Deutschland nimmt weniger Flüchtlinge auf
18. März 2020Das Bundesinnenministerium hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angewiesen, sogenannte Resettlement-Verfahren (Umsiedlungsprogramme) vorerst auszusetzen. Hintergrund sind die "Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie". Die Verfahren sollen wieder aufgenommen werden, sobald dies möglich sei.
Seit 2012 nimmt Deutschland im Rahmen der Resettlement-Programme Flüchtlinge in Notlagen auf, darunter viele Syrer aus dem Libanon oder Menschen aus Flüchtlingslagern in Krisenregionen wie dem Sudan. Die Programme sollen Schutzsuchenden aus Krisengebieten einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland sichern.
Betroffen von der Entscheidung sind auch die Aufnahmen nach dem EU-Türkei-Abkommen. Die EU hatte sich verpflichtet, für jeden irregulär eingereisten Syrer, der in die Türkei zurückgeschickt wird, einen anderen Bürgerkriegsflüchtling aufzunehmen.
Flüchtlingsorganisationen sind ausgebremst
Faktisch seien die deutschen humanitären Aufnahmeverfahren wegen verschiedener Reisebeschränkungen und anderer Einschränkungen "bereits seit vergangenem Freitag zum Erliegen gekommen", sagte ein Sprecher des Innenministeriums der Funke Mediengruppe. So hätten die Internationale Organisation für Migration (IOM) und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) ebenfalls am Dienstag offiziell die Aufnahmeprogramme für Geflüchtete ausgesetzt.
Die Corona-Pandemie soll nach Angaben des Innenministeriumssprechers aber keine Auswirkung auf die Bemühungen haben, minderjährige Flüchtlinge von den griechischen Inseln in andere EU-Staaten zu verteilen. Die EU-Innenminister hatten in Aussicht gestellt, dass dies noch in dieser Woche anlaufen könnte.
Aufgrund der Verbreitung des Coronavirus ist in Deutschland die Arbeit des für die Asylbewerber zuständigen BAMF nur noch sehr eingeschränkt möglich. Zudem hat die EU einen Einreisestopp für Nicht-EU-Bürger beschlossen.
Super-GAU in Flüchtlingslagern befürchtet
Experten warnen unterdessen vor einer möglichen Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 in den Flüchtlingslagern der Welt. Oft sind die Lager völlig überfüllt, nicht nur bei der medizinischen Versorgung fehlt es am Nötigsten. "Dann muss man, so brutal sich das anhört, fast schon mit einem Massensterben rechnen", warnt Dirk Hegmanns, Regionaldirektor der Welthungerhilfe für Syrien mit Blick auf die Situation im Nordwesten des Bürgerkriegslandes. Dort gebe es nur 50 Beatmungsgeräte. Die Weltgesundheitsorganisation arbeitet nach eigenen Angaben daran, Ausrüstung für Tests auf das neue Corona-Virus in die Region zu bringen.
Entwicklungsminister Gerd Müller kündigte in der Zeitung "Augsburger Allgemeine" an, im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie die Gesundheitsinfrastruktur in Entwicklungsländern und in der Krisenregion um Syrien stärken zu wollen.
Müller begrüßt, dass der Entwicklungsetat im kommenden Jahr mit knapp elf Milliarden Euro auf dem Niveau von 2020 bleiben soll. Ein stabiler Etat sei wichtig, um "die überlebenswichtige Arbeit" in Krisen- und Flüchtlingsregionen fortführen zu können. Ursprünglich war geplant, dass der Etat auf unter zehn Milliarden Euro sinkt.
Die gesamte Haushaltsplanung 2021 steht allerdings unter dem Vorbehalt der Auswirkungen der Corona-Krise auf Deutschland.
ust/rb (kna, epd, dpa, afp)