"So etwas sollte es nicht geben", sagt Leverkusen-Trainer Peter Bosz. "Mit Fußball hat das nichts zu tun", meint Schiedsrichter Deniz Aytekin. "Grundsätzlich braucht das kein Mensch", stellt Gladbachs Trainer Marco Rose fest. Drei Aussagen von Protagonisten des deutschen Fußballs. Alle drei beziehen sich dabei auf die Geisterspiele - jene zwar nahe liegende, aber unzureichende Maßnahme des Fußballs, um auf das Coronavirus zu reagieren.
Spiele ohne Publikum - das gab es noch nie in 57 Jahren Bundesliga-Geschichte. Die Premiere am Mittwochabend zwischen Mönchengladbach und Köln macht auch nicht Lust auf mehr. Totenstille, nur ein paar Rufe der Spieler, die als Echo an den leeren Betontribünen verhallen. Manchmal hört man sogar den Wind pfeifen. Es ist eine sterile Trainingsatmosphäre, die da im Borussiapark herrscht. Gut zwei Stunden später ist es im Pariser Parc des Princes bei der Champions-League-Partie zwischen Paris und Dortmund nicht anders. Die blauen Tribünen gähnen vor Leere. Das ist nicht der Fußball, wie wir ihn kennen. So brauchen wir ihn nicht.
Milliardenschwere Gründe den Spielbetrieb fortzusetzen
Doch das gilt nicht für alle. Die Klubs, die Ligen, die Verbände und die übertragenden TV-Sender haben ein großes Interesse daran, dass die Show mit dem Ball weitergeht - Coronavirus hin, Pandemie her. Es geht um viel Geld. Vier Milliarden Euro setzt die Bundesliga pro Saison um, davon 1,48 Milliarden Euro allein durch die mediale Verwertung. Und genau diese Verträge sehen nun einmal eine vollständige Saison vor, dafür haben Sponsoren und Pay-TV-Sender hohe Summen hingelegt. Es stehe "außer Frage, dass die Saison wie vorgesehen bis Mitte Mai zu Ende gespielt werden" müsse, hieß es in einer DFL-Mitteilung vom Sonntag. Man könnte auch sagen: Das Geschäft ist wichtiger als die Gesundheit.
Denn natürlich treffen auch bei Geisterspielen Spieler, Trainer, Schiedsrichter, Betreuer, Ordner, Journalisten und weitere Menschen aufeinander. Mit den ersten positiven Tests auf das Coronavirus bei Profifußballern sollte auch dem letzten Verantwortlichen im Fußball klar sein, dass auch junge, fitte und ärztlich intensiv betreute Berufssportler angesteckt werden können. Das Virus spielt mit.
Fußball ist ein Spiel, die Gesundheit nicht
Und noch etwas ließ sich am Mittwochabend beobachten: Sowohl in Mönchengladbach als auch in Paris feuerten vor den Stadien Tausende Fans ihre Mannschaften an. Die Leidenschaft für ihren Verein siegte über die Vernunft, besser zu Hause zu bleiben. Ähnliche Szenen werden wir am Wochenende sehen, wenn der komplette 26. Bundesliga-Spieltag ohne Zuschauer stattfinden wird - in den Stadien wohlgemerkt. Davor könnten sich erneut Tausende treffen und anstecken. Eine Gefahr, die unbedingt gebannt werden muss.
Wer es bislang noch nicht wahrhaben wollte, sieht es in Zeiten von Corona mehr als deutlich: Der turbokapitalistische Profifußball dient vor allem sich selbst. Es ist an der Zeit, dass sich der Fußball seiner gesellschaftlichen Verantwortung stellt und mithilft, die Ausbreitung des Coronavirus so gut es geht einzudämmen. Geisterspiele helfen dabei nur bedingt. Sie schaden der Stimmung, aber - und das wiegt schwerer - auch der Gesundheit der Menschen in und neben den Stadien.
Konsequenz: In den vom Virus stark betroffenen Gebieten kann keine nationale Liga, keine Champions oder Europa League zu Ende gespielt werden. Und eine Europameisterschaft mit Fans aus aller Welt zu Gast in zwölf verschiedenen Ausrichterstädten ist aktuell leider ebenfalls undenkbar. Fußball ist und bleibt ein Spiel. Die Gesundheit ist dagegen keines.