Asylgesetz
1. Oktober 2015Die Zeit drängt. Das wissen die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die über den Entwurf eines "Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes", das die Bundesregierung vor zwei Tagen vorgestellt hat beraten sollen. Fünf bis 10.000 Flüchtlinge kommen täglich über die Grenzen ins Land. Die Behörden kommen gerade noch so mit dem Andrang zurecht und in der Bevölkerung wird der Unmut über die Asylbewerber immer lauter. "Auf den Bürgerversammlungen, in den Städten und den Gemeinden wird viel diskutiert – mit Neugier, mit Sorge und manchmal auch mit Ärger", berichtet Bundesinnenminister Thomas de Maizière, als er den Entwurf im Bundestag vorstellt. Mit einem Streich sollen Verwaltungsprobleme und Volksmeinung jetzt gebändigt werden. Der Innenminister verspricht "dringend gebotene, aber auch harte Entscheidungen".
In einem Monat, so hoffen die Strategen der Regierungsparteien, soll das Werk beraten, verabschiedet und rechtskräftig sein. Thomas de Maizière lässt in seiner Rede keinen Zweifel daran, dass es auch darum geht, die Situation für die Flüchtlinge ungemütlicher zu machen. "Dazu zählt die Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen und weniger Geldleistungen!" Der Innenminister macht klar, dass es nicht gewünscht ist, dass sich die Einreisenden nach eigenem Gutdünken in Deutschland bewegen, sondern möglichst eng behördlich kontrolliert werden. "Flucht und Ankunft in Deutschland bedeuten nicht eine freie Wahl des Wohnorts."
Willkommenskultur vs. Annerkennungskultur
Die Unterbringung soll auch dazu verhelfen, schneller und effizienter abgelehnte Asylbewerber aus dem Land bringen zu können. Von vielen der vorgeschlagenen Maßnahmen, erhofft sich die Bundesregierung, dass Deutschland an Attraktivität als Fluchtort verliert. De Maizière verweist besonders darauf, dass die Westbalkanländer Montenegro, Kosovo und Albanien als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden sollen. Menschen von dort hätten kaum Chancen, als Asylbewerber anerkannt zu werden. Wer abgewiesen sei und ausreisen müsse, solle nicht mehr als "das unabdingbar Notwendige" für seinen Unterhalt bekommen.
Von denen, die in Deutschland Asyl suchten fordert de Maizière eine "Anerkennungskultur", die darauf beruhe, die hiesigen Traditionen und Gesetze zu beachten. Wer sich gut einfügt und eine gute Bleibeperspektive hat, soll jedoch nach den Vorstellungen der Bundesregierung schneller Zugang zu Integrationsleistungen und Arbeit bekommen. Der CDU-Innenpolitiker Thomas Strobl spitzt den Aspekt der Integration in der Debatte zu, indem er feststellt: "Die Gesetze macht bei uns in Deutschland nicht der Prophet!" Die in Aussicht gestellten Einschränkungen bei den Leistungen für die Asylbewerber geschehen, so ist der Abgeordnete aus Baden-Württemberg überzeugt, "nicht aus Hartherzigkeit, sondern aus Einsicht in die Grenzen unserer Möglichkeiten."
Sicherer Herkunftsstaat mit Bundeswehrkontingent
Die Fraktionsvorsitzende der oppositionellen Grünen, Katrin Göring-Eckardt stört sich an der Strategie der Einstufung als "sicherer Herkunftsstaat". "Wie sicher ist denn der Kosovo, wenn dort im Rahmen des KFOR-Einsatzes 700 Bundeswehrsoldaten stationiert sind?" Göring-Eckardt zitiert eine UN-Resolution, in der von einer "ernsten humanitäre Lage" im Kosovo die Rede ist. Die Grünen-Politikerin ärgert sich auch darüber, dass die Lage künftig nicht nur für die Flüchtlinge schwieriger werde. Das diese bald kein Bargeld mehr in die Hand bekommen sollen – es geht hier um die bisher rund 140 Euro Taschengeld für persönliche Dinge - belaste die freiwilligen Helfer. "Die sollen jetzt neben Betten aufstellen, Essensversorgung und Streit schlichten auch noch für die Verteilung von Zigaretten und Deo sorgen." Das sei sinnlos und eine Schikane, ist Göring-Eckardt überzeugt.
"Zwei Drittel aller Flüchtlinge kommen aus Kriegsgebieten", betont die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke und stellt klar: "Alle anderen haben nichtsdestotrotz ein individuelles Recht darauf, hier einen Antrag auf Asyl zu stellen, der auch individuell bearbeitet werden muss." Die Oppositionspolitikerin sieht in der Gesetzesvorlage "einen gefährlichen Mix aus Gesetzesverschärfungen und grundgesetzwidrigen Einschränkungen an Leistungen." Linken-Fraktionschef Gregor Gysi mahnt darüber hinaus, die Fluchtursachen besser zu bekämpfen. Er sieht Deutschland dabei auch als mitverantwortlich für das Leid in zahlreichen Krisengebieten. Anlass dafür seien deutsche Waffenlieferungen an Konfliktparteien, Beteiligungen der Bundeswehr bei Kampfeinsätzen im Ausland und eine fehlgeleitete Exportpolitik.