"Das Leben bejahen"
27. Februar 2003Daniel Libeskind, der Baumeister des Jüdischen Museums in Berlin, wird bald die Lücke schließen, die der New Yorker Terroranschlag vom 11. September 2001 riss. Sein Projekt, "Gardens of the World" genannt, sieht einen 553 Meter hohen Wolkenkratzer mit transparenten Wänden und Grünanlagen vor. Weitere futuristische Gebäude will der Architekt um die Grundflächen der früheren WTC-Türme gruppieren, die nicht wieder bebaut werden sollen.
Dem Entwurf zufolge soll es neben neuen Büroräumen auch ausreichend Platz für Erinnerungsstätten geben: So soll ein "Park der Helden" und ein "Platz der Reflektionen" entstehen, die ein sogenannter "Lichtkeil" am 11. September genau zwischen 8:46 und 10:28 Uhr mit seinen Sonnenstrahlen ausleuchten wird. In das Gesamtwerk werden auch die starken Wände der Bodenwanne integriert, die das WTO vor Grundwasser schützen sollten, und die den Anschlag überstanden.
Daniel Libeskind, herzlichen Glückwunsch, dass Sie unter die letzten zwei Finalisten gekommen sind. Wie würden Sie Ihren Entwurf beschreiben?
Es geht darum, zwei scheinbar widersprüchliche Aspekte zu vereinen. Zum einen den des Denkmals, das an die Tragödie erinnert und daran, wie sie die Welt verändert hat. Zum anderen geht es darum, eine vitale und schöne Stadt des 21. Jahrhunderts zu erschaffen. Die Aufgabe besteht darin, die Rolle Manhattans auf eine aussagekräftige, nie zuvor gekannte Weise wiederzubeleben.
Sie benutzen bei Ihrem Entwurf die massiven Wände der Bodenwanne, etwas, woran kein anderer der Finalisten dachte.
Ich hielt es für sehr bewegend. Sie sind eben nicht nur die Fundamente der Türme, etwas sehr Abstraktes, weil Leute an dieser Stelle gestorben sind. Es ist eine Art heiliger und spiritueller Ort. Ich entdeckte, dass diese Wände die Stärke der Demokratie bezeugen und das, was den Angriffen standhielt. Und natürlich schaffen diese Wände zusammen mit den unauslöschlichen Spuren ein Denkmal, das, wie ich denke, der Würde und Bedeutung des Ortes angemessen ist.
Es ist vor allem ein Kreis von Bürogebäuden, Türmen und Gärten?
Ich habe mich wirklich auf die öffentlichen Räume konzentriert, um sie mit Leben zu füllen. Der Gartenturm ist nicht nur ein symbolischer Turm, sondern er beinhaltet wirkliche Gärten, was eine Bejahung des Lebens und etwas einfach Schönes ist.
Und außer dieser ausgedehnten Gedenkstätte planen Sie auch einen "Lichtkeil".
Ich war nicht nur an dem Denkmal interessiert. Das ganze Gelände wurde auf den Spuren des Ereignisses neu gestaltet. Durch den geplanten Lichtkeil wird der "Park der Helden" vollständig in der Sonne erstrahlen, und zwar am 11. September, zwischen 8:46 Uhr morgens, als der erste Turm getroffen wurde, und 10:28, als der zweite Turm zusammenbrach. Es wird also eine ewige lichte Gedenkstätte sein.
Wie haben Sie das ausgerechnet? Haben Sie mit Mathematikern zusammengearbeitet?
Nun, Architekten sollten auch etwas über Astronomie wissen!
Also kann man bestimmte Formeln benutzen?
Natürlich kann man den Winkel der Sonne an einem speziellen Datum und Breitengrad ausrechnen, wie dies bereits die Menschen von Stonehenge lange vor uns taten!
Würden Sie sagen, dass Ihr Vorschlag den Libeskind-Design-Stempel trägt? Erinnert es zum Beispiel an das Jüdische Museum in Berlin?
Es erinnert nicht daran, aber es hat mit Erinnerung zu tun. Damit, wie wichtig Erinnerung ist und damit, wie die wichtige Erinnerung sich für etwas öffnet, das in der Zukunft positiv ist, nicht nur eine skelettartige Mahnung dieses Ereignisses im Himmel. Man soll wirklich vom Boden aus entdecken können, worum es in dieser Welt geht.
Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein, ausgewählt zu werden?
Ich denke nicht über meine Chancen nach, sondern an eine Konzeption, die Integrität besitzt und eine Qualität, die nicht nur den Kopf anspricht, sondern auch die Seele.
Also sind Sie recht hoffnungsvoll, zu gewinnen?
Ich bin kein Zyniker, aber ich glaube an die kommunikative Rolle der Architektur.