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Das Erbe der Sextouristen

Roxana Isabel Duerr28. April 2015

Sie werden "Milchfische" und "Negros" genannt - die Kinder von ausländischen Sextouristen wachsen auf den Philippinen oft in bitterer Armut auf. Die Väter verschwinden meist vor ihrer Geburt.

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Torbogen am Stadteingang von Olongapo mit dem Schriftzug 'Willkommen in der Heimat der schönsten Frauen der Welt (Foto: DW/R. Dürr)
Bild: DW/R. I. Duerr

"Schau mal, das ist dein Papa." Marcia hält ihrem kleinen Sohn das Smartphone vor die Augen. Das Bild zeigt sie selbst, stark geschminkt in einer glitzernden Bar sitzend, eng umschlungen mit einem blonden Mann mittleren Alters. Den vierjährigen Daniel interessiert das Foto wenig. Er klettert lieber weiter die Bambusrohre hoch.

"Wie gerne hätte ich, dass er seinen Vater kennenlernt," seufzt Marcia und füttert ihren jüngsten Sohn mit der Flasche. Die fünffache Mutter lebt am Rande der Stadt Olongapo, auf der philippinischen Insel Luzon. Ihre Zwölf-Quadratmeter-Holzhütte teilt sie sich mit den Kindern und ihrer Mutter. Marcias Kinder sind von drei unterschiedlichen Vätern: ein Amerikaner, ein Australier, ein Filipino. Sie alle waren ihre Kunden, mal länger, mal kürzer.

Sextouristen, die auf die Philippinen reisen, buchen Frauen meist als Freundinnen für ein paar Wochen oder Monate. Viele Frauen hoffen, dass aus der gemeinsamen Zeit eine richtige Beziehung entsteht, dass der Ausländer sie aus der Armut befreit. Das passiert jedoch nur in den seltensten Fällen. Marcia hat die Väter nach der Geburt ihrer Kinder nie wieder gesehen.

Eine vaterlose Generation

Die 28-Jährige wünscht sich vor allem, dass ein Mann sie aus Liebe heiratet und sie ihren Kindern eine gute Ausbildung sichern kann. Das, was Marcia als "Bargirl" verdient, reicht der Familie gerade zum Überleben. Finanzielle Unterstützung hat sie von den Vätern nie erhalten, auch nicht für die Beerdigung ihrer zweijährigen Tochter Kate im vergangenen Jahr. Beim Spielen wurde die kleine Kate von einem Auto erfasst. Kates Vater ist Australier, das kleine Mädchen blond und blauäugig. "Bangus" wurde sie von den Nachbarn oft genannt, "Milchfisch".

Ein hellhäutiges Kind aus der Unterschicht kann nur eine Prostituierte als Mutter haben, so die weitverbreitete Annahme. Die Kinder sind in ihrer Umgebung zwar Sonderlinge, manche machen aber auch aufgrund ihres Aussehens Karriere und werden Schauspieler oder Models. Die meisten jedoch wachsen in Armut auf und werden nicht selten selbst zur Prostitution gezwungen.

Kinder mit afrikanischen oder afro-amerikanischen Vätern werden innerhalb der philippinischen Gesellschaft noch stärker stigmatisiert, sie werden "Negros" genannt. Rund um Olongapo gibt es abertausende Kinder dieser vaterlosen Generation, das Erbe der ausländischen Sextouristen.

Marcia und ihre Kinder (Foto: DW/R. Dürr)
Gerne würde Marcia ihren Kindern eine Zukunft bieten, doch das ist nicht so einfachBild: DW/R. I. Duerr

Kein Zugang zu Verhütung

Verhütung ist für die meisten Prostituierten in Olongapo ein Fremdwort. "Die Kunden verlangen Sex ohne Kondom, was bleibt uns also übrig?", fragt Trisha Velazquez, die in Olongapo in einem Massagesalon arbeitet. Der Vater ihrer Tochter Sabrina ist Deutscher. Als Trisha ihm von der Schwangerschaft erzählte, verschwand er. Vergeblich versuchte Trisha, ihn zu kontaktieren.

Weil Antibabypillen zu teuer und auf den ultrakatholischen Philippinen sehr schwer zugänglich sind, werden Kinder wie Daniel, Kate und Sabrina gezeugt. Bei zahlreichen Freiern pro Nacht wissen manche Frauen auch gar nicht so genau, wer nun eigentlich der Vater des Kindes war. Abtreibung ist auf den Philippinen illegal, deshalb versuchen einige Frauen mit den lebensgefährlichsten Methoden eine Missgeburt herbeizuführen.

Kleines Kind auf den Philippinen (Foto: DW/R. Dürr)
"Negros" und "Milchfische" - Kinder von Sextouristen werden häufig stigmatisiertBild: DW/R. I. Duerr

Abhängig von der Sexindustrie

Auch Geschlechtskrankheiten sind auf den Philippinen weit verbreitet - und entgegen des weltweiten Trends steigt die Zahl der HIV-Infizierten seit Jahren. Die Sextouristen scheint das nicht abzuhalten: Im berüchtigten Barretto-Viertel von Olongapo sitzen sie schon morgens bei einem Bier und mit weiblicher Begleitung in den zahlreichen Bars. Vor den Etablissements hängen Zettel aus mit "Kellnerin gesucht - angenehme Persönlichkeit erwünscht" oder "Wir brauchen Tänzerinnen - hohes Gehalt, hohe Kommission" darauf.

Olongapo war schon zu Zeiten der nahegelegenen US-Militärstützpunkte in Clark und Subic Bay ein beliebtes "Erholungszentrum": Eine ganze Generation philippinischer "Amerasians" ging aus den Beziehungen zwischen Soldaten und einheimischen Frauen hervor. Die erneut verstärkte Militärpräsenz der USA auf den Philippinen wurde von Frauenrechtsgruppen nun stark kritisiert. Sie fürchten, dass sich die Prostitution im Land weiter festsetzt. Schon jetzt sind die Gegenden rund um die früheren Militärbasen fast ganz von der Sexindustrie abhängig, obwohl beide US-Stützpunkte bereits 1991 geschlossen worden waren. Bereits am Stadteingang von Olongapo prangt auf einem großen Bogen: "Willkommen in der Heimat der schönsten Frauen der Welt". Und darüber der Slogan "Olongapo - Transparenz und gute Regierungsführung".

"Eine nationale Schande"

Der irische Missionar Shay Cullen, der seit vier Jahrzehnten am Rande der Stadt die Kinderschutzorganisation PREDA leitet, hat dafür nur ein Kopfschütteln übrig. Er weiß, dass die lokalen Behörden mit den Barbesitzern meist unter einer Decke stecken: "Der Sextourismus, sogar in seiner kriminellsten Form, genießt politischen Schutz, denn er ist eine große Devisenquelle und generiert Einkommen für lokale Behörden, die manchmal selbst in die Prostitutionsindustrie investieren. Es ist eine nationale Schande für die Philippinen", sagt er.

Nach dem philippinischen Gesetz muss ein Vater für sein Kind Unterhalt zahlen, egal ob die Mutter eine Ehepartnerin oder eine Geliebte war. Doch weil Sexarbeiterinnen von der Gesellschaft verstoßen werden, kommen sie praktisch nie zu ihrem Recht. Immer mehr Frauen kämpfen jedoch mit der Unterstützung von Hilfsorganisationen dafür. Auch Cullen möchte künftig betroffenen Kindern mit Stipendien eine Ausbildung ermöglichen.

Die Hoffnung auf Unterstützung von außen hat Marcia schon fast aufgegeben. Um ihren Kindern eine bessere Zukunft zu eröffnen, bewirbt sie sich deshalb auf Jobs, etwa in einer südkoreanischen Elektronikfabrik. Und ist zumindest mit dem amerikanischen Vater ihres Sohnes Daniel noch befreundet. Auf Facebook.