Delta-Variante europaweit auf dem Vormarsch
18. Juni 2021Die in Indien erstmals aufgetretene und besonders ansteckende Delta-Mutante des Coronavirus breitet sich auch in Deutschland immer weiter aus. "Es ist nicht die Frage, ob Delta die führende Variante wird, sondern wann", sagte der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Spätestens im Herbst werde sie die Oberhand haben. In Deutschland habe die Variante derzeit einen Anteil von sechs Prozent.
Die Einhaltung der Schutzmaßnahmen wie Abstand, Lüften und Maske in Innenräumen sowie die fortschreitende Impfkampagne könnten dazu beitragen, die Ausbreitung der Variante zu verlangsamen, so Wieler. In den nächsten Monaten müsse so viel wie möglich geimpft werden.
Bundeskanzlerin mahnt zur Vorsicht
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die neue Corona-Lage könnte auch beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in der kommenden Woche in Brüssel Thema werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnte mit Blick auf Delta zur Vorsicht bei der Öffnung des Reiseverkehrs. "Ich bitte um Verständnis, wenn wir an manchen Stellen ein bisschen vorsichtig sind", sagte Merkel auf der nationalen Luftfahrtkonferenz. "Wir wollen nicht rein und raus aus den Kartoffeln", ergänzte sie.
Laut Gesundheitsminister Spahn sind mittlerweile mit 50,1 Prozent mehr als die Hälfte der Deutschen mindestens einmal geimpft. Das entspreche 41,5 Millionen Menschen. 29,6 Prozent hätten mit der Zweitimpfung mittlerweile den vollen Schutz.
Die Frage ist allerdings, ob die Impfkampagne in Deutschland ins Stocken gerät - durch den Ausfall des Curevac-Vakzins und von Millionen Johnson-&-Johnson-Impfdosen sowie die angekündigte Mengenkürzung von BioNTech im Juli. Unterstützung erhält der Gesundheitsminister jetzt von einem belgischen Gericht. Das hat den britisch-schwedischen Pharmakonzern AstraZeneca verurteilt, bis Ende September 50 Millionen Dosen Corona-Impfstoff an die Europäische Union zu liefern. Dazu müsse ein fester Lieferplan eingehalten werden, teilte das Brüsseler Gericht erster Instanz auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Anderenfalls drohen Zwangsgelder.
Spahn appellierte an die Bundesländer und Landkreise, die Entwicklung genau zu beobachten und schnell Maßnahmen zu ergreifen, sollten die Infektionszahlen wieder steigen. "Wir müssen frühzeitig die Dinge regional unter Kontrolle bringen." Er kündigte an, alle positiven PCR-Tests genauer auf die Delta-Virusform zu untersuchen und nicht nur - wie bisher - stichprobenartig. Das könne das Bild der Ausbreitung schärfen.
Delta-Variante in Großbritannien dominant
Das RKI meldete für Deutschland eine Sieben-Tage-Inzidenz von 10,3 nach 11,6 am Donnerstag und 1076 Neuinfektionen. "Wir sind sehr froh und sehr dankbar darüber, wie sich die Zahlen entwickeln", sagte Wieler. Aber die Pandemie sei nicht vorbei. Deutschland dürfe seine Erfolge jetzt nicht leichtfertig verspielen.
In Großbritannien steigt die Zahl der Ansteckungen mit Delta unterdessen rasant an. Der Nationale Gesundheitsdienst meldete innerhalb von sieben Tagen - bis zum 16. Juni - 33.630 Neuinfektionen mit der Delta-Mutation auf insgesamt 75.953, ein Plus von 79 Prozent zur Vorwoche. "Die Fälle steigen schnell im ganzen Land, und die Delta-Variante ist jetzt dominant", erklärte die Behörde.
Verbreiten britische Touristen die Mutation?
Auch in Portugal ist die Lage angespannt, vermutlich weil britische Touristen die Delta-Variante eingeschleppt haben. Wegen eines starken Anstiegs der Fälle in Lissabon dürfen die Bewohner der portugiesischen Hauptstadt am Wochenende die Region nicht verlassen. Ausländische Touristen sind von der Regelung ausgenommen.
In Russland breitet sich Delta ebenfalls rasant aus. Kritisch ist die Lage in Moskau. Für Freitag meldete die Hauptstadt mit 9056 Neuinfektionen einen neuen Höchstwert.
nob/jj (dpa, rtr, afp)