Coronavirus legt Iran lahm
26. Februar 2020Die offiziellen Angaben der iranischen Regierung zeigen ein düsteres Bild. Demnach hat sich das Coronavirus im Iran in kürzester Zeit verbreitet. Und die Sterberate von 13 Prozent ist deutlich höher als irgendwo sonst auf der Welt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat deswegen extra ein Expertenteam in den Iran geschickt.
Selbst der Coronavirus-Beauftragte ist krank
Nach offiziellen Angaben vom Mittwoch sind insgesamt 19 Menschen am Coronavirus gestorben. Die Zahl der Infizierten sei auf 139 gestiegen, teilte das Gesundheitsministerium in Teheran mit. Zu den Infizierten gehört auch der Coronavirus-Beauftragte der Regierung Iradsch Harirschi.
Noch am Montag hatte Harirschi ohne Mundschutz gegenüber Journalisten versichert, dass alles unter Kontrolle sei und Quarantänemaßnahmen nicht in Frage kämen. Am Dienstag musste er allerdings im Staatsfernsehen einräumen: "Ich bin seit gestern Abend auch ein 'Coronaer'." Er sei selbst positiv auf das SARS-CoV-2 getestet worden. Landesweit blieben am Mittwoch die Schulen geschlossen. Die Regierung hat alle Bürger aufgefordert, zu Hause zu bleiben.
Ruhani: "Feinde wollen Angst schüren"
Irans Präsident Hassan Ruhani behauptete am Dienstagnachmittag, dass alles unter Kontrolle sei. Er warf Irans Feinden vor, Angst schüren zu wollen. Kurz davor hatte US-Außenminister Mike Pompeo den iranischen Behörden vorgeworfen, dem Volk das wahre Ausmaß der Epidemie vorzuenthalten. Tatsächlich gibt es ernsthafte Zweifel an den Angaben der iranischen Regierung.
Ein eigens gegründetes Komitee soll die Menschen im Iran über die Bekämpfung von Covid-19 informieren. Geleitet wird es vom Regierungssprecher Ali Rabiei. Dieser hatte iranische Medien davor gewarnt, den Ausbruch zum Politikum machen. Man habe alles unter Kontrolle, die amtlichen Statistiken seien korrekt.
Kurz zuvor hatte aber der Abgeordnete Ahmad Amirabadi-Farahani am Rande einer nichtöffentlichen Sitzung im Parlament Journalisten im Hintergrundgespräch mitgeteilt, dass bereits bis Mittwoch vergangener Woche (19.02.) 50 Menschen alleine in seinem Wahlkreis, der Stadt Ghom, an dem Virus gestorben seien. Diese Zahl ist deutlich höher als die amtliche Statistik. Der Abgeordnete forderte außerdem Quarantänemaßnahmen und Hilfsgelder für Ghom.
Ähnlich hatte sich auch der Rektor der Medizinischen Universität in Ghom geäußert. Die Situation in der Stadt sei "kritisch", sagte Mohammad-Reza Ghadir im Staatsfernsehen. Höhere Regierungsstellen hätten die lokalen Behörden angewiesen, keine neuen Zahlen mehr bekannt zu geben.
Ghom als "Risikogebiet" eingestuft
Teheran dementiert nicht, dass die meisten Infizierten in Ghom leben oder sich dort aufgehalten haben. Die gut 130 Kilometer südlich von der Hauptstadt gelegene Stadt gehört zu den heiligen Stätten der Schiiten und ist ein beliebter Wallfahrtsort. Auch das deutsche Robert-Koch-Institut, die zentrale Forschungseinrichtung für Infektionskrankheiten, stufte die gleichnamige Provinz Ghom wie die chinesische Provinz Hubei als Risikogebiet ein.
Insgesamt wird unter der Bevölkerung den Ansagen der Regierung mit großer Skepsis begegnet. Über soziale Netzwerke verbreiten sich Videos, aus denen die schlechte Versorgungslage in den Krankenhäusern sichtbar wird. Nicht einmal sind die Test-Kits für das Coronavirus ausreichend verfügbar.
Chinas Einfluss
Zugleich ist Ghom ein Zentrum für islamische Studien. Hier studieren 700 Studenten aus China islamische Theologie. Im Schatten der US-Sanktionen ist China der größte Handelspartner des Irans geworden.
Wie viel Einfluss China im Iran hat, zeigte sich Anfang Februar. Da hatte die iranische Regierung wegen der Corona-Epidemie beschlossen, die Flugverbindungen nach China komplett einzustellen. Zwei Tage danach lud Chinas Botschafter im Iran, Chang Hua, den Geschäftsführer der Fluggesellschaft Mahan Air, Hamid Arabnejad, in seine Residenz ein. Anschließend twitterte Botschafter Chang, Mahan Air werde seine Geschäfte mit China fortführen.
Am Dienstag spendeten chinesische Unternehmen im Iran 250.000 Stück Mundschutz an das iranische Gesundheitsministerium, als "freundschaftliche Geste an einen engen Verbündeten in schwierigen Zeiten", so Botschafter Chang. Weitere Hilfsgüter würden folgen.
Mahan Air im Zwielicht
Der Eigentümer von Mahan Air ist die religiöse Stiftung "Molly Al-Mohaddin", die den Hardlinern nahesteht. Die Fluggesellschaft gilt als eines der Unternehmen im Iran, mit denen versucht wird, internationale Sanktionen zu umgehen und dem Regime Devisen zu verschaffen.
Seit Januar 2019 darf Mahan Air nicht mehr nach Deutschland fliegen. Das Luftfahrt-Bundesamt entzog der größten privaten Fluggesellschaft des Irans die Betriebserlaubnis, zur "Wahrung der außen- und sicherheitspolitischen Interessen" von Deutschland, hieß es. Mahan Air stand im Verdacht, trotz UN-Sanktionen am Transport von Waffen und Munition vom Iran nach Syrien beteiligt gewesen zu sein.
Ebadi fordert Konsequenz
Shirin Ebadi, Friedensnobelpreisträgerin und Juristin, fordert nun die iranische Regierung auf, Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer von Mahan Air, Hamid Arabnejad, einzuleiten. Ihrer Meinung nach habe Arabnejad mit der Unterstützung der politischen Hardliner die Menschen im Iran in Gefahr gebracht, indem die Airline weiter nach China fliegt, obwohl die Regierung die Flugverbindung nach China ausdrücklich verboten hatte.
Iranische Journalisten haben die Flugpläne der letzten drei Wochen unter die Lupe genommen. Mahan Air hatte zwischen dem 5. und 23. Februar 55 Flüge nach China durchgeführt. Flightradar24, der Onlinedienst zur Positionierung von Flugzeugen, registrierte im Februar neun Abflüge der Mahan Air in die chinesischen Metropolen Peking, Shanghai, Shenzhen und Guangzhou.
Für die Corona-Krise im Iran will Mahan Air aber nicht verantwortlich sein. Am 20. Februar bestätigt Mahan Air zwar, dass seit Anfang Februar einige Maschinen nach China geflogen seien. Dabei habe man im Auftrag der Regierung humanitäre Güter nach China transportiert und sich an alle Sicherheitsmaßnahmen gehalten.