Der Anfang vom Ende der iranischen Revolution
1. Februar 2019An der Islamischen Republik Iran scheiden sich international die Geister - so sehr wie an kaum einem anderen Land auf der Welt. Die einen sind für gute Beziehungen. Anderen gehen Sanktionen nicht weit genug. Das Land unterstützt Hamas und Hisbollah und mischt in allen größeren Konflikten im Nahen Osten mit. Trotz seiner jahrelangen Isolation durch den Westen ist es eine bedeutende Regionalmacht geblieben. Mag das Regime der islamischen Rechtsgelehrten noch so unzeitgemäß erscheinen, hat es sich in den vergangenen 40 Jahren doch als erstaunlich stabil und widerstandsfähig erwiesen. Festgeschrieben ist dieses Regime in der Verfassung des Landes, die sich stark an den Staatstheorien Ayatollah Khomeinis ausrichtete, der zentralen Figur der "Islamischen Revolution" 1979.
"Der Schah muss weg!"
Dabei war die Stoßrichtung dieser Revolution anfangs noch offen. Denn die Revolutionsbewegung, die in den Jahren 1978/1979 den Iran erschütterte, war äußerst heterogen: Kommunisten, Nationalisten, Liberale und religiöse Kräfte hatten nur ein gemeinsames Ziel: "Der Schah muss weg!" 25 Jahre lang hatte dieser über das Land geherrscht - mit massiver Unterstützung aus Washington: Diktator nach innen, Marionette nach außen. Währenddessen hatte die Kluft zwischen Arm und Reich beinahe bizarre Züge angenommen: Auf dem Land lebten Millionen Iraner unter der Armutsgrenze, während eine kleine Elite rund um den Schah sich einen dekadenten, ausschweifenden Lebensstil gönnte.
Getragen wurde die Revolution zunächst aber vor allem von den bürgerlichen Schichten, sagt der in Berlin lebende iranische Publizist Bahman Nirumand, der den Umsturz in Teheran selbst miterlebt hat: "Der Iran war durch seine Öleinnahmen zu einem wirtschaftlich wichtigen Land geworden", so Nirumand. "In dessen Folge hat sich in den Städten ein großer Mittelstand gebildet, und der forderte politisches Mitspracherecht." Ihnen schwebte ein freier, liberaler Iran vor. Auch deshalb hatten viele bei den Protesten 1978 noch Plakate mit dem Bild des ehemaligen demokratisch gewählten Ministerpräsidenten Mohammed Mossadegh in die Höhe gehalten, der 1953 mithilfe der CIA aus dem Amt geputscht worden war.
Der kurze "Frühling der Freiheit"
Die Islamisten kamen erst später hinzu, auch weil sich Ayatollah Ruhollah Khomeini zu ihrem Anführer aufschwingen konnte. "Khomeini war der schärfste geistliche Kritiker des Schahs", erläutert Reza Hajatpour von der Universität Erlangen. Aus dem Pariser Exil hielt Khomeini Brandreden gegen das Schah-Regime, während viele Geistliche im Iran sich weitgehend aus der Politik heraushielten, so der Islamwissenschaftler, der 1978 selbst seine Ausbildung an der Theologischen Hochschule in Ghom begonnen hatte. Khomeini versprach nicht nur, den Armen zu helfen. Er wollte das als "westliche Dekadenz" empfundene Luxusleben der Eliten beenden und forcierte ein komplettes kulturelles Umdenken - hin zu einer "Islamischen Republik". Und die Iraner folgten ihm mit Begeisterung, erinnert sich Bahman Nirumand: "Die Leute dachten: 'Republik' klingt gut, und 'Islam': ja, gut, wir sind ja auch ein islamisches Land.' Dass das Ziel eine totale Islamisierung des Landes war, das sagte damals niemand."
Und so sah es zu Anfang auch noch so aus, als gäbe es eine Zusammenarbeit zwischen den Mullahs und den Liberalen. Am 1. Februar 1979 kehrte Khomeini aus dem Exil zurück. Nur vier Tage später ernannte er den liberalen Politiker Mehdi Bazargan zum Übergangs-Regierungschef. "Aber schon in dessen Amtszeit wurde klar, dass zwischen Klerus und liberalen Kräften Meinungsverschiedenheiten existieren", erinnert sich Reza Hajatpour. Khomeinis Anhänger eliminierten mit brutaler Gewalt fast alle Anhänger des Schahs und setzten den Wandel hin zu einer streng islamischen Gesellschaftsordnung in Gang. Der Schah und sein Hof hatten ein Leben in Dekadenz geführt. "Dagegen waren nicht nur die Islamisten, sondern alle", sagt Bahman Nirumand: "Deswegen hat Khomeini da einen sehr wichtigen Nährboden für kulturelle Veränderungen gefunden." Mit großer Mehrheit stimmte das iranische Volk bei einem Referendum im Dezember 1979 für eine neue islamische Verfassung, die völlig auf den Obersten Revolutionsführer Khomeini hin zugeschnitten war.
Alle Macht den Mullahs
Linke und Liberale hatten dem nur wenig entgegenzusetzen. Und doch konnten sie das Ringen um die Macht noch einige Zeit offen gestalten. Im Januar 1980, zwei Monate nach der Stürmung der US-Botschaft in Teheran, wählte das Volk Abolhassan Banisadr zum neuen Präsidenten der Republik. "Man hatte aber schon da gesehen, dass der Klerus damit nicht einverstanden war", sagt Reza Hajatpour, "die hatten ja ihre eigenen Kandidaten." Banisadr entwickelte sich zu einem unbequemen Gegenspieler Khomeinis und warnte wiederholt vor einer Diktatur der Geistlichkeit. "Das Volk war gespalten", erinnert sich Bahman Nirumand, "und die Entscheidung kam erst mit dem Iran-Irak-Krieg. Dieser war, wie Khomeini sagte, 'ein Geschenk des Himmels'."
Im September 1980 griff Iraks Staatschef Saddam Hussein - massiv hochgerüstet von den USA - den Iran an. Acht Jahre lang lieferten sich beide Staaten einen grausamen Krieg. Militärisch gab es am Ende keinen Sieger, bis zu eine Million Menschen fanden den Tod. Innenpolitisch jedoch, erzählt Nirumand, brachte der Krieg die endgültige Entscheidung zugunsten der Mullahs, "weil dadurch jede Opposition mit dem Hinweis auf den äußeren Feind liquidiert werden konnte und weil Hunderttausende an die Front geschickt werden konnten. Vor allem aber konnten die Islamisten ihre Ideologie des Märtyrertums, des Sterbens für das Vaterland, durchsetzen." Prominentestes politisches Opfer wurde Abolhassan Banisadr: Er wurde für mehrere Niederlagen an der Front verantwortlich gemacht und am 21. Juni 1981 vom iranischen Parlament abgesetzt. Spätestens jetzt war der Weg für die Mullahs endgültig frei.
Starker religiöser Führer, schwacher Präsident
Nacheinander erschütterten mehrere Hinrichtungswellen das Land. Reihenweise wurden Liberale und Kommunisten, Schah-Anhänger und oppositionelle Geistliche aus den eigenen Reihen verfolgt, inhaftiert, hingerichtet. Nachfolger Banisadrs im Amt des Präsidenten wurde Mohammad Ali Radschai. Er fiel jedoch nach nur 28 Tagen im Amt einem Bombenattentat zum Opfer und wurde von Sayyed Ali Chamenei beerbt. Dieser wiederum ist seit dem Tod Khomeinis selbst Oberster religiöser Führer und damit der starke Mann im Iran.
Seit der Revolution hat sich am politischen System wenig geändert: Auch heute noch laufen beim obersten religiösen Führer alle Fäden zusammen. Präsident Rohani kann dabei so gut wie nichts ohne die Zustimmung Chameneis entscheiden. Dabei verfügt Chamenei aber längst nicht über die Strahlkraft eines Ruhollah Khomeini, sagt Reza Hajatpour. "Überhaupt spielt die Ideologie der Islamischen Republik keine so große Rolle mehr. Heute herrscht eher eine Art robuster Pragmatismus vor." Das zeige auch die Politik unter Präsident Rohani, der trotz aller Widrigkeiten und trotz des US-Ausstiegs aus dem 2015 mühsam gefundenen Atomkompromiss an einer Aufrechterhaltung der Beziehungen zum Westen festhalten will. "Mit ihm versucht man jetzt, das, was in den letzten Jahren innen- und außenpolitisch zerstört wurde, wieder einigermaßen hinzubekommen", so der Islamwissenschaftler. "Die Menschen wollen Veränderung. Aber es geht jetzt nicht mehr so sehr um den Gegensatz zwischen Volk und Geistlichkeit, sondern mehr um einen sozialen Konflikt: zwischen denen, die von Sanktionen und Arbeitslosigkeit betroffen sind und denjenigen, die noch immer vom System profitieren."