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Crack in Deutschland weiter auf dem Vormarsch

Veröffentlicht 8. März 2024Zuletzt aktualisiert 12. Dezember 2024

Das rauchbare Kokain Crack breitet sich rasant aus. Auch synthetische Opioide wie Fentanyl sind längst angekommen. Billige Drogen mit tödlichen Folgen. Der Drogen-Beauftragte ist alarmiert.

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Mann lässt sich von einem anderen Mann Feuer geben, um seine Crackpfeife anzuzünden
Höchstes Suchtpotenzial: Schwerstabhängige rauchen bis zu 50 Crackpfeifen am Tag, hier ein Mann in BrasilienBild: Andre Penner/AP/picture alliance

Die Droge, die auch für Deutschland zunehmend zu einem Problem wird, sieht ganz harmlos aus, so wie heller Kandiszucker. Weil der Ruf so schlecht ist, heißt der Stoff nur "Weißes" oder auch "Steine". Wenn diese bei 96 Grad in einer Pfeife verdampfen, hört man knackende Geräusche und kommt spätestens dann auf den Namen: "to crackle" – Crack. Eine Mischung aus Kokain, Natron und Wasser, die spätestens nach zehn Sekunden wirkt, schneller als jede andere Droge. Die einen Euphorie-Kick verspricht und extrem abhängig macht. Und die bei exzessivem Konsum direkt in den Tod führt.

So viele Drogentote wie noch nie

Wie gefährlich der Drogenkonsum ist, dokumentiert der jüngste jährliche Bericht “Drogenmärkte & Kriminalität“ der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht. Demnach gab es im vergangenen Jahr 2227 Drogen-Tote - so viele wie noch nie. Die Mehrzahl von ihnen konsumierte mehr als eine gefährliche Droge. 610 Drogentote hatten Crack im Blut. Inzwischen ist Crack fast so gefährlich wie Heroin (712 Todesfälle). 

“Der Crack-Konsum in deutschen Großstädten wird eine immer größere Herausforderung – für die Gesundheit, aber auch für das Zusammenleben. Es sind wenige Konsumierende, aber ihre Lage ist umso prekärer“, sagte Burkhard Blienert (SPD), Drogenbeauftragter der Bundesregierung, der BILD-Zeitung. Blienert forderte Konsumräume und Drogenteststellen sowie mehr Geld für Forschung und Wissenschaft. Dazu gehörten mehr Befugnisse und Kompetenzen für den Drogenbeauftragten.

Burkhard Blienert, Beauftragter für Sucht- und Drogenfragen der Bundesregierung, mit Anzug und roter Krawatte, schaut in die Kamera
Der Drogenbeauftragte Burkhard Blienert warnt, dass der Drogenmarkt in Deutschland zunehmend "dynamischer" wirdBild: Dominik Butzmann/photothek.de

Was der Konsum von Crack konkret bedeutet, beschreibt Michael Harbaum von der Düsseldorfer Drogenhilfe der DW: "Es gilt zunächst, das Überleben der Menschen zu sichern, denn das ist eine ganz bedrohliche Situation. Wenn man sich vorstellt, dass die Substanz so im Halbstundentakt konsumiert werden kann, dann bleibt wenig Zeit für Erholung, so gut wie keine Zeit für Nahrungsaufnahme, für Hygiene, oder für Wundversorgung. "Crack ist ja letztlich rauchbares Kokain und putscht auf. Und das führt, wenn man das über Tage konsumiert, häufig auch zu psychotischen Zuständen."

Crack hat eine andere Dimension 

Harbaum arbeitet seit 20 Jahren in der Düsseldorfer Drogenhilfe, war zunächst Leiter des Drogenkonsumraums, jetzt ist er geschäftsführender Vorstand. Der Sozialpädagoge hat schon viel gesehen auf den Straßen der 630.000-Einwohner-Stadt. Aber das, was Crack mit den Süchtigen macht, ist nochmal eine andere Dimension. 2017, so rechnet er vor, habe seine Organisation nur einige Hundert so genannte Vorgänge mit Crack im Düsseldorfer Drogenkonsumraum gezählt. Im letzten Jahr dagegen schon mehr als 31.000.

Leider der Düsseldorf Drogenhilfe, Michael Harbaum, steht vor einer Wand
"Die größte Veränderung, die wir in den letzten Jahren hier feststellen, ist natürlich Crack" - Michael Harbaum Bild: Privat

"Wir haben einen rasanten Anstieg, entsprechend ändert sich das Verhalten, aber auch die Verelendung der Menschen, die zu uns kommen. Weil Crack eine Substanz ist, die sehr schnell sehr stark wirkt, aber auch sehr schnell wieder nachlässt, ist der Druck, schnell wieder zu konsumieren, sehr hoch", sagt Michael Harbaum. "Häufig wird die Pfeife geteilt, weil einfach zu wenig Geld da ist, und dann kauft man sich für fünf Euro ein paar Steine und jeder bekommt einen Zug."

Immer noch sind Heroin und die Langzeitfolgen des Drogenkonsums die Haupttodesursachen von Konsumenten, aber auch die Vergiftungen mit Kokain und Crack sind immens gestiegen. Auch der Suchtforscher Professor Daniel Deimel, der zusammen mit anderen Experten und Expertinnen Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Crack-Konsum entwickelt hat, gibt sich im Gespräch mit der DW alarmiert.

"Crack war immer schon, seit ungefähr 20 Jahren, ein Thema in Frankfurt am Main, Hamburg und Hannover. Seit 2016 breitet sich die Droge in Westdeutschland und in anderen Großstädten wie Berlin, aber auch im Saarland aus, weil Europa und damit auch Deutschland mit hochreinem Kokain geflutet wird", so Deimel. "Der Drogenmarkt expandiert, weil die Produktion des Kokains in Kolumbien deutlich hochgefahren wurde. Der Drogenmarkt und die Produzenten haben sich diversifiziert."

Faeser suchte Kooperation gegen den Drogenhandel

Die Bundesregierung reagierte. So reiste Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Februar nach Brasilien, Ecuador, Kolumbien und Peru, auch um eine verstärkte polizeiliche Zusammenarbeit gegen den internationalen Drogenhandel voranzutreiben. Von Südamerika gelangt immer mehr Kokain über die Häfen von Antwerpen, Rotterdam oder Hamburg nach Europa.

Daniel Deimel macht sich keine großen Illusionen. Der Markt für Kokain sei in Deutschland da, und wegen der großen Nachfrage werde auch weiterhin im großen Stil produziert.

Deutschland und Peru kämpfen gemeinsam gegen Kokain-Mafia

"Wir leben hier in einer Hochleistungsgesellschaft. Kokain wird mittlerweile von so vielen Menschen in der Mitte der Gesellschaft verkonsumiert, was zu einer Art Normalisierung geführt hat. Das ist bei weitem nicht mehr die Droge der Reichen, der gut Betuchten und der Künstler und Medienschaffenden, was ja so ein Klischee der 1980er-, 1990er-Jahre war."

Im Gegensatz zu Heroin bei Crack kein Substitut

Als Crack konsumiert kommt Kokain dann auch in den Brennpunkten der deutschen Großstädte an. Deimel hat im vergangenen Jahr die offene Drogenszene in Köln untersucht, die Ergebnisse sind eindeutig: Fast alle Konsumenten gaben an, schon einmal Crack geraucht zu haben. Viele von ihnen sind obdachlos. Und im Zusammenhang mit dem Crack-Konsum wurde häufig von massiven psychischen Problemen bis hin zu Verfolgungswahn berichtet. Das größte Problem, so Deimel, sei das fehlende Gegenmittel:

Professor Daniel Deimel, Suchtforscher, mit Brille, schaut in die Kamera
"Ein Teufelskreis zwischen Rausch und Absturzerlebnis über Depressionen bin hin zur Suizidalität" - Daniel DeimelBild: privat

"Bei Heroin gibt es schon sehr gut entwickelte suchtmedizinische Interventionen wie die substitutionsgestützte Behandlung mit Methadon. Bei Crack gibt es aber kein Medikament, das gegen diese Abhängigkeit zugelassen und wirksam ist. Das heißt, wir brauchen an der Stelle wirklich mehr Forschung. Und eine Nothilfestelle, die auch abends geöffnet hat, mit einer 24/7-Versorgung."

Auch synthetische Opioide werden verstärkt konsumiert

In Düsseldorf konnte Michael Harbaum und sein Team suchtkranke Menschen in einer neuen Unterkunft direkt am Hauptbahnhof unterbringen, mit Sicherheitspersonal, Sozialarbeit und abschließbaren Einzelzimmern. Ein Modell, dass laut Experten dringend Schule machen sollte, denn zusammen mit Crack sind längst die nächsten höchstgefährlichen Drogen im Anmarsch: synthetische Opioide wie Fentanyl.

Berliner Kiez kämpft gegen Drogen

Das Schmerzmittel für sterbende oder krebskranke Menschen wird Heroin beigemischt. In den USA sterben jedes Jahr etwa 10.000 Menschen an einer Überdosis von Opioiden. Die Deutsche Aids-Hilfe konnte in einem Testprojekt über ein halbes Jahr in 17 deutschen Drogenkonsumräumen nachweisen, dass schon 3,6 Prozent der abgegebenen Heroin-Proben Spuren von Fentanyl enthielten.

"Wir vermuten, dass die Zahl in den nächsten zwölf bis 18 Monaten ansteigen wird", befürchtet Daniel Deimel. "Synthetische Opioide werden auf den Markt gebracht und mit Heroin gestreckt." Das Problem sei, dass diese Substanzen dann deutlich potenter seien. "Die tödliche Dosis - bei Fentanyl reichen zwei Milligramm, das ist so viel wie eine Bleistiftspitze."

Dieser Bericht wurde am 8. März 2024 veröffentlicht und zuletzt am 12. November 2024 aktualisiert.

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Oliver Pieper DW-Reporter und Redakteur