Mit virtuellem Bier den Corona-Sturm überstehen
28. März 2020Die Tore des Stadions "An der Alten Försterei" sind - wie die Pforten aller Arenen in Europa mit Ausnahme Weißrusslands - wegen der Coronavirus-Pandemie verschlossen. Niemand kann sagen, wann sie wieder öffnen. Selbst eine Wiederaufnahme der Bundesliga-Saison wäre dafür keine Garantie. Sollte es nur mit "Geisterspielen" weitergehen können, müsste der 1. FC Union Berlin seine erste Bundesliga-Saison hinter verschlossenen Türen zu Ende spielen. Die Fans sind also bis auf Weiteres ausgeschlossen. Auf ihr Stadionbier und eine Bratwurst müssen sie jedoch - in gewisser Weise - nicht verzichten.
Am "virtuellen Imbisswagen" können die Anhänger dem Verein eine kleine Spende zukommen lassen, indem sie eine imaginäre Stärkung "kaufen": ein Getränk oder einen Snack für jeweils 2,50 Euro. Die Idee sei aus den Reihen der Fans gekommen, sagt Presse- und Stadionsprecher Christian Arbeit der DW. "Als der Spielbetrieb eingestellt wurde, haben viele Fans zu uns Kontakt aufgenommen. Sie wollten wissen, ob sie uns irgendwie helfen oder unterstützen könnten." Unter den vielen eingegangenen Ideen, so Arbeit, sei auch der Vorschlag gewesen, das Geld, das die Fans sonst im Stadion für Bratwurst und Bier ausgegeben hätten, für den Verein zu spenden: "Also haben wir uns gesagt: Toll, lasst uns einen virtuellen Imbisswagen eröffnen und alles anbieten, was normalerweise im Stadion erhältlich ist!"
Der Union-Spirit trotzt der Krise
Die Coronavirus-Pandemie reißt bei Fußballvereinen in ganz Europa riesige Löcher in die Etats. Millionen-Einnahmen aus Fernseh- und Sponsorenverträgen bleiben vorerst aus. Das gilt auch für Union Berlin. Dagegen wirken die Erträge aus dem "virtuellen Imbisswagen" bestenfalls wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Doch Christian Arbeit freut sich, dass die Union-Familie auch in diesen Krisenzeiten zusammenhält: "Natürlich hätten wir niemals damit gerechnet, dass wir in unserer ersten Bundesliga-Saison in eine solche Situation geraten würden. Es ist eine schwierige Zeit für alle Fußballvereine. Doch umso besser ist es, dass wir unser Zusammengehörigkeitsgefühl aufrechterhalten haben."
Dieses Gefühl zeigt sich nicht nur bei den Fans, sondern auch in der Mannschaft. Die Union-Spieler stimmten einer Gehaltskürzung zu. "Ich finde es ein gutes Zeichen der Solidarität, dass sich auch die Spieler und die Trainer damit einverstanden erklärt haben, die Kosten für den Verein zu senken", sagt der Geschäftsführer Kommunikation: "Das ist der Union-Spirit, dass wir gemeinsam in diesem Boot sitzen und gemeinsam versuchen, den Sturm zu überstehen."
Der Topf wird ein wenig aufgefüllt
Alle deutschen Vereine werden derzeit durch die unbefristete Aussetzung der Saison um wichtige Einnahmen gebracht, doch es trifft sie unterschiedlich hart. Nur wenige Klubs können mit der finanziellen Belastbarkeit eines FC Bayern oder von Borussia Dortmund mithalten. Das gilt besonders für Union Berlin als Bundesliga-Neuling. Erfreulicherweise haben sich nicht nur Fans und Spieler des Vereins, sondern auch die Konkurrenten solidarisch gezeigt.
Am Donnerstag kündigten die vier Champions-League-Teams aus der Bundesliga an, 20 Millionen Euro für Vereine der ersten und zweiten Liga zur Verfügung zu stellen, die in Finanznot geraten. "Was wir derzeit erleben, ist, dass jeder, der in der Liga mitspielt, versucht, seinen Teil dazu beizutragen, um zu helfen. Niemand kann allein überleben", sagt Arbeit. Die Millionen-Spende der Champions-League-Vereine fülle "den Topf ein wenig auf. Und am Ende wird hoffentlich genug drin sein, damit wir alle überleben".
Das DFL-Präsidium hat den Vereinen der Bundesliga und 2. Liga geraten, den Neustart der Saison mindestens bis zum 30. April zu verschieben. Am Dienstag werden die 36 DFL-Mitglieder dieser Empfehlung sehr wahrscheinlich folgen. Auf der Tagesordnung weit oben wird dann auch das Thema Geisterspiele stehen. "Natürlich wissen wir alle, dass Fußball mit Fans besser ist. Sie sind doch der eigentliche Grund, warum wir das Ganze machen", sagt Christian Arbeit der DW. Geisterspiele eröffneten jedoch wenigstens die Möglichkeit, den Wettbewerb fortzusetzen. "Und wir haben wieder etwas anzubieten: Spiele, die im Fernsehen gezeigt werden können. Auch das ist wichtig."
Stadtderby aus der Vergangenheit
Doch so weit ist es noch lange nicht. Wie andere Bundesligisten versucht auch Union Berlin, die Fans in der Fußball-losen Zeit mit online ausgestrahlten TV-"Konserven" aus dem Archiv zu unterhalten. Am vergangenen Wochenende hätte das zweite Berliner Derby der Saison auf dem Spielplan gestanden. Also zeigte Union das Duell mit Hertha BSC aus dem Jahr 2011, das mit dem bisher einzigen Union-Sieg im Olympiastadion (2:1) endete.
Die Fans hätten ihren Spaß gehabt, wie man auf Twitter habe verfolgen können, sagt Arbeit. "Es war großartig, wie die Leute erst den Ausgleich und dann den Siegtreffer feierten, als wäre es gerade erst passiert - obwohl das Spiel schon neun Jahre zurückliegt." Und was passt besser zu einem Online-Derby als ein Online-Imbiss. "Jeder, der helfen möchte, ist eingeladen, ein virtuelles Bier zu trinken." Keine Sorge, sagt Christian Arbeit, "es macht dich nicht betrunken".