Das Virus, der Sport, die Angst vor den Kosten
13. März 2020Viele Fußballvereine pflegen einen Mythos, der die Verbundenheit der Fans mit ihrem Verein demonstrieren soll. Regional jeweils etwas verschieden, lautet die Erzählung so: Wenn wir bei uns nur das Flutlicht anstellen, kommen gleich ein paar Tausend Zuschauer, um zu sehen, was es Neues gibt.
Das funktioniert in den Tagen der Coronavirus-Furcht natürlich nicht. Oder sollte es wenigstens nicht. Denn auch wenn ein Spiel, wie in dieser Woche das Niederrheinderby zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln als sogenanntes Geisterspiel vor leeren Rängen stattfindet, versammeln sich Hunderte Fans eben vor dem Stadion. Seuchenprävention sieht anders aus.
Am Freitag (13.3.2020) hat dann auch der deutsche Fußball auf die allgemeine Infektionsgefahr durch das Coronavirus reagiert. Auf Vorschlag der Deutschen Fußballliga (DFL) soll der Spielbetrieb in der ersten und zweiten Bundesliga in Deutschland vollständig ruhen - und zwar bis zum 2. April. Wie teuer diese Maßnahme den Sport am Ende kommen wird, lässt sich noch gar nicht ermessen - billig wird es aber auf keinen Fall.
Keine Zuschauer bis zum April
Wie sinnvoll es ist, unter Ausschluss der Fans anzutreten, also sogenannte Geisterspiele zu veranstalten oder gleich alle Spiele abzusagen, will Professor Christoph Breuer vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement an der Sporthochschule in Köln nicht kommentieren: "Diese Frage kann nur ein Mediziner beantworten."
Auf jeden Fall aber hätten leere Stadien weitreichende Folgen, sagt Breuer zur DW: "Zuschauereinnahmen stellen eine zentrale Erlösquelle des Profisports dar. Diese brechen nun weg." Außerdem, so Breuer, "sind die weiteren Einnahmequellen Sponsoring und Medienerlöse ebenfalls gefährdet, weil die vertragliche vereinbarte Leistung nicht erbracht werden kann."
Im Keller ist es richtig dunkel
In den unteren Ligen ist die wirtschaftliche Lage der Vereine generell prekärer als im Fußball-Oberhaus, erklärt Christoph Breuer: Eine Krise wie die gegenwärtige "trifft Vereine der unteren Ligen relativ betrachtet stärker. Zum einen machen bei ihnen Zuschauereinnahmen einen größeren Teil an den Gesamteinnahmen aus. Zum anderen ist die Liquiditätsdecke ohnehin angespannter. So schrieben bereits vor der Coronakrise zwei von drei Drittliga-Vereinen rote Zahlen, aber kein Verein der ersten Liga."
Noch weiter unten wird es richtig düster: Kickers Emden etwa stand vor wenigen Jahren noch auf der Schwelle zum bezahlten Fußball. Heute spielen die Deichkicker fünftklassig, vor jeweils etwa 500 Zuschauern in der Oberliga Niedersachsen. Albert Ammermann, stellvertretender Vorsitzender des Vereins, klagte der Ostfriesenzeitung gegenüber: "Wir sind eh nicht auf Rosen gebettet und könnten solche Einnahmeverluste nur sehr schwer verkraften." Wegen der zahlreichen wetterbedingt bereits ausgefallenen Heimspiele sei "die Situation ohnehin schon angespannt.".
Über den Tag hinaus
Aber nicht nur der 26. und der 27. Spieltag bereiten den Kassierern der Vereine Kopfschmerzen. Sollten die Spiele nachgeholt werden, könnten die Verluste noch begrenzt werden. Es steht aber nicht fest, ob nicht noch weitere Spiele abgesagt oder verschoben werden. Es zeigt sich auch, wie verzahnt die Spielpläne sind - von den Regionalligen bis hinauf zur Champions League.
Eine beschnittene Saison lässt viele Fragen offen: Wer steigt auf, wer muss absteigen? Wer kann sich für welchen Europapokalwettbewerb qualifizieren? Diese Probleme hält Christoph Breuer für "nur schwer beherrschbar." Solche Entscheidungen müssten gegebenenfalls am grünen Tisch getroffen und nicht auf dem grünen Rasen ausgespielt werden.
Hier sieht Breuer den europäischen Fußball in einer generell schwierigen Lage: "Sportliche Entscheidungen über Auf- und Abstieg werden allgemein akzeptiert, Entscheidungen am grünen Tisch eher nicht. In geschlossenen Ligen wie in der Eishockeyliga oder den amerikanischen Profiligen ohne Ab- und Aufstieg ist dies deutlich einfacher." Andererseits wären beispielsweise in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) Geisterspiele undenkbar. Angesichts dürftiger TV-Gelder sind die Vereine vor allem von verkauften Eintrittskarten abhängig - und etliche deutsche Einshockey-Vereine sind sowieso schon chronisch klamm bei Kasse. Daher war die Absage der Saison vor Beginn der Playoffs nur folgerichtig.
Und die Fußball-"verwerter"?
Man muss mit gesichtslosen Milliardenunternehmen wie den privaten Sendern Sky oder Dazn nicht unbedingt Mitleid haben - und sehr vielen Fußballfans sind diese Rechteinhaber auch generell suspekt. Doch immerhin ist es ihr Geschäftsmodell, das hier in Frage gestellt wird.
Und zwar doppelt: Auf der einen Seite können ihre Vertragspartner nicht "liefern" - denn wenn nicht gespielt wird, gibt es auch keine zu verkaufende Ware mehr. Und andererseits sind die Rechteverwerter ihren Kunden gegenüber in der Pflicht - über die Abonnementverträge mit ihnen finanzieren sich die Bezahlsender.
Traditionell sind die Privatsender nur sehr zurückhaltend, was ihre Geschäftszahlen angeht - sie geben nie mehr heraus als das, wozu sie gesetzlich verpflichtet sind. Da muss man schon auf die nächsten Bilanzen warten, wenn man sehen will, wie teuer das Coronavirus diese Branche gekommen ist.
Die Rufe nach dem Staat
Auf finanzielle Hilfe vom Staat brauchen die Vereine jedenfalls nicht zu hoffen. Dem Sportinformationsdienst (SID) antwortete das zuständige Bundesinnenministerium auf Anfrage nämlich: "Für den Sport auf Ebene der Vereine stehen keine Haushaltsmittel des Bundes zur Verfügung. Dies gilt auch für die Profi-Ligen."
Unterstützung könnte es, so der SID, höchstens vom Wirtschaftsministerium geben, allerdings nur in Form von Krediten. Denn "zur Unterstützung von Unternehmen stehen kurzfristig wirksame Instrumente bereit", so das Ministerium, wenn es sich bei dem Verein "um ein gewerbliches Unternehmen handelt".
Von staatlicher Hilfe hält Professor Christoph Breuer allerdings eher wenig. Er bringt stattdessen eine andere Lösung zur Sprache: Statt den Profisport durch den Steuerzahler absichern zu lassen, wäre "eine Öffnung für Investoren eine ökonomisch vernünftigere Alternative."