Corona-Neuinfektionen springen auf über 4000
8. Oktober 2020Hiobsbotschaft aus Berlin: Das Robert Koch-Institut (RKI) teilte am Morgen mit, die Gesundheitsämter hätten 4058 neue Corona-Infektionen innerhalb von 24 Stunden gemeldet. Das sind 1230 mehr als am Mittwoch, als mit 2828 Neuinfektionen ein neuer Höchstwert seit April gemeldet worden war. Ein höherer als der aktuelle Wert war zuletzt in der ersten Aprilwoche erreicht worden.
Seit Beginn der Corona-Krise haben sich nach Angaben des RKI mindestens 310.144 Menschen in Deutschland nachweislich mit dem Virus SARS-CoV-2 infiziert. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion liegt nach RKI-Angaben bei 9578. Das sind 16 mehr als am Vortag. Rund 269.600 Menschen haben die Infektion nach Schätzungen des Instituts überstanden. Die Rate der positiven Tests stieg stark an und lag in der 40. Kalenderwoche, also in der Woche bis zum 2. Oktober 2020, bei 1,64 Prozent. In der Woche zuvor waren es 1,22 und davor 1,16 Prozent gewesen.
Spahn zeigt sich besorgt
Angesichts der jüngsten Entwicklung bei den Coronainfektionen in Deutschland hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Menschen zur Vorsicht gemahnt. Die Zahlen seien besorgniserregend, sagte Spahn in Berlin. Dies gelte besonders für die aktuelle, sprunghafte Steigerung auf mehr als 4000 Neuinfektionen binnen eines Tages. Vor allem jüngere Menschen steckten sich an - aber nicht nur. Gerade die Jüngeren hielten sich oft für unverletzlich. "Das sind sie aber nicht."
Bei COVID-19 handele es sich um eine ernsthafte Erkrankung, gab der CDU-Politiker zu bedenken. Die Zahlen an Todesfällen und Intensivpatienten seien aber derzeit vergleichsweise niedrig. Mit Blick auf die Bundeshauptstadt sagte Spahn, es gebe in Berlin teilweise ein "sorgloses, ignorantes Verhalten" von Menschen, weshalb er die neuen Corona-Maßnahmen des Berliner Senats begrüße. Insgesamt sei Deutschland bisher aber im Vergleich zu anderen europäischen Ländern noch gut durch die Pandemie gekommen.
Auch RKI-Chef beunruhigt
Noch dringlicher klingt die Mahnung von RKI-Präsident Lothar Wieler. Angesichts der hohen Neuinfektionsrate warnte er vor einer unkontrollierten Expansion des Coronavirus in Deutschland. Es sei "möglich, dass wir mehr als zehntausend neue Fälle pro Tag sehen und dass sich das Virus unkontrolliert verbreitet", sagte Wieler in Berlin. "Die aktuelle Situation beunruhigt mich sehr", sagte Wieler. Derzeit sei unklar, "wie sich die Lage in Deutschland in den nächsten Wochen entwickeln wird". Er hoffe aber, "dass wir es schaffen, die Infektionen auf einem Level zu halten, mit dem wir umgehen können".
Erst am Mittwoch hatte die Bundesregierung vor einem Verlust der Nachverfolgbarkeit bei der Ausbreitung des Coronavirus gewarnt. "Wir haben sprunghaft ansteigende Zahlen, insbesondere in einigen deutschen Großstädten, auch in der Hauptstadt", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Fälle seien nicht mehr einem einzelnen Ausbruchsgeschehen zuzuordnen. Das lasse befürchten, "dass es zu einer weiteren diffusen Verbreitung des Virus kommen kann", sagte Seibert.
Die Gesundheitsämter müssten weiterhin in der Lage bleiben, Infektionsketten zu verfolgen und zügig zu unterbrechen. "Mit steigenden Zahlen ist einfach zu befürchten, dass Gesundheitsämter an den Rand oder über den Rand ihrer Fähigkeiten hinaus kommen", betonte der Sprecher. "Die Pandemie werden wir nur eindämmen können, wenn wir die Infektionsketten erkennen und durchbrechen."
Reisen auch im Inland immer schwieriger
Als Reaktion auf die steigenden Fallzahlen hatten die Bundesländer am Mittwoch mehrheitlich beschlossen, dass innerdeutsche Urlauber aus Risikogebieten nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test vorweisen können. Greifen soll dies für Reisende aus Gebieten mit mehr als 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen.
Fünf Länder gaben zu dem Beschluss aber abweichende Erklärungen ab. Thüringen machte deutlich, dass es ein Beherbergungsverbot nicht mittragen wolle, Berlin will zumindest nicht sofort einsteigen. Niedersachsen und Bremen wollen prüfen. Mecklenburg-Vorpommern will bei noch strengeren Quarantäneregeln bleiben.
Bürger aus Orten mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen müssen sich im Herbst also bei Urlaubsreisen innerhalb Deutschlands auf erhebliche Schwierigkeiten gefasst machen. Doch auch Reisen ins Ausland sind alles andere als einfach. Nach einer Aktualisierung der Liste mit Corona-Risikogebieten bleiben unter dem Strich nur noch wenige Länder übrig, für die weder vor Reisen gewarnt noch von ihnen abgeraten wird. Dazu zählen die beliebten Urlaubsländer Italien, Griechenland, Zypern und Malta.
Auch in Frankreich rapider Anstieg
Frankreich erreichte derweil mit 18.746 Corona-Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden einen Tages-Höchststand. Wie die Behörden mitteilten, wurde damit der bisherige höchste Wert von 16.972 neuen Fällen vom vergangenen Wochenende deutlich überschritten. Die Corona-Krisenlage ist sehr angespannt. Bis auf die an Deutschland grenzende Region Grand Est und die Insel Korsika gilt für Frankreich eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts.
Präsident Emmanuel Macron warnte in einem Fernsehinterview, dass sich das Land auf "mehr Einschränkungen" zu bewege, vor allem in Gebieten, in denen die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus "zu schnell voranschreitet". "Das Virus zirkuliert seit einigen Wochen schneller", sagte Macron. Er verwies auf Einschränkungen, wie sie bereits in den hart getroffenen Metropolen Paris und Marseille gelten. Neue Reisebeschränkungen schloss der Staatschef jedoch aus.
Volle Intensivstationen
Derzeit werden landesweit mehr als 1400 Menschen wegen COVID-19 auf Intensivstationen behandelt. 80 Menschen starben in den vergangenen 24 Stunden an den Folgen von COVID-19. Damit stieg die Gesamtzahl der Todesfälle seit Beginn der Pandemie in Frankreich auf mehr als 32.445. Die Zahl der benötigten Krankenhausbetten stieg auf ein Drei-Monats-Hoch. Frankreich hatte von Mitte März bis etwa Mitte Mai einen der strengsten Lockdowns in Europa ausgerufen.
In vielen Städten Frankreichs gilt die Maskenpflicht auch unter freiem Himmel. In Paris und den direkt angrenzenden Vorstädten hatten die Behörden erst am Dienstag Bars und Cafés geschlossen - zunächst für zwei Wochen. In der Stadt und den Vororten gilt die "maximale Alarmstufe". Diese war zuvor nur in Marseille und dem französischen Überseegebiet Guadeloupe ausgerufen worden.
kle/pg (dpa, rtr, afp)