Das Mobiltelefon als Bankfiliale in Afrika
12. Januar 2020Margaret Moyo schwört auf ihr Handy: Das kleine Gerät sichert das Überleben in ihrer Heimat Simbabwe. "Jeden Tag kaufe ich damit Lebensmittel oder bezahle Wasser und Strom. Auch die Schulgebühren für meine Kinder", erzählt die junge Frau begeistert. Sie gibt bei den Händlern schnell ein paar Daten in ihr Handy, eine Summe erscheint auf dem Display, dann ein Klick - schon ist die Ware oder die Rechnung bezahlt. Mobile Überweisungen sind in Simbabwe gängiger Alltag. Bargeld ist chronisch knapp, und das mobile Zahlungssystem "Ecocash" des größten privaten Mobilfunkanbieters Econet boomt.
Vom Brot bis zum Benzin: Geldtransfer per Handy
"Die Zahlungen werden überall akzeptiert, das ist sehr praktisch", sagt Moyo. Sie arbeitet beim staatlichen Stromversorger und ist froh, dass sie - wie fast alle Simbabwer - auf diese Weise ihren Alltag bestreiten kann." Das krisengeschüttelte Simbabwe leidet unter Hyperinflation, Verbraucher können sich immer weniger leisten. Auch der "Ecocash"-Zahlungsdienst ist daran nicht ganz unschuldig: "Mobile Zahlungen sind etwas teurer, aber es gibt gar kein Bargeld im Land. " Die elektronischen Zahlungen dominieren den Markt: Vom Brot bis zum Benzin - alles wird übers Handy abgewickelt.
"Auf dem Handy wird ein Geldwert verschoben", sagt Hermann Singh, Vorsitzender von "Future Advisory" in Südafrika. Das Unternehmen beschäftigt sich mit digitaler Transformation weltweit. Singh arbeitete viele Jahre als Chefstratege beim südafrikanischen Telefonanbieter MTN, der in vielen Ländern des Kontinents aktiv ist. Singh sieht die Entwicklung der mobilen Zahlungssysteme als Weg, Afrika weiter zu entwickeln. In Simbabwe habe die wirtschaftliche Notlage dazu geführt, Telefonzahlungen zu etablieren. "Der größte Teil des Einkommens im Land wird von den Verwandten, die im Ausland leben, in die Heimat überwiesen - direkt auf das Handy." Zwei Drittel des in Afrika zirkulierenden Geldes stamme aus dem Ausland, fügt er an. Da sei das Handy oft als "Bank" im Einsatz.
Bankkonto ist überflüssig geworden
Laut Singh hat sich die mobile Zahlungsmethode in den vergangenen 17 Jahren in vielen afrikanischen Ländern fest etabliert. "In vielen Ländern gibt es noch keine Kreditkarten, wir haben nicht die Zahlungswege, die in den Industrieländern möglich sind", sagt Singh im DW-Interview. "Häufig fehlen Geldautomaten, Bankfilialen oder Kassen. In Abwesenheit all dieser Angebote hat sich das Mobiltelefon diesen Markt erobert, ein Bankkonto ist für viele Menschen überflüssig geworden. Alle Serviceleistungen werden per Handy angeboten und verändern das Leben der Bürger."
Die Banken arbeiteten mit den Mobilfunkanbietern zusammen und durch die Zahlungen könne gut geprüft werden, ob die Kunden kreditwürdig seien - für spätere Haus- oder Autokäufe, so Singh. Der Zugang zu Finanz-Plattformen sei gratis und es fielen nur geringfügige Zahlungen per Überweisung an. Neben MTN dominieren die Anbieter Vodafone und Orange die afrikanischen Märkte. Die Zahlungen nehmen weiter Fahrt auf in Afrika, mehr Dienstleistungen werden integriert. Auch blickten Firmen bereits auf künftige Märkte wie Lateinamerika und Asien. Aber in Südafrika zum Beispiel waren mobile Zahlungssysteme laut Singh ein Flopp: "Das Land ist stark entwickelt, viele Menschen haben ähnlich wie in Europa Zugang zu Bankkonto, Kreditkarten und Internet. Alle Anbieter haben es auf dem Markt versucht - ohne Erfolg."
M-Pesa dominiert ostafrikanischen Markt
Der Anbieter M-Pesa - benannt nach dem Swahili-Wort für Geld - hat den ostafrikanischen Markt fest im Griff. M-Pesa wurde 2007 von dem kenianischen Mobilfunkunternehmen Safaricom in Kooperation mit Vodafone - das auch Anteile an Safaricom hält - eingeführt und allmählich auch in den Nachbarländern eingeführt. Insbesondere in Kenia läuft die Versorgung durch den Mobilfunkanbieter Vodafone fast flächendeckend. "86 Prozent unserer Kunden nutzen die mobile Zahlmethode", sagt Philippe Weber, Leiter von M-Pesa bei Vodafone.
Die elektronische Geldbörse ist beliebt und Vodafone arbeitet an neuen Strategien, seine Dienste auszuweiten. Im Kongo nutzten nur ein Viertel der M-Pesa-Kunden Elektro-Cash. Auch in anderen Ländern gibt es laut des britischen Unternehmens Vodafone noch Potenzial, zu expandieren. Derzeit ist die Firma in sieben Ländern in Subsahara-Afrika mit einem engen Netzwerk von 400.000 sogenannten Agenten vertreten, bei denen Kunden für ihre Überweisungen vorher Bargeld einzahlen können.
Der Wettlauf hat begonnen
Laut Vodafone-Manager Weber ist der Konzern mit 37 Millionen Nutzern der größte Anbieter für mobile Zahlungen weltweit. "Die Transaktionen belaufen sich auf elf Milliarden pro Jahr, das ist mehr als der Online-Bezahldienst Paypal weltweit verzeichnet." Vodafone will demnächst mehr Finanzdienste anbieten, darunter Zugang zu Krediten und Online-Zahlungen. Auch MTN, der größte Mobilfunkkonzern in Afrika, baut derzeit seine Angebote an Finanzdienstleistungen aus. Und insbesondere in Nigeria wächst die Konkurrenz durch FinTech-Startups, die teilweise bereits Investoren aus dem Ausland anziehen. Nigeria versucht über finanzielle Anreize, elektronischen Zahlungsverkehr gegenüber Bargeld attraktiver zu machen.
Afrika macht weiter große Sprünge in Sachen bargeldloser Zahlungsverkehr. Aber das funktioniert nur unter einer Bedingung: Handys brauchen ein Signal. In Simbabwe ist die Mobilfunkverbindung aber ähnlich unzuverlässig wie andere Infrastruktur auch: "Wenn wir kein Netz haben, dann können wir nur Kunden mit Bargeld bedienen", sagt Taxifahrer Peter Gambanga in Harare der DW. "Bargeld ist rar und das Netz liegt oft mehr als für ein paar Tage flach - dann können wir kein Geschäft machen."
Mitarbeit: Privilege Musvanhiri