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Düstere Bilanz am Welternährungstag

Helle Jeppesen16. Oktober 2003

Sechs Millionen Kinder sterben jedes Jahr an Hunger, 840 Millionen Menschen sind unterernährt. Die Bilanz der UNO am Welternährungstag (16.10.) ist düster. Von Industrieländern fordert sie mehr als Lippenbekenntnisse.

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Unterernährtes Kind in NordkoreaBild: AP
Hunger
Ein ernsthaft vom Hunger bedrohtes Kind aus Burundi in der nordwestlichen Provinz Karuzi (AP Photo/Jocelyne Sambira / Archiv)Bild: AP

"Wie ihr es auch immer dreht und wie ihr's auch immer schiebt", schrieb der deutsche Dichter Bertolt Brecht 1928, "erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Erst muss es möglich sein auch armen Leuten vom großen Brotlaib sich ihr Teil zu schneiden." Durchgesetzt hat sich Brechts simple Logik bis heute nicht. Weltweit sind 840 Millionen Menschen unterernährt, jedes Jahr sterben sechs Millionen Kinder unter fünf Jahren an Hunger und Mangelernährung - das sind Jahr für Jahr fast so viele Kinder, wie New York Einwohner hat.

Genug für alle

Dies müsste nicht sein. Denn nach Angaben des Generaldirektors der Welternährungsorganisation (FAO), Dr. Jaques Diouf, gäbe es eigentlich genug Nahrung auf diesem Planeten für alle. Wenn alle Ernährungsressourcen gleich verteilt würden, würde jeder Mensch pro Tag fast 2800 Kalorien bekommen können. Das ist fast ein Fünftel mehr an täglicher Energiezufuhr, als vor 30 Jahren. Und dies obwohl die Weltbevölkerung seitdem um 70 Prozent gewachsen ist.

"Nie wurde so viel Nahrung produziert wie heute", sagt Diouf. "Wir haben Technologien entwickelt, die die Produktion in der Landwirtschaft substantiell verbessern können, Technologien die die Wasserwirtschaft verbessern können. Was wir aber brauchen ist der politische Wille die Grundübel des Hungers zu bekämpfen. Die Nationen müssen ihre verbalen Versprechungen, den Hunger zu bekämpfen, in der Praxis umsetzen."

Korruption fördert Hunger

Zur Bekämpfung des Hungers gehört in vielen Ländern auch eine Bekämpfung der Korruption. In Angola zum Beispiel unterstützt die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO rund zwei Millionen Bauern mit der Verteilung von Saatgut und Werkzeug. Das südwestafrikanische Land ist nach fast 30 Jahren Krieg eines der ärmsten der Welt. Der Krieg forderte Millionen Menschenleben - die Armut ist verheerend. Dabei ist das Land reich an Rohstoffen; die UNITA-Rebellen finanzierten beispielsweise den Bürgerkrieg mit dem Verkauf von Diamanten.

Auch das Geld, das der Staat Angola heute kassiert, kommt nicht dort an, wo es wirklich gebraucht wird, so Alex Yearsley von Global Witness, eine Anti-Korruptions- und Umweltorganisation mit Hauptquartier in London: "Die Regierung (in Angola, Anm. d.Red.) hat in den vergangenen fünf bis sechs Jahren bis zu einer Milliarde Dollar jedes Jahr bei Seite geschafft - und dies sind die Zahlen vom Internationalen Währungsfond. Das Geld ist zum großen Teil gestohlen, gehortet und auf private Bankkonten verschoben worden. Für ein Land, in dem die Hälfte der Bevölkerung von der Lebensmittelhilfe der internationalen Gebergemeinschaft lebt, ist das ein Skandal!"

Aids fördert Hunger

Nicht nur Korruption, sondern auch die katastrophale Gesundheitssituation in vielen Ländern verhindert, dass eine effektive eigene Landwirtschaft aufgebaut werden kann. Vor allem die Weltseuche Aids hat verheerende Folgen für die Nahrungssituation, berichtet Marcela Villarreal von FAO: "Aids hat jetzt schon mindestens zehn Millionen Farmer in Afrika südlich der Sahara getötet. Die Familien sind verarmt, sie waren gezwungen ihr Vieh oder andere Besitztümer zu verkaufen, um Medikamente oder Beerdigungen bezahlen zu können." Aids verhindere, dass Familien ihre eigene Nahrung anbauen können, weil die Farmer an Aids sterben, und die Familien dann auch nicht das Geld hätten, um Essen zu kaufen. So schaffe Aids auch in denjenigen Familien Armut, die zuvor etwas besser dran waren.

Frau Villarreal fordert deshalb, Waisen das landwirtschaftliche Können zu vermitteln, das ihnen ihre verstorbenen Eltern nicht mehr weiter geben konnten. Frauen müssten einen besseren Zugang zu den produktiven Ressourcen bekommen und arbeitssparende Technologien sollte in die Entwicklungsländer gebracht werden, um die Arbeitskräfte zu ersetzen, die von der Seuche dahingerafft worden sind. "Wenn wir den Hunger bekämpfen wollen", sagt sie, "müssen wir den bösen Kreislauf aus ländlicher Armut, Hunger und HIV/Aids durchbrechen."