Corona sorgt für Katerstimmung bei Bierbrauern
17. April 2020Eigentlich wäre alles perfekt für einen Besuch im Biergarten: Sonnenschein seit vier Wochen, die Temperaturen im grünen Bereich, die Bundesliga auf der Zielgeraden. Blöd nur: Biergärten sind genau wie Restaurants geschlossen. Die Bundesliga hat Zwangspause. Das Resultat: Auch die deutschen Bierbrauer melden inzwischen massive Einbußen.
Seit der Schließung der gastronomischen Betriebe bangen viele der 1500 Brauereien in Deutschland um ihre Existenz. Denn bislang, so der Deutsche Brauer-Bund (DBB), erzielten vor allem kleinere Brauereien einen maßgeblichen Anteil ihres Umsatzes mit der Bier-Belieferung von Gaststätten und Restaurants. "Unsere überwiegend mittelständisch geprägte Brauwirtschaft ist massiv betroffen, weil viele Brauereien einen Großteil ihres Umsatzes über die regionale Gastronomie erzielen", sagt Marc-Oliver Huhnholz vom Deutschen Brauer-Bund. "Das ist jetzt komplett weggebrochen." Bei manchen Brauereien machten die Aufträge aus der Gastronomie bis zu 90 Prozent des Umsatzes aus.
Auch die Privatbrauerei Moritz Fiege, ein Mittelständler aus Bochum, hat die Corona-Krise getroffen. Die Traditionsbrauerei, die im vergangenen Jahr 130.000 Hektoliter produzierte, versorgt in der Region ansonsten rund 300 gastronomische Betriebe. Nun, nach der Schließung der Gastronomie, fällt der Fassbier-Absatz flach, der 20 Prozent des Umsatzes ausmachte. Zudem fehlen die Heimspiele des Bundesliga-Zweitligisten VfL Bochum, bei denen in normalen Zeiten das Bier von Fiege aus dem Zapfhahn fließt. Für zwölf von knapp 80 Mitarbeitern hat die Brauerei inzwischen Kurzarbeit angemeldet. Wie lange die Corona-Auswirkungen noch andauern, lässt sich nach den Worten von Firmenchef Hugo Fiege nicht abschätzen. Er selbst geht davon aus, dass die Gastronomie "nur langsam wieder öffnen darf und erst spät wieder hochgefahren wird". Nach den jüngsten Beschlüssen von Bund und Ländern sieht es genau danach aus.
Export von Premium-Bieren bricht weg
Dass der Handel Mitte März noch ein kurzes Absatzplus verzeichnete, das führt der Deutsche Brauer-Bund auf zwischenzeitliche Hamsterkäufe zurück. Allerdings sackte der Bierabsatz bereits Ende März auf ein zweistelliges Minus im Vergleich zum Vorjahr ab. Aber nicht nur eher kleine Brauereien wie Fiege, auch große Brauereien kamen durch die Folgen des Shutdowns nicht ungeschoren davon. Bei der Veltins-Brauerei aus Meschede-Grevenstein im Sauerland macht der Fassbieranteil 17 Prozent des Umsatzes aus. Durch Corona bedingte Einbußen, die sich nicht nachholen lassen. Das gilt auch für den Marktführer, die Krombacher Brauerei aus dem nordrhein-westfälischen Kreuztal, die im vergangenen Jahr noch sechs Millionen Hektoliter produzierte.
"Aktuell ist es so, dass der Ausstoß über die Gastronomie so gut wie vollständig weggebrochen ist", beschreibt Unternehmenssprecher Peter Lemm die derzeitige Lage. Normalerweise werden rund 15 Prozent des Ausstoßes von Krombacher in der Gastronomie abgesetzt. Bei Premium-Bieren kommt noch ein zweiter Faktor hinzu - nämlich der Export, der bei Krombacher im vergangenen Jahr fünf Prozent des Ausstoßes ausmachte. "Auch hier", ergänzt Peter Lemm, "ist der Absatz, ähnlich wie in der Gastronomie, fast vollständig eingebrochen."
Deutsche Premium-Biere sind im Ausland stark gefragt. Insofern sind die Folgen nicht zu unterschätzen. Nach Angaben des Deutschen Brauer-Bundes gehörten Italien mit einem Volumen von 3,4 Millionen Hektolitern sowie China mit 1,8 Millionen Hektolitern im vergangenen Jahr zu den wichtigsten Auslandsmärkten. Inzwischen sind die Lieferketten und Geschäftsbeziehungen jedoch nahezu zum Erliegen gekommen. Nach Einschätzung von Marc-Oliver Huhnholz wachse mit jeder Woche die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Auslandsmärkte wegbrechen.
Bier braucht einen 'Konsumanlass'
Doch nicht nur geschlossene Kneipen und Restaurants sowie der einbrechende Export belasten die deutschen Brauereien. Hinzu kommen die zahllosen Absagen von Rockkonzerten, Schützen- oder anderen Volksfesten in den Regionen Deutschlands von Nord bis Süd. Storniert werden darüber hinaus landauf landab auch große Hochzeits- und Familienfeiern. Absagen, die insbesondere die rund 1100 kleineren regionalen Hausbrauereien treffen, die jährlich weniger als 5000 Hektoliter produzieren.
Mit steigenden Temperaturen naht in diesen Wochen außerdem die Grillsaison, die in der Bundesrepublik erfahrungsgemäß mit einem erhöhten Bierabsatz einhergeht. Vor diesem Hintergrund stellt sich für Marc-Oliver Huhnholz die bange Frage: "Wenn sich weiterhin niemand treffen darf, fehlen einfach die Konsumanlässe. Daher wird sich jetzt zeigen, wie viel Konsum noch in die Haushalte verlagert wird und wie viel komplett verloren geht."
Eine ernüchternde Perspektive, gehen Biermarkt-Kenner doch davon aus, dass Zuhause in der Quarantäne weniger Gerstensaft getrunken wird. Sollten die Einschränkungen gelockert werden und der Bierabsatz wieder steigen, dann sei allerdings nicht mit Versorgungsproblemen zu rechnen, versichert Brauer Hugo Fiege. Denn die Hopfenmengen, die man für das Sudjahr 2020 benötige, stammen aus dem Jahr 2019 und sind somit vorhanden.
Sorgen könnte dagegen die diesjährige Hopfenernte bereiten, falls die Hopfenbauer nicht genügend Erntehelfer finden. Die deutschen Brauer blicken in diesen Zeiten in eine ungewisse Zukunft. Einige Betriebe, befürchtet der Deutsche Brauer-Bund, dürften die Corona-Krise nicht überleben.
Dieser Artikel erschien zuerst am 15.4.2020 und wurde am 17.04.2020 aktualisiert.