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PolitikAsien

Decoding China: China will mehr Gewicht für "BRICS Plus"

Dang Yuan
24. November 2023

Nach Erweiterung um sechs Mitglieder haben die BRICS zum ersten Mal zu einer politischen Krise getagt. Im Nahost-Krieg fordert die "antikoloniale Allianz" mehr Mitsprache. China will die Welt mit "BRICS Plus" neu ordnen.

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Südafrika | Xi Jinping beim BRICS Gipfel in Johannesburg
(Archiv) Xi Jinping auf dem BRICS-Gipfel am 23.08.2023 in JohannesburgBild: GIANLUIGI GUERCIA/Pool via REUTERS

Wenn Xi Jinping in der Öffentlichkeit in Fremdsprachen spricht, geht es um etwas Wichtiges für sein Land. Mit "as salam alaikum" begrüßte der chinesische Staatspräsident die Gäste auf Arabisch. "Frieden sei mit Euch" - so lautet die arabische Grußformel übersetzt und Xi stimmte die Zuhörer damit gleichzeitig auf sein Thema ein. Er sprach nämlich über die Zusammenarbeit Chinas mit der arabischen Welt und über die politische Zukunft der palästinensischen Gebiete.

In seiner Rede betonte Xi, dass sein Land dem friedlichen Dialog verpflichtet sei.

Sein Land sei dem friedlichen Dialog verpflichtet, betonte Xi in seiner Rede. "China unterstützt nachdrücklich den Friedensprozess im Nahen Osten und die Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates mit voller Souveränität, auf Grundlage der Grenzen von 1967 und mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Wir hoffen, dass die beteiligten Parteien konkrete Maßnahmen ergreifen werden, um Hindernisse für Friedensgespräche aus dem Weg zu räumen."

Die Rede beendete er mit "Shukran!" - "Danke" auf Arabisch - und erntete großen Applaus. So geschehen am 5. Juni 2014, als Xi auf dem Forum der chinesisch-arabischen Zusammenarbeit in Peking sprach.

Schwierige Verhandlungen - Feuerpause in Gaza

Chinas verstärkt Aktivitäten in Nahost

Neun Jahre später trat Xi nun wieder zum selben Thema auf -  beim virtuellen Sondergipfel der BRICS-Staaten am Dienstag (21.11.). Der südafrikanische Staatspräsident Cyril Ramaphosa hat als Vorsitzender der Staatengruppe dazu eingeladen. Russlands Präsident Vladimir Putin und UN-Generalsekretär António Guterres nahmen auch teil. Das Thema aus gegebenem Anlass: der Friedensprozess in Nahost.

Xis Position bleibt konstant. Chinas Staatschef forderte eine "sofortige Waffenruhe" im Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas und eine Freilassung der "zivilen Gefangenen". Ohne eine umfassende, gerechte und nachhaltige Lösung der Palästina-Frage werde es im Nahen Osten "keinen nachhaltigen Frieden" geben, sagt Xi.

Als am Mittwoch (22.11.) Israels Kabinett einer Waffenruhe zustimmte, begrüßte das China. Medienberichten zufolge sollen zwar maßgeblich Ägypten und Katar die Vereinbarung zwischen beiden Kriegsparteien vermittelt haben. Das Ergebnis setzte aber lange diplomatische Bemühungen voraus.

China Peking | Außenminister Wang Yi trifft Vertreter Arabischer Länder
Chinas Außenminister Wang Yi (1. Reihe, 4.v. r.) mit den Außenministern der Palästinensischen Autonomiebehörde, Saudi-Arabiens, Jordaniens, Ägyptens und Indonesiens sowie dem Generalsekretär der Organisation für Islamische Zusammenarbeit am 20.11.23 in PekingBild: Pedro Pardo/AFP/Getty Images

Schon am Montag (20.11.) hatte sich Chinas Außenminister Wang Yi mit den Außenministern von Saudi-Arabien, Jordanien, Ägypten, Indonesien und der Palästinensischen Autonomiebehörde in Peking getroffen. "Das ist ein starker Ausdruck des Vertrauens, China als erste Station für Ihre Vermittlung in der internationalen Gemeinschaft zu besuchen", sagte Wang. "Dass wir uns gegenseitig verstehen und unterstützen, hat Tradition."

Südafrika Johannesburg | BRICS-Gipfel | Pressekonferenz
BRICS-Gipfel im August 2023 in SüdafrikaBild: Sergei Bobylev/dpa/picture alliance

BRICS in neuem Glanze

Der Sondergipfel der Gruppe der größten Schwellenländer der Welt tags darauf war dann ein Novum: das erste Sondertreffen zu einer aktuellen politischen Krise. Und er ist eine eine Steilvorlage für den roten Herrscher aus dem Reich der Mitte, das sich nicht mit dem Status als die zweitgrößte Volkswirtschaft begnügt. China will politischen Einfluss. Und die arabische Welt war bisher ein toter Winkel auf der diplomatischen Weltkarte Chinas.

"In der gegenwärtigen Situation ist es für die BRICS-Staaten höchste Zeit, sich zeitnah zur Frage Palästina-Israel zu äußern und Gerechtigkeit und Frieden zu artikulieren", sagte Xi am Dienstag in seiner Videoansprache.

Chinas Staatschef würdigte das "BRICS Plus"-Format als eine Plattform, auf der die Schwellenländer "die Kooperation verstärken und die gemeinschaftlichen Interessen verteidigen" müssten. "Wir haben heute unsere Positionen in der Frage zwischen Palästina und Israel abgestimmt und gemeinsame Handlungen beschlossen. Das ist ein guter Anfang für die Zusammenarbeit im größeren 'BRICS Plus'-Format."

Denn das Treffen war auch eine Premiere für die neuen Mitgliedsstaaten Ägypten, Argentinien, Äthiopien, den Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Die Neuen haben eines gemeinsam: Sie alle sind auch offizielle Unterstützer von Chinas Seidenstraßeninitiative (BRI).

Chinas Griff nach Europa - Die Neue Seidenstraße, Teil 1

"BRI ist tot. Es lebe BRICS"

Chinas Seidenstraßeninitiative (BRI) umspannt die Welt mit einem Handelsnetz und soll sie geopolitisch in Chinas Interesse neu ordnen. Allerdings bezweifelt Markus Taube, dass diese Initiative langfristig erfolgsverwöhnt bleibt. Der Wirtschaftsprofessor mit Schwerpunkt Ostasien an der Universität Duisburg-Essen vertritt eine provokante These: "Die BRI ist tot. Es lebe das BRICS-Format!"

"Die Seidenstraßeninitiative ist in der Phase der Win-win-Interpretation der globalen Kooperation entstanden, im Rahmen der Schönwetterglobalisierung", sagt Taube. "Die BRI setzt auf den gemeinsamen Aufbau der Infrastruktur und gemeinsame Entwicklung von Geschäftsmodellen. Das ist heute nicht mehr durchsetzbar. Das globale Narrativ hat sich verändert. BRI ist in dieser Form und in diesem Format nicht mehr zu verkaufen und zu vermarkten."

Zwar werde die BRI nicht sterben, weil sie in der KP-Parteisatzung stehe. Aber zunehmend würden BRI-Inhalte in andere Initiativen und andere Programme verlagert werden.

Gleichzeitig werde aber BRICS "zu einem der wichtigsten Träger für die außenpolitisch-ökonomische Propagierung von chinesischem Interesse, insbesondere im globalen Süden", analysiert Taube. "Die Staatengruppe BRICS verändert ihren Charakter vollständig", meint der Wirtschaftsprofessor in einem Vortrag Ende Oktober. 

Kursänderungen von China mit Folgen für Deutschland

Für Deutschland und vor allem für die deutsche Wirtschaft würden politische Kursänderungen in China nicht nur Implikationen für das Geschäft in China, sondern auch für das in Drittstaaten haben, sagt Taube. "BRICS ist der zentrale Kristallisationspunkt der chinesischen Außen- und Außenwirtschaftspolitik."

Übrigens heißen die BRICS-Staaten in der chinesischen Sprache "Goldbarren", die "BRICS Plus" "Große Goldbarren". Im 21. Jahrhundert sind nach Pekings Lesart politischer Einfluss die harte Währung, um die China derzeit ringt - eben "große, goldene Einflüsse" in einer antiwestlichen und antikolonialen Allianz, so wie China BRICS versteht.

Decoding China" ist eine DW-Serie, die chinesische Positionen und Argumentationen zu aktuellen internationalen Themen aus der deutschen und europäischen Perspektive kritisch einordnet.