Daniel Hope: "Der Sound von Hollywood"
14. März 2016Daniel Hope ist 1973 in Südafrika geboren und in England aufgewachsen. Doch seine jüdische Familiengeschichte hat ihre Wurzeln in Berlin und beschäftigt den Geiger schon lange. Vor fünfzehn Jahren dann begann Hope, sich intensiv mit jüdischen Musikerbiografien zu befassen. Vor allem die Musik der deutschen und österreichischen Komponisten, die versucht hatten, als Emigranten in Hollywood Fuß zu fassen, interessierte ihn: Friedrich Hollaender, Erich Wolfgang Korngold, Franz Wachsmann, Max Steiner, Werner Richard Heymann. Die Liste der Namen war lang.
Ursprünglich suchte Hope Musikstücke für eine neue CD-Einspielung, aber schnell war klar, dass daraus mehr entstehen würde: ein neues Projekt. Wie ein Kulturarchäologe grub sich Daniel Hope durch Biografien, Archive und persönliche Nachlässe. Neugierig suchte er die zentralen Orte der Emigranten in Hollywood auf und führte Interviews mit Kindern, Enkeln und noch lebenden Familienangehörigen.
Das umfangreiche Archiv der Paramount Studios in Hollywood bot ihm großartige Schätze: handgeschriebene Korrespondenzen, Noten-Partituren, Briefe. "Ich habe viel gelesen über diese Zeit. Aber das ist etwas anderes, wenn man in diese Archive geht und alte Kartons aufmacht, wo der Staub aufwirbelt", schildert Hope seine Begegnungen mit der Vergangenheit der Komponisten. "Plötzlich sieht man handgeschriebene Notizen von Erich Wolfgang Korngold auf einer Papierserviette, wo er schnell einen Wiener Walzer aufgeschrieben, durchgestrichen und dann noch mal geschrieben hat. Man hat in dem Moment das Gefühl, dass man in diese Zeit eintaucht."
Hope ist bei den Recherchen für sein neuestes Buch "Sounds of Hollywood" und die gleichnamige CD auf eine für ihn sehr wichtige Zeitreise gegangen. Das Wissen um das persönliche Schicksal der einzelnen Komponisten habe ihm den Zugang zur emotionalen Grundstimmung der Musik eröffnet, sagt er im DW-Interview. "Es liegt viel Melancholie in der Musik dieser Emigranten und sehr viel Nostalgie."
Boom des Tonfilms
Der Bedarf an Komponisten war in den 1930/40er Jahren groß in Hollywood. Die Filmindustrie boomte - dank des neuen Tonfilms. Filme wurden zum Teil wie am Fließband produziert. Die Studiobosse reisten deshalb häufig nach Europa, um die Besten der Besten zu akquirieren. "Sie haben ihre Fühler ausgestreckt nach Kurt Weill, Hanns Eisler und den ganzen Komponisten, die schon in Europa ihr Publikum und Erfolg hatten", so Daniel Hope.
Und was brachten die deutschsprachigen Emigranten in die USA mit, was amerikanische Komponisten den Filmbossen nicht bieten konnten? Daniel Hope hat da eine klare Antwort: "Sie haben die Musikwelt von europäischen Komponisten wie Gustav Mahler und Richard Wagner mitgebracht. Sie haben genau das geliefert, was die Studiobosse in Hollywood haben wollten: groß, episch, sinfonisch", erzählt er von seiner Spurensuche. Der opulente Orchesterklang, der bis heute die großen Hollywood-Filme auszeichnet, sei letztendlich auf diese Zeit zurückzuführen.
Filmmusik galt als drittklassig
Daniel Hope sieht auch gewisse Parallelen zur aktuellen Flüchtlingssituation. "Es war auch nicht so, dass Hollywood mit offenen Armen auf die Emigranten und Flüchtlinge aus Europa gewartet hat", betont er und weist auf die harte Konkurrenz in der Filmbranche hin. "Viele von diesen sehr talentierten Komponisten wurden im Abspann nicht mal mit Namen genannt. Sie saßen zu acht oder neun an einem Film und lieferten gerade mal hier und da eine Phrase."
Nur die wenigsten Emigranten hatten als Musiker oder Komponisten bereits einen Namen und konnten auf Aufträge in der boomenden Filmindustrie der Westküste hoffen. Arnold Schönberg und Igor Stravinsky etwa bekamen großzügige Angebote aus Hollywood. "Aber beide haben die Filmarbeit dann doch abgelehnt. Beziehungsweise sie wurden als Komponisten abgelehnt, weil sie ganz andere musikalische Vorstellungen hatten, als die amerikanischen Filmproduzenten", so Hope.
Informationsbörse Hollywood
Schönberg, der Erfinder der Zwölftonmusik, fand die Welt der Filmmusik zwar ausgesprochen faszinierend und reizvoll, scheiterte aber an der amerikanischen Studiophilosophie, die den Filmkomponisten zum reinen Dienstleister degradierte, fand Daniel Hope heraus. "Schönberg war nicht bereit, die komplette Kontrolle über die Verwendung seiner Musik an die Regie abzugeben. Und deshalb hat er schnell gelernt, dass das nichts für ihn war."
Der Austausch zwischen den Kulturschaffenden und Emigranten aus Europa war rege. Man traf sich bei Wiener Schnitzel und Berliner Bouletten und versuchte die Cafehaus-Tradition aus Wien und Berlin in Hollywood fortzusetzen. Und tauschte natürlich neueste Informationen über die Einwanderungsbehörden, Klatsch und Tratsch und aktuelle Jobangebote aus.
In der berühmten "Villa Aurora", wo der Schriftsteller Lion Feuchtwanger mit seiner Frau Martha residierte, gab es quasi einen "Meeting Point" als Anlaufstelle für die neu Zugereisten. "Er hat sich als Pate der deutschsprachigen Exil-Künstler gesehen", erzählt Hope im DW-Interview. Außer deutschen und österreichischen Emigranten kamen auch wichtige Persönlichkeiten und berühmte Schauspieler wie der Charlie Chaplin zu den Treffen.
Harter Überlebenskampf
Der Großteil der Einwanderer aus Europa kam allerdings gar nicht in Kontakt mit der Glamourwelt des Films. Viele hatten große Existenzsorgen, oft fehlte das Geld für das Nötigste: Kleidung, Miete, Essen. Die meisten mussten Nazideutschland nach der Machtergreifung Hitlers 1933 über Nacht verlassen und ihre Besitztümer zurücklassen. Daniel Hope stieß auf bewegende Schicksale, die sich hinter der glitzernden Fassade der Filmstadt Hollywood abspielten.
Aber auch der Erfolg als Filmkomponist in den USA hatte manchmal einen hohen Preis und konnte das Lebenswerk eines ambitionierten Komponisten fast zerstören. Erich Wolfgang Korngold, der in Europa als musikalisches Wunderkind gefeiert worden war, wurde nie wirklich heimisch in Amerika – trotz seiner großen Erfolge: Zweimal gewann er einen Oscar für seine Filmmusik. "Ihm wurde danach die Anerkennung als Komponist in der klassischen Welt aberkannt und er wurde nie wieder als ernsthafter Komponist akzeptiert", so Hope.
Immer wieder sei der Vorwurf gekommen, Korngold habe seine Seele verkauft. Auch der Schriftsteller und Emigrant Thomas Mann sprach von "Movie-Gesindel". Filmmusik galt einfach als zweit- oder drittklassig, zieht Daniel Hope sein Resümee. "Das finde ich ganz bitter. Das waren Menschen, die aus der Not handeln mussten und ein enormes Talent und kompositorisches Können mitbrachten. Trotzdem wurden sie für ihre Filmarbeit bestraft. Das war wirklich eine große Tragödie."
Zum Weiterlesen: Daniel Hope, Sounds of Hollywood. Wie Emigranten aus Europa die amerikanische Filmmusik erfanden. Rowohlt Verlag (2015).
Zum Weiterhören: CD Daniel Hope, "Escape to Paradise". The Hollywood Album.
u.a. mit Sting und Max Raabe (Gesang), Daniel Hope (Geige). Deutsche Grammophone (2015).