Rechtsradikale kapern die Corona-Proteste
20. Dezember 2021Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann warnt von dem wachsenden Einfluss Rechtsextremer auf Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen in Deutschland. Im Bayerischen Rundfunk sprach er von einer "mehr als besorgniserregenden" Lage. Er halte die Radikalen im "Querdenker"-Bereich für sehr gefährlich, deshalb würden sie auch von Polizei und Staatsschutz aufmerksam verfolgt, sagte Herrmann. Gleichzeitig betonte der CSU-Politiker, die Teilnehmer an Protestveranstaltungen dürften nicht pauschal kriminalisiert werden. Es sei eine legitime Auffassung, gegen Impfzwang zu sein. "Wir dürfen nicht die Spaltung der Gesellschaft vorantreiben, im Gegenteil", betonte Bayerns Innenminister. Aber da, "wo es in Rechtsextremismus übergeht, da muss der Staat klare Grenzen ziehen".
Am Wochenende hatten bundesweit Zehntausende Menschen gegen die Corona-Politik der neuen Ampel-Koalition protestiert. In Hamburg zählte die Polizei am Samstag etwa 11.500 Demonstrantinnen und Demonstranten. In Nürnberg zogen am Sonntag 10.000 bis 12.000 Teilnehmer einer "Querdenker"-Demonstration durch die Südstadt.
Generell registriert der Verfassungsschutz zu Corona-Zeiten einen stärkeren Zulauf unter Rechtradikalen und sogenannten Reichsbürgern in Deutschland. "Die Zahl der Rechtsextremisten steigt, auch die der Gewaltbereiten", sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die linksextreme Szene in Deutschland ist nach seinen Worten in diesem Jahr nicht gewachsen, aber auch hier nehmen die Gewaltbereiten zu. "Gewalt gewinnt generell in allen Bereichen an Bedeutung", sagte Haldenwang.
Der Demokratieforscher Wolfgang Schroeder erklärte im Sender Welt, schon längst habe sich ein Milieu gebildet, "das unabhängig von allen äußeren Interventionen sich eigenständig entwickelt, radikalisiert, gewaltbereit ist und sehr gut vernetzt." Mit Blick auf die Morddrohungen gegen den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) sagte Schroeder, diese müsse man sehr ernst nehmen.
Auch Verfassungsschutzpräsident Haldenwang hält angesichts der zunehmenden Radikalisierung von Corona-Protesten tödliche Gewalttaten bis hin zu gezielten Mordkomplotten für möglich. Bei gewaltorientierten Rechtsextremisten und im radikalisierten Corona-Protestmilieu sei kein Szenario auszuschließen.
Waffenhandel Rechtsextremer ausgehoben
In Rheinland-Pfalz ermittelt die Justiz nach dem Fund Hunderter Waffen in einer Wohnung gegen einen Mann und eine Frau, die mutmaßlich in rechtsextreme Strukturen eingebunden sein sollen. Die beiden Verdächtigen aus der Nähe von Kaiserslautern stünden im Verdacht, unerlaubt Schusswaffen besessen und mit ihnen gehandelt zu haben, teilte die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz mit. Bei der Durchsuchung der Wohnung wurden laut Behördenangaben Hunderte Waffen, insbesondere Armbrüste, Stich- und Hiebwaffen sowie Gas- und Druckluftwaffen sichergestellt.
Unterdessen warnt die Regierung im benachbarten Österreich vor einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit rechtsextremer Impfgegner und "Corona-Leugner". In der Pandemie arbeiteten "diese Staatsverweigerer aus Deutschland und Österreich eng zusammen", sagte Bundeskanzler Karl Nehammer in Wien. Die "extremen Antidemokraten" formierten sich und versuchten grenzüberschreitend, die Stimmung unter den Impfgegnern auszunutzen und sie weiter anzuheizen. Dies sei gefährlich. Dagegen müsse man gemeinsam vorgehen, so Nehammer weiter.
se/rb (dpa, afp, epd, kna, rtr, orf)