde die EU aber das Angebot erneuern, dass sie, sobald Gesprächsbereitschaft signalisiert wird, diese Gespräche auch wieder mit eigenem Personal begleiten wird.
Limitierter Spielraum für EU
So sehr die EU Druck ausüben will, um ein Ende der Gewalt herbeizuführen –so sehr scheinen ihre Mittel und die des Westens allgemein begrenzt. Die Staaten der EU sind zwar der größte Hilfsgeldzahler an Ägypten. Und von den USA erhält die ägyptische Regierung seit dem ägyptisch-israelischen Friedensvertrag von 1979 jährlich Zahlungen in Höhe 1,3 Milliarden US-Dollar.
Aber Ägypten hat Alternativen zur westlichen Unterstützung. Saudi-Arabien kündigte am Montag an, die arabischen Länder seien bereit, eventuell wegfallende Hilfszahlungen des Westens an Ägypten mit neun Milliarden Euro auszugleichen. "Die arabischen und muslimischen Staaten sind reich und werden sich nicht davor scheuen, Ägypten ihre helfende Hand zu reichen", sagte der saudi-arabische Außenminister Prinz Saud al-Faisal.
Wen unterstützt der Westen?
Die arabische und muslimische Welt schaut genau hin, wie sich die internationale Gemeinschaft im Hinblick auf die Lage in Ägypten verhält. Die Europäer und auch die USA hatten sich in den vergangenen Wochen um Vermittlung bemüht. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, Bundesaußenminister Guido Westerwelle und US-Vizeaußenminister William Burns waren nach Ägypten gereist, um zwischen der Übergangsregierung und den Anhängern des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi, zu vermitteln. Doch schon nach den ersten Gesprächsrunden war den Besuchern klar, dass man die ausländischen Diplomaten zwar höflich anhörte - mehr aber auch nicht.
Stattdessen gab General Abdel Fatah al-Sisi bekannt, die Phase der Diplomatie sei vorbei. Ägypten habe sowieso schon ein Übermaß an ausländischer Einmischung ertragen. "Die Interimsregierung ist enttäuscht, weil die Europäer sie kritisieren", sagt Josef Janning von der DGA. "Wo sie sich selbst gerade in einem Kampf gegen Terror und Gewalt sieht." Die Muslimbrüder wiederum seien enttäuscht, weil die Europäer ihrer Ansicht nach nicht stark genug angeprangert hätten, dass das Militär geputscht hat.
"Sehr komplexe Situation"
Ob Hilfszahlungen eingestellt werden oder nicht - die Europäische Kommission will sich weiter um Vermittlung bemühen. "Wir glauben, dass es immer noch demokratische Kräfte im Land gibt", erläutert Bernardino Leon, "und die werden wir jetzt ansprechen und mit denen werden wir versuchen, konstruktiv zusammenzuarbeiten." Aber: "Es ist eine sehr komplexe Situation."
Eine, vor der die Europäer aber die Augen trotzdem schlicht nicht verschließen können, ergänzt der EU-Sonderbeauftragte. Zu wichtig sei das Land für die ganze Region. "Ägypten ist ein Schlüsselpartner. Es ist wahrscheinlich der wichtigste Partner im Mittelmeerraum."