Brüssel wird nervös
11. März 2014"Das ist alles recht kompliziert und hochtechnisch", seufzte der französische Finanzminister Pierre Moscovici, der am Montag und Dienstag (10./11.03.2014) ohne Pause über Details der geplanten Banken-Union in Europa verhandelt, gestritten und gerungen hatte. Auch nach Monaten der Verhandlungen haben die EU-Finanzminister noch keine klare Haltung, mit der sie in die Gespräche mit dem Europäischen Parlament eintreten wollen. Die Parlamentarier müssen entscheidenden Teilen der geplanten Banken-Abwicklung, neuen Gremien und Behörden sowie dem Fonds, aus dem Bankenrettungen künftig bezahlt werden sollen, zustimmen.
Die letzte Sitzung des Parlaments vor der Europawahl findet am 16. April in Straßburg statt. Was bis dahin nicht erledigt ist, wird wegen des Wahlkampfs und der Konstituierung des neuen Parlaments erst wieder im September aufgerufen. Die Einrichtung der Banken-Union, die nach Aussage von EU-Kommissionspräsident Jose Barroso derzeit das "wichtigste Projekt der EU" ist, würde sich um Monate oder sogar Jahre verzögern.
"Es gibt kein klares Signal für Kompromisse"
Vor der Europawahl Ende Mai wäre das Scheitern der Banken-Union ein fatales Signal an die ohnehin nicht begeisterten Wähler, heißt es aus dem Parlament. Das weiß auch der französische Finanzminister Pierre Moscovici und mahnt deshalb zur Eile. "Das sind Themen, die für unsere Unternehmen und für unsere Völker wichtig sind. Es ist entscheidend, hier den Kalender zu beachten." Der Zeitplan sehe vor, dass sich die Finanzminister sehr bald einigen. Dann müsse es einen Trilog mit dem Parlament geben, das dann noch endgültig zustimmen müsse, so Moscovici bei der Tagung der EU-Finanzminister in Brüssel.
Der Vorsitzende der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, Hannes Swoboda, hat nur wenig Hoffnung, dass sich die Finanzminister zu einem Vorschlag zur Banken-Union durchringen, der auch der Mehrheit des Parlaments in den Kram passt. "Es gibt kein klares Signal des Finanzminister-Rates und der Regierungen, dass sie einen Kompromiss erreichen wollen. Ich denke, wir verpassen hier eine weitere Chance", sagte Swoboda Reportern am Rande der Sitzung des Parlaments in Straßburg. Die Parlamentarier möchten möglichst viele Teile der Banken-Union nach europäischem Recht regeln und die Risiken, die sich aus der Bankenabwicklung ergeben könnten, eher der Gemeinschaft übertragen.
Die Finanzminister konnten sich untereinander immer noch nicht darauf einigen, wer welche Risiken von scheiternden Banken tragen soll und wie genau die Entscheidungen fallen sollen. Manche Finanzminister, wie der deutsche Wolfgang Schäuble, wollen, dass die EU-Mitgliedsstaaten, die am Ende vielleicht zahlen müssen, auch das letzte Wort haben. Andere Minister, eher aus den bisherigen Krisenländern, wollen, dass die Risiken auf die Gemeinschaft abgewälzt werden und ein neuer Bankenrettungsfonds schneller und einfacher angezapft werden kann als bislang vorgesehen.
Schäuble will an strengen Haftungsregeln festhalten
Ein im Dezember 2013 gefasster Beschluss der Finanzminister zur Beteiligung von Eigentümern und Gläubigern an der Bankenrettung, das sogenannte Bail-In, wird jetzt wieder in Frage gestellt.
Dagegen wehrt sich der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble. Klar sei für ihn, dass die Bail-In-Regeln gelten und nicht abgeschwächt werden dürften. "Es hat ja keinen Sinn, davon zu reden, dass der Steuerzahler nicht mehr die Rechnungen bezahlen muss, und dann aber damit zu beginnen, die Regeln, wie Eigentümer und Gläubiger das Risiko tragen müssen, am Anfang nicht so streng anzuwenden. Deshalb sind wir in dieser Frage der Bail-In-Regeln nicht zu Kompromissen bereit." Auch das Europäische Parlament ist für strenge Bail-In-Regeln. Der Streit sei eher wieder zwischen den Finanzministern entbrannt, so EU-Diplomanten.
Viele Fragen offen: Wer zahlt am Ende?
Umstritten ist auch, wie genau der 55 Milliarden Euro umfassende Fonds zur Abwicklung von Pleite-Banken gefüllt werden soll. In zehn Jahren, in fünf Jahren oder doch lieber in acht? Und sollen alle Banken gleich viel einzahlen oder gestaffelt nach ihren Geschäftsrisiken? Was passiert, wenn eine Bank abgewickelt werden muss, bevor der Fonds voll gefüllt und arbeitsfähig ist? Sollen die einzelnen Mitgliedsstaaten dann wieder ihre eigenen Banken retten oder tritt doch der Europäische Rettungsschirm (ESM) ein? Das sind nur einige der Fragen, die der Chef der Liberalen im Parlament, Guy Verhofstadt, als ungelöst ansieht.
Verhofstadt kritisiert, dass den Ministern der Wille fehle, tatsächlich ein gemeinschaftlich verwaltetes Instrument, eben eine Banken-Union, zu schaffen. Die Entscheidungswege seien viel zu lang und zu zeitraubend, kritisierte Guy Verhofstadt: "Mit dem aktuellen Vorschlag können Sie vielleicht ein mittelgroßes Spielkasino in Europa vernünftig abwickeln, aber sicher nicht große Banken und Finanzinstitute in der EU. So vermissen wir weiter eine echte Banken-Union."