Darfur: "Alles läuft auf ein Gemetzel hinaus"
4. September 2006"Alles läuft nun auf ein Gemetzel hinaus", sagt ein Mitarbeiter einer großen Hilfsorganisation, der seinen Namen aus Sicherheitsgründen nicht genannt haben möchte. Gerade ist er aus Darfur zurückgekommen. "Es ist nicht zu übersehen, dass alle Konfliktparteien gerade ihre Truppen in Nord-Darfur konzentrieren", sagt er.
"Keine sudanesische Entscheidung"
Mitten in diesen Aufmarsch platzte am Sonntag (3.9.2006) die Nachricht, dass die sudanesische Zentralregierung in Khartum die 7000 Mann starke Friedenstruppe der Afrikanischen Union (AU) auffordert, bis Ende September das Land zu verlassen. "Sie haben längst eingeräumt, dass sie ihren Auftrag nach dem 30. September nicht mehr erfüllen können", sagte Außenamtssprecher Dschamal Ibrahim am Montag in Khartum. "Es ist also keine sudanesische Entscheidung. Wir fordern sie nur auf, tatsächlich zu gehen", fügte er hinzu. Dies sei eine endgültige Entscheidung.
Die AU bekräftigte auf einer Sitzung am Montag in Addis Abeba ihren Entschluss, das am 30. September auslaufende Mandat ihrer Friedenstruppe in Darfur nicht weiter zu verlängern. Es sei nun an der Zeit, die Mission an die Vereinten Nationen zu übertragen, sagte der Vorsitzende des AU-Rats für Frieden und Sicherheit, Said Djinnit, nach der Sitzung.
"Keine Zeugen"
Bei Mitarbeitern von Hilfsorganisationen macht sich das Gefühl breit, dass die Regierung keine Zeugen haben will, wenn sie ihre Pläne umsetzt. Und diese bedeuten die endgültige Neuordnung von Nord-Darfur mit Gewalt.
Genau dies versucht die Staatengemeinschaft nun schon seit Jahren erfolglos zu verhindern. Immer wieder appellierte etwa die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, einen "Völkermord in Zeitlupe" in Darfur zu verhindern. Der ist inzwischen längst geschehen. Zwischen 200.000 und 400.000 Menschen sind getötet worden, zehntausende Frauen vergewaltigt, hunderte Dörfer niedergebrannt. Zwei Millionen Menschen sind auf der Flucht.
Friedensverträge, Friedenstruppen, aber kein Frieden
Die Suche nach einer Lösung für den Sudan beschäftigt die Staatengemeinschaft nun schon etliche Jahre: Ein Frieden zwischen dem Nord- und dem Südsudan wurde vermittelt, ein eigener Strafgerichtshof in Den Haag für den Sudan geschaffen und ein Friedensvertrag für Darfur arrangiert. Die Friedenstruppe der AU sollte diesen Frieden seit 2005 sichern, war aber nie Herr der Lage.
Gerade Anfang September beschloss der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der Resolution 1706, 17.000 Blauhelmsoldaten nach Darfur zu schicken. Eine Großteil sollte sich aus den schon im Land stehenden AU-Truppen rekrutieren. Die sudanesische Regierung ist aber strikt dagegen - und wirft nun erstmal die Truppen der AU aus dem Land. Der ohnehin schwach legitimierte Friedensprozess scheint am Ende, UN-Resolution hin oder her.
Resolution - und dann?
"Die Resolution 1706 ist zwar ein wichtiger, aber ohnehin nur erster Schritt, um den Übergang von der aktuellen AU- hin zu einer effektiveren UN-Friedensmission einzuleiten", sagt der Afrika-Experte Sebastian Wadle von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Die Aussichten für eine baldige Entsendung von zusätzlichen UN-Truppen sieht er skeptisch: neben der ausstehenden Zusage Khartums bleibt die Frage offen, wer die Truppen für eine Aufstockung der Mission von derzeit 7100 auf über 20.000 Mann stellen und unter welchen konkreten Einsatzregeln die UN-Mission operieren wird. Eine Truppenstellerkonferenz ist noch nicht in Sicht. Klar ist schon, dass die USA sich nicht an einer Friedenstruppe beteiligen werden. Dazu weist die UN-Resolution noch immer eine starke Betonung der sudanesischen Souveränität auf. "Das ist der Haken", meint Wadle.
Russland, China und Katar hatten sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten, weil sie die Mission ohne die Zustimmung des Sudans ohnehin für undurchführbar halten - und es sich auch nicht mit Khartum verscherzen wollen. Im Sudan wird zunehmend Öl gefunden, die Chinesen sind an der Förderung beteiligt und haben ohnehin einen unstillbaren Öldurst. Und auch Russland möchte sich keinen Markt verbauen - die sudanesische Regierung kauft gerne russische Waffen.
Alle gegen alle
Dass eine UN-Truppe mit klarem Kampfauftrag im Sudan einmarschieren könnte, gilt als ausgeschlossen - zumal die Situation immer undurchschaubarer wird. Das im Mai auf Druck der USA abgeschlossene Friedensabkommen zwischen Khartum und den Rebellen taugte vor allem dazu, die Lager weiter zu zersplittern. Rebellenführer Minni Minnawi ist nun zwar Regierungsmitglied in Khartum und damit Berater seines vorher schlimmsten Feind geworden, andere Flügel der Sudan Liberation Army /Movement (SLA/M) sind am Friedensprozess aber genauso wenig beteiligt wie die zweite große Rebellenfraktion des Justice and Equality Movement. "Dazu gibt es noch eine ganze Menge von Splittergruppen oder auch einfach nur bewaffnete Banditen", weiß Heinrich aus eigener Anschauung. "Wer da gegen wen kämpft, ist kaum noch klar zu trennen. Das ist fast alle gegen alle."
Dem Mann von der Welthungerhilfe fällt nun "beim besten Willen" kein Lösungsvorschlag mehr für die Lage im Sudan ein. Die Möglichkeiten Druck auf die Konfliktparteien auszuüben seien alle verspielt worden. Heinrich hofft, trotz der drohenden Verschärfung des Krieges wenigstens seine Arbeit für die Menschen in Darfur weiterführen zu können. Seit Jahresbeginn sind allein zwölf Mitarbeiter des Roten Kreuzes getötet worden, die Welthungerhilfe blieb bisher verschont. "Da muss ich auf Holz klopfen", sagt Heinrich - und hofft, dass der Krieg in Darfur nicht von der Weltöffentlichkeit vergessen wird.