1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Corona-Konjunktur: Kommt der Double-Dip?

Brigitte Scholtes
9. Oktober 2020

Bislang ist die deutsche Volkswirtschaft vergleichsweise gut durch die Corona-Krise gekommen. Doch mit den deutlich zunehmenden Infektionszahlen machen sich auch Sorgen um einen neuerlichen Konjunktureinbruch breit.

https://p.dw.com/p/3jflB
Deutschland Corona-Krise - Maschinenexporte brechen ein
Bild: Daniel Karmann/dpa/picture-alliance

Zum zweiten Mal in Folge meldet das Robert-Koch-Institut mehr als 4000 Corona-Neuinfektionen in Deutschland. Das sind Zahlen, die auch der deutschen Wirtschaft immer mehr Sorgen bereiten. Die meisten aktuellen Konjunkturdaten sind zwar noch gut, doch eine Abschwächung zeichnet sich ab. So ist der Export zwar im August um 2,4 Prozent gegenüber dem Vormonat gestiegen, doch im Juli lag der Zuwachs noch fast doppelt so hoch. Immer noch liegt die deutsche Wirtschaft aber um zehn Prozent unter dem Vorkrisenniveau. Eine Eintrübung der Konjunktur lässt sich auch an der Industrieproduktion ablesen, die leicht zurückging, obwohl andererseits die Auftragseingänge deutlich, nämlich um 4,5 Prozent, zugelegt hatten.

Mit einer Abschwächung der Wirtschaftsentwicklung im vierten Quartal haben die meisten Ökonomen gerechnet, doch der steile Anstieg der Corona-Zahlen lässt sie nun mit Schlimmerem rechnen. Vor allem kontaktnahe Dienstleister würden wegen der neuerlichen Restriktionen wieder getroffen, sagt etwa Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Deutschland. Das sind vor allem Hotels, Gaststätten, Veranstalter oder Künstler, die für etwa acht Prozent der Volkswirtschaft stehen. Viele Betriebe stünden jetzt schon mit dem Rücken zur Wand, heißt es vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), denn deren Reserven seien schon zu großen Teilen aufgebraucht.

Schon jetzt steigt durch die Corona-Krise dem Wirtschaftsforscher Clemens Fuest zufolge die Zahl von Insolvenzen kleinerer und mittlerer Unternehmen. "Wir werden erleben, dass das zunimmt", erwartet der Direktor des Münchner Ifo-Institut im Gespräch mit der DW. Das schlage natürlich auf die Wirtschaft durch: "Menschen verlieren ihre Arbeit, sie konsumieren weniger, sie investieren nicht mehr", so Fuest. "Die Politiker wollen einen großen Lockdown sicherlich vermeiden." Die Wahrheit aber sei, "er kommt bereits - wenn auch nicht als genereller Lockdown, so doch in gezielteren Maßnahmen." Das mindere die Folgen für die Wirtschaft, sagte Fuest.

Maschinenbau plant Stellenabbau

Die Industrie hat sich zwar vom Shutdown-Schock im Frühjahr etwas erholt. Doch die Leitbranchen der deutschen Wirtschaft sind noch vorsichtig. Die Autoindustrie rechnet vor allem in China mit steigender Nachfrage, zuletzt gab es auch Hoffnungen im Inland, weil die Zahl der Neuzulassungen im September deutlich geklettert war. Aber noch ist die Hoffnung auf eine Erholung verhalten. Der Maschinenbau erwartet für das laufende Jahr einen Produktionsrückgang um 17 Prozent und für 2021 nur ein leichtes Plus von zwei Prozent.

Doch die Stimmung in der Branche ist schlecht: "Zunehmend macht sich die Erkenntnis bereit, dass das Jahr 2021 noch nicht das Erholungsjahr für den deutschen Maschinenbau sein wird", sagte der scheidende Verbandspräsident Carl Martin Welcker am Donnerstag. Das gehe auch an der Beschäftigung nicht spurlos vorbei. So planen etwa drei Viertel der Unternehmen einen Stellenabbau von fünf bis 15 Prozent der Gesamtbelegschaft. Ende 2019 waren noch gut eine Million Menschen in der Branche beschäftigt.

Deutschland | Heidelberger Druckmaschinen
Wie sicher ist sein Job? Mitarbeiter der Heidelberger Druckmaschinen AG im Werk Wiesloch (Baden-Württemberg) Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach

Sorgen um einen Double-Dip

Die Wirtschaft rechnet zwar noch nicht mit einem neuerlichen Herunterfahren der Wirtschaft. Einen weiteren nationalen Lockdown werde man nur als allerletztes Mittel wählen, ist Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank überzeugt. Davon sei man noch recht weit entfernt. "Aber die zunehmenden Einschränkungen legen sich natürlich auf die wirtschaftliche Aktivität und werden dazu führen, dass wir im Erholungsprozess, der bisher sehr kräftig war, in diesen Herbst- und Wintermonaten eine Pause einlegen."

Inzwischen macht sogar die Sorge eines "Double-Dips" die Runde, eines neuerlichen Schrumpfens der Wirtschaftsleistung im vierten Quartal. Das sei auch abhängig von der Entwicklung in den Nachbarländern, ist ING-Deutschland-Chefvolkswirt Brzeski überzeugt. Im zweiten Quartal habe Deutschland zum ersten Mal in der Geschichte mehr nach China exportiert als in die USA und auch mehr in die Niederlande als nach Frankreich. "Daran konnte man erkennen, wie stark das Virus und die Lockdownmaßnahmen die verschiedenen Handelspartner getroffen haben."

Das dritte Quartal werde zwar einen deutlichen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts bringen, sind Ökonomen überzeigt. Doch wie stark der Rückschlag im vierten Quartal wird, das ist noch nicht abzusehen. Auf die Stimmung dürfte dann auch eine steigende Zahl von Insolvenzen drücken. Denn seit Anfang des Monats müssen Unternehmen, die zahlungsunfähig sind, wieder unverzüglich Insolvenz anmelden. Diese Pflicht hatte die Bundesregierung wegen Corona vorübergehend ausgesetzt.