CSU will eine konservative Wende
4. Januar 2018Die CSU, die bayrische Schwesterpartei der Christdemokraten unter Angela Merkel, ist in keiner guten Verfassung. Bei der Bundestagswahl im September erreichten die Christsozialen ein historisch schlechtes Wahlergebnis. Weit entfernt von der sogenannten absoluten Mehrheit nahe der 50 Prozent, mit denen die CSU seit Jahrzehnten verwöhnt wurde - und die ihnen traditionell eine starke Stimme in Berlin verleiht. Zudem konnte die noch rechts von der CDU stehende CSU selbst in ihrem Heimatland Bayern nicht verhindern, dass die AfD Zustimmungswerte über zehn Prozent erfährt.
Drittens gab es auch noch einen internen Machtkampf: der jetzige CSU-Parteichef und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer gegen Markus Söder, eine Generation jünger als Seehofer und der Inbegriff von politischem Ehrgeiz. Söder wird nun im Frühjahr Seehofer als Ministerpräsident beerben. Rechtzeitig, so glaubt man in der CSU, vor der wichtigen Landtagswahl im Herbst, bei dem die CSU mindestens 40 Prozent erreichen will.
Und dann hat auch noch Petrus seinen Segen vergessen. Die CSU trifft sich traditionell Anfang des Jahres in alten bayerischen Gemäuern in der Bergwelt, um aus idyllischen Schnee-Landschaften Schlagzeilen machende politische Botschaften ins Neue Jahr zu senden. Eigentlich, denn aktuell ist es am Tagungsort - im Kloster Seeon am Chiemsee - zu warm für Schnee. Dafür regnet es, richtig trübes Wetter. Allerdings passt das Wetter wiederum gut zur aktuell trüben Stimmung in der CSU.
"Gipfeltreffen der bürgerlich-konservativen Politik"
Doch schon beim Auftakt der dreitägigen Klausur, für die laut Wetterbericht keinerlei Aussicht auf Schnee besteht, war klar: Die CSU will kämpfen. Und das wird wohl auch Auswirkungen auf die Regierungsbildung und die Bundespolitik in Berlin haben.
Alexander Dobrindt ist der Chef der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Er ist erst seit Herbst in diesem Amt. Noch immer wirkt er unsicher, wenn er vor der Presse steht, und dabei die Arme verschränkt. Passend zum Klausur-Beginn erschien in der konservativen Tageszeitung "Die Welt" ein Namensartikel von ihm unter der Überschrift "Für eine bürgerliche Wende". 50 Jahre nach den gesellschaftlichen Umwälzungen der 68er-Revolution müsse nun Schluss sein mit dieser "linken Politik", so Dobrindt. Denn Deutschland sei eigentlich ein Land mit einer bürgerlichen Mehrheit, wie die Bundestagswahl gezeigt habe.
Dobrindt rechnet in der "Welt" ab mit den "Meinungsverkündern, selbst ernannten Volkserziehern und lautstarken Sprachrohren einer linken Minderheit". Die 68er blieben als ein Elitenprojekt weit weg von den Menschen. "Aus dem Aufbruch wurde ein ideologischer Feldzug gegen das Bürgertum". Das Treffen in Seeon bezeichnete Dobrindt freimütig als "Gipfeltreffen der bürgerlich-konservativen Politik".
Parallelen zur AfD
Dobrindts Kampfansage ist ein wenig geklaut - und zwar ausgerechnet vom politischen Gegner, der AfD. Die Rechtspopulisten geben nämlich auch den 68ern die Schuld - und zwar für ein "rot-grün versifftes Deutschland", wie es AfD-Chef Jörg Meuthen nannte.
Auch beim CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer gab es AfD-Anleihen im Vorfeld zu hören. Die CSU sei die "Partei des gesunden Menschenverstandes". Doch unter anderem mit dieser Botschaft startete die AfD vor fünf Jahren ihren Weg am äußeren rechten Rand des deutschen Parteiensystems.
Diesen Rand will die CSU nun anscheinend wieder neu besetzen. Es dürfe keine "dauerhafte Rechtsaußenpartei" in Deutschland geben, sagte Dobrindt in einer Pressekonferenz zusammen mit Horst Seehofer.
Ein besonderer Gast
Der Noch-Ministerpräsident wurde von der Presse auch zu den Motiven für die Einladung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban gefragt. Sein Grundverständnis für den Umgang innerhalb der Europäischen Union sei angelehnt an die Politik von Ex-Kanzler Helmut Kohl, erklärte Seehofer. Nicht nur mit den anderen großen Staaten gelte es demnach gute Beziehungen zu pflegen, sondern auch mit den kleineren Staaten vor allem in Mittel- und Südosteuropa. Die Deutschen sollten ihren "Hochmut" und ihre "Besserwisserei" bei der Beurteilung anderer, mehrfach demokratischer EU-Staatschefs, wie Orban einer sei, zurückstellen. Stattdessen sollten Partner miteinander reden und so versuchen, Missverständnisse aus dem Weg zu räumen.
Orban gilt vor allem in der Flüchtlingspolitik als gewichtiger Gegenspieler zu Merkel. Insofern sind seine Einladung und die Begründung Seehofers auch als Provokation in Richtung Berlin zu verstehen.
Andererseits gibt es seit vielen Jahrzehnten eine enge Freundschaft zwischen den Ungarn und Bayern. Hierhin flüchteten nach der gescheiterten Revolution von 1956 zehntausende Ungarn. Orban baute seine Partei "Fidesz" Ende der 1990er-Jahre am Beispiel der CSU auf - mit einem starken Bezug zu Familie und Christentum. Er war auch schon mehrfach Gast bei CSU-Treffen.
Die CSU will anscheinend, neben der Stärke der AfD, ein anderes politisches Dilemma der vergangenen Jahre korrigieren, nämlich die zunehmende politische Entfernung von Staaten wie Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei. Zudem könnte sich mit diesen Staaten und der neuen Regierung unter Sebastian Kurz in Österreich eine neue Macht-Achse aufbauen - zu der Bayern rein geografisch schon jetzt gehört.
SPD dürfe "inhaltlich nicht überziehen"
Doch die Klausurtage in Seeon werden auch von einem anderen politischen Ereignis überschattet. Bereits am Sonntag, also direkt im Anschluss an Seeon, werden sich die CSU, CDU und SPD in Berlin fünf Tage lang zu Gesprächen treffen, um eine neue Regierungskoalition auf den Weg bringen zu können.
Sollte die "SPD inhaltlich nicht überziehen", dann sehe er gute Chancen für eine neue Große Koalition in Berlin, sagte Seehofer. Welche Punkte genau die CSU in die Verhandlungen einbringen wird, das wird auch Thema in Seeon sein.