Denkzettel für die etablierten Parteien
13. März 2016Am Ende des Wahlabends ist klar: Die Flüchtlingskrise hat die etablierten Parteien Stimmen gekostet und der AfD zu einem Siegeszug verholfen. Aus dem Stand hat es die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland" in die Landtage von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt geschafft - und zwar mit zweistelligen Ergebnissen. AfD-Chefin Frauke Petry triumphierte: "Wir befinden uns auf der Siegerstraße - vor allen Dingen zum Bundestag 2017."
Die AfD-Wähler hätten die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgewählt, kommentierte Vize-Parteichef Alexander Gauland das gute Abschneiden seiner Partei. "Wir haben ein ganz klare Position: wir wollen keine Flüchtlinge aufnehmen. Und alle, die uns gewählt haben, stehen hinter dieser Politik", erklärte Gauland. Die gestiegene Wahlbeteiligung führt die AfD darauf zurück, dass viele Wähler der Bundesregierung einen Denkzettel verpassen wollten und daher ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben.
Verluste für Merkels Christdemokraten
Die Partei von CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel, deren Flüchtlingspolitik indirekt mit zur Abstimmung stand, hat in allen drei Ländern Stimmen eingebüßt. Der Plan, in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz künftig den Ministerpräsidenten zu stellen, ging nicht auf. Am besten steht die CDU noch in Sachsen-Anhalt da, wo sie mit fast 30 Prozent stärkste Partei bleibt und Ministerpräsident Reiner Haseloff im Amt, sofern ihm die Regierungsbildung gelingt. Für das bisherige Bündnis aus CDU und SPD reicht es nicht mehr, nachdem die AfD auf Anhieb auf mehr als 24 Prozent der Stimmen kam. Die CDU müsste neben der SPD also noch die Grünen ins Boot holen, die es nur knapp über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft haben.
Trotz der Verluste in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sieht sich die CDU in einer staatstragenden Rolle: "Es geht darum, stabile Mehrheiten in den Parlamenten zu finden. Die CDU wird dazu in allen drei Ländern gebraucht", so die Einschätzung von CDU-Generalsekretär Peter Tauber.
Freud und Leid bei den Sozialdemokraten
Die SPD muss in zwei Ländern Verluste hinnehmen, hat aber auch einen Erfolg zu feiern: Im "Duell der Frauen" in Rheinland-Pfalz verwies SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer ihre Herausforderin Julia Klöckner von der CDU nach einem dramatischen Wahlkampfendspurt klar auf Platz zwei. Dreyer bleibt voraussichtlich Ministerpräsidentin, Rot-Grün als Koalition wurde aber abgewählt.
In Baden-Württemberg schrumpfte die Volkspartei SPD hingegen auf 12,7 Prozent - das schlechteste Ergebnis, das sie in diesem Bundesland je erzielt hat. In Sachsen-Anhalt sieht es nicht viel besser aus. "Dieser Wahlabend ist eine Zäsur", kommentierte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. "Aber klar ist: die SPD wird den Kampf für das demokratische Zentrum in Deutschland voller Entschlossenheit aufnehmen." Die Vermutung, dass das schwache Abschneiden der SPD in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt zu Debatten über Parteichef Gabriel führen könnte, wies sein Vize Ralf Stegner zurück: "Nein, kein Stück."
Historischer Wahlsieg für die Grünen
Die Grünen sind mit gut 30 Prozent erstmals in einem Bundesland stärkste Partei geworden - ein klarer Vertrauensbeweis für den populären Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Das sei ein "sehr überwältigendes Ergebnis", erklärte Kretschmann, "die Baden-Württemberger haben Geschichte geschrieben."
Wegen des schwachen Abschneidens seines bisherigen Koalitionspartners SPD muss auch Kretschmann ein neues Bündnis schmieden - vielleicht mit der CDU, die nach starken Verlusten nur auf Platz zwei landet. Ob die Christdemokraten aber bereit sein werden, erstmals Juniorpartner unter einem grünen Ministerpräsidenten zu werden, ist noch fraglich.
FDP jubelt, Linke geknickt
Grund zum Feiern hat die FDP, die nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag 2013 eine Krise durchlebt hat. Die Liberalen schafften in Rheinland-Pfalz nach fünf Jahren Abwesenheit den Wiedereinzug in den Landtag, in ihrem Stammland in Baden-Württemberg erzielten sie sogar mehr als 8 Prozent der Stimmen. Nach den Erfolgen in Bremen und Hamburg im vergangenen Jahr konnte die FDP erneut zeigen, dass mit ihr weiter zu rechnen ist - möglicherweise auch in den künftigen Landesregierungen. Einziger Wermutstropfen: In Sachsen-Anhalt gelang der Einzug in den Landtag nicht.
Von einem "bitteren Ergebnis" sprach Linken-Chef Bernd Riexinger, dessen Partei es weder in Rheinland-Pfalz noch in Baden-Württemberg in den Landtag geschafft und in Sachsen-Anhalt Verluste eingefahren hat. "Die Ergebnisse sind Ausdruck eines gesellschaftlichen Rechtsrucks und einer gesellschaftlichen Entsolidarisierung", sagte Parteichefin Katja Kipping, die der großen Koalition in Berlin die Verantwortung dafür zuwies.
Die Regierungsbildung wird schwierig
Das vorläufige Fazit des Wahlabends: Das Flüchtlings-Thema hat die AfD so stark gemacht, dass sich die Sitzverteilung in den Landtagen in Stuttgart, Mainz und Magdeburg deutlich verschiebt. Auch dadurch werden die bisherigen stabilen Regierungsbündnisse aus je zwei Parteien - aus SPD und Grünen oder CDU und SPD - in allen drei Ländern unmöglich gemacht. Es schlägt nun die Stunde von neuen Bündnissen.