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Countdown gegen Dilma Rousseff

Astrid Prange, Rio de Janeiro29. August 2016

Kann Dilma Rousseff ihre Amtsenthebung noch vermeiden? Oder ist die erste Präsidentin Brasiliens auch die erste, die ihres Amtes enthoben wird? Eine letzte Abstimmung soll darüber entscheiden. Aus Rio Astrid Prange.

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Brasilien PK Staatspräsidentin Dilma Rousseff (Picture alliance/dpa/C.Gomes)
Bild: picture-alliance/dpa/C. Gomes

"Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Dilma in den Regierungspalast zurückkehrt", meint Paulo Eduardo Gomes, Lokalpolitiker aus Rios Nachbarstadt Niteroi. "Sie ist ein Bauernopfer, sie wird für die Fehler ihrer Partei, der Arbeiterpartei PT, verantwortlich gemacht", sagt Gomes gegenüber der DW.

Nach drei Jahren Protesten und Prozessen ist es soweit: Die letzte Etappe des Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsidentin Rousseff hat mit einer Sondersitzung des Senats begonnen. Für die Beratungen sind sechs Tage angesetzt. Bisher haben 48 der insgesamt 81 Senatoren öffentlich erklärt, gegen Rousseff stimmen zu wollen. Für die endgültige Amtsenthebung sind 54 Stimmen notwendig.

Schafft Dilma ein Comeback?

In den ersten zwei Tagen werden Zeugen von Anklage und Verteidigung vernommen. Am 29. August wird Rousseff dann persönlich im Senat ihr Statement abgeben und versuchen, die letzten Zweifler für sich zu gewinnen. Mit der endgültigen Abstimmung wird im Morgengrauen vom 31. August gerechnet.

Rousseff wird vorgeworfen, bei der Finanzierung ihres Wahlkampfes 2014 gegen das brasilianische Haushaltsrecht verstoßen zu haben. Am 9. August stimmten 59 der insgesamt 81 Senatoren dafür, dass Dilma Rousseff sich wegen dieser angeblichen Straftat vor Gericht verantworten muss. Sie schufen damit die rechtliche Grundlage für die endgültige Amtsenthebung der Präsidentin.

Das drohende politische Aus für Brasiliens erste Präsidentin spaltet nicht nur die brasilianische Gesellschaft, sondern auch deren politischen Vertreter. "Was für eine Straftat soll Dilma denn begangen haben? Diejenigen, die ihr Korruption vorwerfen, sind doch selbst darin verwickelt!", erklärt der 65-jährige Lokalpolitiker Gomes, Mitglied der Linkspartei PSOL.

Besonders bemerkenswert ist die Haltung von Senatorin Kátia Abreu. Die ehemalige Agrarministerin gehört der konservativen Partei PMDB an, die die Amtsenthebung Rousseffs vorantreibt. Doch Abreu ist dagegen. "Eine von der Mehrheit des Volkes gewählte Präsidentin darf nicht ohne Beweise ihres Amtes enthoben werden", schreibt sie in einem Kommentar für die Tageszeitung "Folha de Sao Paulo".

Brasilien Proteste in Rio Fora Temer (Foto: picture alliance/ NurPhoto/C.Faga)
Weg mit Temer: Nicht nur Präsidentin Rousseff, auch ihr Vize Michel Temer ist bei vielen Brasilianern extrem unbeliebtBild: picture-alliance/NurPhoto/C. Faga

Unerwartete Allianzen

Die ehemalige Agrarministerin verweist darauf, dass der Senat bereits am 27. Juni festgestellt habe, Rousseff sei nicht an der umstrittenen Entscheidung beteiligt gewesen, öffentliche Mittel, die für die Vorfinanzierung der Ernte bestimmt waren, für den Wahlkampf umzuwidmen. Einen Monat später habe daraufhin die brasilianische Bundesanwaltschaft die Archivierung des Prozesses beantragt.

Doch auch wenn die juristischen und strafrechtlichen Argumente für eine Amtsenthebung schwach sind - die politische Unzufriedenheit mit Rousseff ist unverändert stark. "Es gibt keinen Zweifel mehr: das Impeachment ist eine beschlossene Sache", meint der ehemalige Energieminister Eduardo Braga, der im Senat gegen Rousseff stimmen wird. "Dilma kann nicht ohne Mehrheiten regieren, sie muss ihre Lage demütig zur Kenntnis nehmen."

Im Kampf um öffentliche Zustimmung versucht der amtierende Vize-Präsident Michel Temer (PMDB) unterdessen, den Erfolg der Olympischen Spiele in Rio politisch für sich zu nutzen. In einem Meinungsartikel für die Tageszeitung "O Globo" verspricht er, "die großen Projekte des Sportministeriums aufrechtzuerhalten und Brasilien in eine olympische Macht" zu verwandeln.

Michel Temer hat es eilig

Temer sieht sich bereits als Nachfolger von Präsidentin Rousseff und verpasst ihr in seinem Artikel ein paar verbale Seitenhiebe. "Wir werden daran arbeiten, alle Herausforderungen und Einschränkungen, die uns in den vergangenen Jahren auferlegt wurden, zu überwinden", schreibt er. "Und eines ist sicher: Wir werden siegen."

Brasilien ehemaliger Präsident Fernando Collor de Mello (Bild: Imago/Cityfiles)
Wird er für oder gegen Rousseff stimmen? Ex-Präsident Collor trat 1992 während seiner Amtsenthebung zurückBild: Imago/Cityfiles

Hinter den Kulissen plant der amtierende Präsident bereits seine offizielle Amtseinführung. Er hat es eilig: Denn zum G20-Gipfel im chinesischen Hangzhou vom 4. bis 5. September möchte er bereits als reguläres Staatsoberhaupt anreisen, und nicht mehr als Interimspräsident. Eine Verzögerung der Abstimmung im Senat würde diese Pläne durchkreuzen.

Doch Temer wird sich gedulden müssen. Frühestens in der Nacht vom 30. auf den 31. August steht das endgültige Ergebnis fest. Vier Senatoren haben sich noch nicht entschieden, wie sie abstimmen werden, zehn wollen ihre Entscheidung nicht öffentlich bekanntgeben.

Zu Letzteren gehört auch Brasiliens Ex-Präsident Fernando Collor de Mello. Er trat am 29. Dezember 1992 zurück, und kam damit seiner drohenden Amtsenthebung durch die Abstimmung im Senat in letzter Minute zuvor. Wird Dilma Rousseff seinem Beispiel folgen?