Das große Zocken
30. November 2012Wenn Staaten neues Geld brauchen, begeben sie Anleihen. Anleger kaufen diese Papiere, weil Staaten versprechen, das geliehene Geld zu einem bestimmten Zeitpunkt samt Zinsen zurückzuzahlen. Die Laufzeit reicht von einigen Monaten bis zu mehreren Jahrzehnten.
Bis zur Fälligkeit sind die Anleihen frei handelbar, Anleger können sie untereinander kaufen und verkaufen. Der Preis kann dabei stark schwanken.
Durch den Schuldenschnitt im Frühjahr mussten private Investoren bereits auf einen Teil ihres Geldes verzichten. Das Vertrauen war im Keller, und entsprechend gering war der Preis, zu dem griechische Staatsanleihen gehandelt wurden.
Billig kaufen, teuer verkaufen
Das wiederum zog Hedgefonds wie den Third Point Offshore Fund an, der nach eigenen Angaben rund neun Milliarden US-Dollar verwaltet. Daniel Loeb, Gründer und Chef von Third Point, teilte mit, er habe im Juli und August massiv in griechische Staatsanleihen investiert. Die waren billig: nur 17 Cents pro Euro Nennwert. Loeb verriet seinen Investoren auch, was ihn zu dem Kauf veranlasste: die Erwartung einer "starken Reaktion der Europäischen Zentralbank". Die ließ nicht lange auf sich warten. Um den Euro zu retten, verkündete EZB-Chef Draghi im Herbst, werde die Zentralbank notfalls auch Staatsanleihen der Krisenländer aufkaufen, und zwar ohne Limit.
Seitdem ist der Preis der griechischen Anleihen wieder gestiegen, von 17 auf um die 30 Cent pro Euro Nennwert. Hedgefonds-Chef Loeb nennt die Papiere in seinem letzten Monatsbericht "Top-Gewinner".
Neue Schulden gegen alte Schulden
Aus Sicht der Griechen, die bei Fälligkeit der Papiere pro Euro Nennwert auch wirklich einen Euro zahlen müssen, ist ein Kurs von um die 30 Cent immer noch günstig. Der Plan: Mit einem Einsatz von rund zehn Milliarden Euro könnten Anleihen im Nennwert von rund 30 Milliarden zurückgekauft werden, fast ein Zehntel der Gesamtschulden.
Noch unklar ist allerdings, woher das Geld für den Rückkauf kommen soll. Das deutsche Bundesfinanzministerium teilt mit, das müsse aus dem laufenden Hilfsprogramm finanziert werden. Entscheidend sei aber, "dass sich das Programmvolumen dadurch nicht erhöht", so das Ministerium.
Raoul Ruparel, Leiter der Wirtschaftsforschung bei der Londoner Denkfabrik Open Europe, hält das für Wunschdenken. "Die bisherigen Mittel sind doch schon verplant, um die aktuellen griechischen Finanzlöcher zu stopfen", so Ruparel gegenüber der DW. "Es sieht ganz danach aus, als bräuchte man für den Schuldenrückkauf neue Mittel." Doch selbst das könnte sich in der Theorie lohnen, schließlich würden mit zehn Milliarden Euro neuer Schulden 30 Milliarden alte Schulden ausgelöscht.
Griechische Banken
"Private Gläubiger halten noch griechische Staatsanleihen mit einem Nominalwert von 67 Milliarden Euro", rechnet Chefvolkswirt Jörg Krämer von der Commerzbank vor. Rund die Hälfte der Anleihen liegt bei griechischen Instituten. Die haben nach Angaben des griechischen Finanzministeriums die Anleihen bereits zu Marktpreisen in ihren Büchern. Ein Verkauf etwa zu 30 Cent pro Euro Nennwert würde für sie daher keine zusätzlichen Verluste bedeuten.
Problematisch sei allerdings, dass griechische Institute die Staatsanleihen auch als Sicherheit angeben, um dringend benötigtes Geld von der griechischen Notenbank und der Europäischen Zentralbank zu erhalten. Dabei werden die Papiere allerdings nur mit einem Abschlag von 50 Prozent bewertet, nicht mit 70 Prozent wie auf dem Anleihemarkt.
"Wenn sie die Anleihen günstig verkaufen, erhalten sie in Zukunft weniger Liquidität von der Zentralbank", glaubt Raoul Ruparel von Open Europe. "In der Folge könnten die griechischen Banken weniger Kredite an Unternehmen vergeben, und das würde die Lage der Wirtschaft noch weiter verschlechtern."
Unwillige Verkäufer
Griechische Banken könnten von der Regierung gedrängt werden, sich am Schuldenrückkauf zu beteiligen. Unklar ist, ob sich auch internationale Investoren beteiligen wollen. Sie halten ebenfalls rund 30 Milliarden Euro an Anleihen. "Es ist fraglich, ob viele dieser Institute bereit sind, die Papiere zum niedrigen Marktpreis zu verkaufen", so Ruparel. "Wenn sie sich am Schuldenschnitt beteiligt haben, wollen sie keine weiteren Verluste machen und die Papiere solange halten, bis sie fällig sind."
Einige Anleger hatten sich geweigert, beim Schuldenschnitt im Frühjahr mitzumachen. Weil der mit geringeren Abschreibungen verbunden war als der jetzt geplante Rückkauf, ist auch ihre Beteiligung fraglich.
Das Beispiel Argentinien zeigt, dass es sich für Investoren lohnen kann, auf volle Rückzahlung zu bestehen. Ein US-Gericht hat Argentinien kürzlich verurteilt, dem Hedgefonds Elliott Management mehr als eine Milliarde Dollar zu zahlen. Der Fonds hatte sich vor Jahren geweigert, am Schuldenschnitt des Landes teilzunehmen. Nach dem Urteil geriet auch das Rating des Landes unter Druck.
Die Profiteure
Verkaufswillig könnten allenfalls jene Hedgefonds sein, die griechische Anleihen günstig gekauft haben. Zwar will Griechenland nicht mehr zahlen als den Kurs vom Freitag vergangener Woche. Doch selbst bei einem Kurs von 34 Cent hätten der Hedgefonds Third Point seinen Einsatz verdoppelt. "Trotzdem haben diese Hedgefonds einen Anreiz, den Preis noch weiter nach oben zu treiben", sagt Raoul Ruparel von Open Europe.
Achilles Risvas, Chef des Hedgefonds Dromeus Capital, der griechische Anleihen ebenfalls günstig gekauft hat, sieht das ganz ähnlich. "Das ist wie ein Pokerspiel. Zuerst muss man verstehen, was alle anderen machen", so Risvas zur Nachrichtenagentur Reuters.
Ein Rückkauf von Schulden sei grundsätzlich keine schlechte Idee, sagt Wirtschaftsforscher Ruparel. Allerdings komme das Programm für Griechenland viel zu spät. "Jetzt wird Steuergeld eingesetzt, um Hedgefonds einen Gewinn zu verschaffen", so Ruparel.
Die Politik
Mit der Zustimmung des Deutschen Bundestages am Freitag (30.11.2012) für die nächsten Griechenland-Hilfen haben die Abgeordneten auch grünes Licht für das Geschenk an die Hedgefonds gegeben. "Der Schuldenrückkauf ist Gegenstand der Abstimmung, weil er Voraussetzung für die Auszahlung der nächsten Tranche für Griechenland ist", so ein Sprecher des Finanzministeriums gegenüber der DW.
Die Deutsche Bank und Morgan Stanley haben den Auftrag erhalten, den Rückkauf zu organisieren. Details sind noch nicht bekannt. Der Rückkauf soll noch vor dem nächsten Treffen der Eurogruppe am 13. Dezember abgeschlossen sein.