COP25: Umstrittener Emissionshandel
2. Dezember 2019Im Norden Kambodschas sind viele abhängig von Strom, der mit rußenden Dieselgeneratoren erzeugt wird. Anders eine kleine Dorfgemeinschaft, sie erzeugt Strom aus den Schalen von Reiskörnern.
Finanziert wird dieses Projekt von Einzelpersonen und Unternehmen am anderen Ende der Welt. Und das funktioniert so: Die einen produzieren emissionsarmen Strom, die anderen kaufen ihnen Emissionsgutschriften im Wert von einer Tonne CO2 ab, um den CO2-Ausstoß vor der eigenen Haustür auszugleichen.
Dies ist ein Modell mit CO2 zu handeln, ob es weltweit ein tragfähiges für die Zukunft ist, darüber diskutieren die Verhandlungsführer auf der Klimakonferenz COP25 in Madrid. Ziel ist es, einen Rechtsrahmen für ein globales CO2-Handelssystem zu schaffen, ein komplexes Thema, das unter Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens fällt.
Inzwischen haben 187 Länder das historische Klimaabkommen von 2015 ratifiziert. Die globale Erwärmung soll demnach bis zum Ende des Jahrhunderts auf 2 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau begrenzt werden - idealerweise sogar auf 1,5 Grad.
Beide Ziele sind zurzeit unrealistisch, betrachtet man die tatsächlichen Zusagen einzelner Länder ihre Emissionen zu reduzieren, die sogenannten „national festgelegten Beiträge" (nationally determined contributions, NDCs). Denn auf Grundlage dieser Zusagen prognostizieren Experten einen globalen Temperaturanstieg von mindestens 3 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts.
Ein CO2-Markt könnte, so die Befürworter, der Schlüssel zu ehrgeizigeren Zielen beim Einsparen von Treibhausgasen sein.
Der Ansatz ist jedoch umstritten. Artikel 6 sei "ein großes Risiko für das Abkommen von Paris", sagt Ann-Kathrin Schneider Leiterin Internationale Klimapolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Sie befürchtet, der CO2-Handel werde die Länder eher davon ablenken, die Emissionen wirklich zu senken.
"Ich würde nicht sagen, dass es ein technisches Problem ist", sagte sie. "Es ist eine sehr politische Angelegenheit."
Zwei Möglichkeiten mit CO2 zu handeln
In Madrid werden zwei verschiedene Systeme des CO2-Handels zur Diskussion stehen.
Das erste würde es Ländern, die ihre Klimaziele übertreffen ermöglichen, überschüssig eingesparte Emissionen an Länder zu verkaufen, die sich schwertun die eigenen Ziele zu erreichen.
Beispiel: Ein Land will Treibhausgasemissionen äquivalent zu 100 Tonnen CO2 reduzieren und schafft es sogar 110 Tonnen weniger auszustoßen. Es könnte also die zusätzlich eingesparten 10 Tonnen an ein Land verkaufen, das seine NDCs nicht erreicht.
Solche Systeme sind ein "Schlüsselinstrument", damit die Länder die Zusagen von Paris auch erfüllen können, sagt Stefano de Clara, Direktor für internationale Politik bei der gemeinnützigen Gesellschaft für internationalen Emissionshandel (IETA). Die Organisation setzt sich für die Schaffung eines gesetzlichen und internationalen Rahmens für den Handel mit reduzierten Emissionen ein.
"Im Idealfall haben wir einen vollwertigen globalen Markt, in dem jeder mit jedem handelt", sagte er gegenüber der DW und fügte hinzu, dass immer mehr Länder die Kohlenstoffmärkte als Möglichkeit sehen, ihre Klimaziele zu erreichen.
Kritiker sind jedoch besorgt über dieses wachsende Interesse. Ihre Befürchtung: Der Emissionshandel könnte Anreize dafür schaffen, dass Länder ihre Ziele bewusst niedrig ansetzen, damit sie überschüssige Emissionszertifikate verkaufen können.
"Es darf nicht ausreichen, unambitionierte NDCs zu erreichen, um an den marktbasierten Mechanismen teilnehmen zu können", sagt Carsten Warnecke, Gründungsmitglied des NewClimate Institute.
Er ist der Ansicht, dass alle NDCs ehrgeizig genug sein sollten, um ein Szenario von deutlich unter 2 Grad Celsius zu erreichen. Seiner Meinung nach sollten nur Länder mit Zielen, die sich am Parisabkommen orientieren, am Emissionshandeln teilnehmen dürfen.
Das wiederum würde bedeuten, „dass theoretisch nur sehr wenige Länder der Welt in der Lage wären, überschüssige Emissionen zu verkaufen", sagte er.
Gilles Dufrasne, Experte für CO2-Preisgestaltung bei Carbon Market Watch, geht noch weiter.
Anstatt CO2-Gutschriften, die in einem Land entstehen, in ein anderes Land zu verkaufen, will er, dass die Mittel für den „Grünen Klimafonds" bereitgestellt werden. Dieser Fonds sollte jährlich mit 100 Milliarden Dollar (90,8 Milliarden Euro) ausgestattet werden, auch das ist Teil des Pariser Klimaabkommens. Damit sollen Projekte zu Minderung der Folgen und zur Anpassung an den Klimawandel finanzierte werden. Vor allem in Entwicklungsländern, die besonders betroffen sind.
"Das Geld wird angerechnet, aber die eingesparten Emissionen werden nicht einem selbst, dem Land oder dem Unternehmen gutgeschrieben", sagte Dufrasne. "Hier zeigt sich, worum es bei diesen Märkten und auch beim Handel von Gutschriften gehen soll. „Um ein System, dass Anreize setzen soll, die Emissionen tatsächlich stärker zu reduzieren."
Emissionen ausgleichen
In Madrid wird außerdem darüber diskutiert, wie man in Zukunft mit dem Handel von Kompensationen für den Ausstoß von CO2 umgehen will.
Bisher gab es für reiche Länder durch den „Mechanismus für saubere Entwicklung" (Clean Development Mechanism, CDM) die Möglichkeit ihren heimischen CO2-Ausstoß durch die Finanzierung von emissionsmindernden Programmen in Entwicklungsländern auszugleichen. Typisches Beispiel: Aufforstungsprogramme.
Schätzungen von Carbon Market Watch zufolge wären jedoch rund 85 Prozent der im Rahmen des CDM finanzierten Projekte auch ohne diese Unterstützung gut vorangekommen. Der Mechanismus für saubere Entwicklung wurde vor über einem Jahrzehnt im Kyoto-Protokoll festgehalten.
"Es sollte ein System sein, das es den Ländern ermöglicht, sich ehrgeizigere Ziele zu setzen", so Dufrasne. "Tatsächlich wurde es einfach nur billiger die Emissionsziele zu erreichen. Und man kann sogar sagen, dass Ziele dadurch eigentlich geschwächt wurden. Denn anstatt Emissionen wirklich zu reduzieren, kauften Länder einfach Gutschriften, die für nicht viel stehen."
Kritiker argumentieren auch, dass die im Rahmen des CDM genutzten Zertifikate außerdem zu billig sind und nicht in ein neues CO2-Handelssystem überführt werden sollten. Ein umstrittener Punkt, vor allem bei den Ländern, die im Besitz dieser Zertifikate sind.
In Madrid wollen die Verhandlungsführer nun ein neues Instrument voranbringen, den sogenannten „Mechanismus zur nachhaltigen Entwicklung", der diese Probleme angeht.
Strenge Regeln
Umweltschützer sagen, dass strenge Regeln für den Erfolg eines jeden globalen Handelssystems entscheidend sein werden. Vor allem müsse vermieden werden, dass sich sowohl das kaufende als auch das verkaufende Land die CO2-Einsparungen anrechnet – also doppelt gezählt wird.
De Clara von der IETA geht davon aus, dass Artikel 6 dann Anreize für höhere Standards und ehrgeizige Ziele setzen wird, wenn die Verhandlungsführer in Madrid dazu in der Lage sind strenge Regeln durchzusetzen.
"Wenn ein Land Steuern ausgibt, um CO2-Gutschriften im Ausland einzukaufen, würde es nicht nach Emissionsgutschriften oder Zertifikaten suchen, denen man nicht trauen kann", sagt er. "Nach dieser Logik wäre es Zuckerbrot oder Peitsche für die jeweiligen Länder."
Schneider vom BUND meint, dass ein im Pariser Klimaabkommen verankerter Emissionshandel, diese vollkommen untergraben könne.
"Wir befürchten, dass Artikel 6, wenn er auf dieser COP beschlossen wird, von anderen Instrumenten - wie beispielsweise dem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen – ablenkt. Dass er von den eigentlichen Zielen wegführt und diese letztendlich eher herabgesetzt, als dass sie angehoben werden", so Schneider.
Die Dringlichkeit bei der Bekämpfung der Klimakrise sei heute wichtiger als alles andere, sagt sie. Für sie und andere wird nur die direkte Senkung des CO2-Ausstoßes in den einzelnen Ländern den dringend benötigten Unterschied machen.