Das 90-Milliarden-Dollar-Ding
5. Januar 2016Zum Ende des vergangenen Jahres schien es ruhig geworden zu sein um Volkswagen und seine Abgas-Skandale - pünktlich zum ersten Arbeitstag des neuen Jahres aber fliegen den VW-Managern die Milliarden nur so um die Ohren. Diesmal wird aber nicht Umsatz oder Gewinn mit der Ziffer mit neun Nullen am Ende gemessen, sondern mögliche Strafzahlungen. Die Rede ist von 18, 20 und manchmal auch von 90 Milliarden Dollar. Die Nachricht von der Zivilklage der US-Regierung gegen den Wolfsburger Konzern wegen der manipulierten Abgaswerte beflügelt die Phantasien.
Wieder VW-Verluste an der Börse
Aber bringen die drohenden Strafen den VW-Konzern tatsächlich in Gefahr, wie manche schon munkeln? Auch die Händler an der Börse scheinen ein "worst case"-Szenario für möglich zu halten. An der Frankfurter Börse verlor die VW-Aktie am Dienstagvormittag prompt bis zu sechs Prozent.
Mögliche Strafzahlungen von 90 Milliarden Dollar hatte die Nachrichtenagentur Reuters als Höchststrafe für VW genannt. Grundlage dafür ist folgende Überlegung: Vom Abgas-Skandal sind in den USA ca. 600.000 Autos betroffen. Für jedes Auto könnten theoretisch 37.500 Dollar Strafe fällig werden. Da aber die 31-seitige Klageschrift sich auf vier Vergehen bezieht - Betrug, Irreführung der Behörden, Verstoß gegen Umweltgesetze, aber auch Körperverletzung - könnte diese Summe pro Auto vier Mal fällig werden. So das Maximalszenario.
"Die Zahl von 90 Milliarden ist eine unseriöse Schätzung", urteilt allerdings der Auto-Experte Ferdinand Dudenhöfer, Auto-Experte der Universität Duisburg-Essen. "Da war noch Silvester-Schampus im Spiel."
Spekulationen sprießen ins Kraut
Am Abend korrigierte Reuters die eigene Hochrechnung noch einmal und kam auf eine hypothetische Maximalforderung von 48 Milliarden Dollar. Außerdem zitierte die Agentur den Wissenschaftler Kirk Junker, Professor für US-Umweltrecht an der Universität Köln mit den Worten: "Es ist nicht unüblich, eine sehr hohe Summe zu fordern, und diese dann runter zu verhandeln."
In der Klageschrift werden nur einige Eckwerte zur Geldbuße genannt. Eine Gesamtsumme will das Ministerium nicht nennen. "Wir wollen nicht darüber spekulieren, was das Gericht letztlich festlegen wird", sagte ein Sprecher.
Die Ziele der US-Regierung
Holger Schmidt, Analyst der Equinet-Bank meint, die genannte Summe sei eher theoretischer Natur: "Letztlich kann man über die tatsächliche Höhe möglicher Strafzahlungen derzeit nur spekulieren", so Schmidt. Allerdings würden die USA entschlossen scheinen, aus dem Fehlverhalten von VW Nutzen zu ziehen und die Position des Konzerns in Amerika weiter zu schwächen, so Schmidts Einschätzung.
Mitte letzten Jahres, also vor Bekanntwerden des großen Abgas-Skandals, konnte VW vermelden, dass selbst auf dem für VW problematischen US-Markt die Absatzzahlen steigen. Weltweit, so trumpfte der Konzern wenig später auf, habe VW erstmals die Position des weltgrößten Auto-Herstellers vom Konkurrenten Toyota übernommen. Inzwischen ist die Spitzenposition wieder dahin. Immerhin warteten noch im Sommer in den VW-Kassen 25 Milliarden Euro liquide Mittel auf sinnvollen Einsatz.
Solche Mittel wird VW wohl nun für die Schadensbegleichung ausgeben müssen. "Zwar drohen harte Strafzahlungen - sie werden allerdings VW nicht aus der Spur bringen", meint Auto-Experte Dudenhöfer. "Die Belastungen wären für den Konzern tragbar." Er geht davon aus, dass die VW-Führung mit der jetzigen Klage bereits gerechnet hat. "Neu ist lediglich, dass die Klage nun von der Regierung eingereicht wurde und dass sie so schnell eingereicht wurde."
Spielraum für die Richter
Allerdings argumentiert die US-Regierung in ihrer Zivilklage anders als einzelne VW-Käufer, die durch den Betrug einen Verlust erlitten haben mögen. Jetzt geht es um Schäden für die Allgemeinheit: eine Belastung der Umwelt, die zu Gesundheitsbelastung werden könnte, die wiederum für den Tod einzelner Amerikaner verantwortlich sein könnte.
Wie ein US-Gericht solche statistisch denkbaren Todesfälle aber bewerten wird, das kann niemand derzeit wirklich abschätzen. Um auf Nummer sicher zu gehen, hat Insidern zufolge VW schon im vergangenen Herbst mit mehreren Banken einen Überbrückungskredit von 20 Milliarden Euro vereinbart, um die Kosten des Abgasskandals zu stemmen.