COP23: Regeln für den Klimaschutz
8. November 2017Vor zwei Jahren hat sich die internationale Gemeinschaft in Paris dazu verpflichtet, die globale Erwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu drücken. Nun geht es darum, ein Regelwerk auszuhandeln, mit dem das zu bewerkstelligen ist. Ein großer Teil der zweiwöchigen Verhandlungen in Bonn wird sich damit beschäftigen, wie die Zusagen der fast 200 Länder umgesetzt werden - wie misst man beispielsweise den Fortschritt der CO2-Emissionsreduzierungen?
Es ist definitiv nicht leicht, solch ein Regelwerk zu formulieren, sagt Klimawissenschaftler Paul Palmer von der University of Edinburgh, der in einem internationalen Team an Treibhausgasen in der Atmosphäre forscht.
"Wir müssen besonders gründlich messen. Wir werden nach kleinen, graduellen Reduzierungen von großen Mengen suchen, das heißt, wir müssen sicherstellen, dass die Zahlen stimmen", sagte Palmer der DW.
Warum sind Kontrollen wichtig, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen?
Die Maßnahmen, zu denen sich die Länder im Paris-Abkommen verpflichtet haben, sind freiwillig. Das heißt, es wird besonders wichtig sein, zu überprüfen, ob Länder tatsächlich Fortschritte machen, sagt Andrew Light, der unter dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama im Namen der Vereinigten Staaten Klimaverhandlungen führte und nun für die Denkfabrik World Resources Institute arbeitet.
"Transparenz ist der einzige Weg, um zu wissen, ob wir überhaupt vorankommen. Wir müssen verstehen, was die anderen Parteien machen", sagte Light im DW-Gespräch.
Wie berichten Länder über ihre Fortschritte?
Momentan verlässt sich die Weltgemeinschaft auf Selbstaussagen und Begutachtungen durch Fachkollegen, die genau beobachten, wie Länder mit ihren Treibhausgas-Emissionen umgehen.
Jedes Land ist dafür verantwortlich, die eigenen Emissionen zu verfolgen und zu reduzieren.
Im Grunde quantifizieren Länder selbst, wie viel Kohle, Öl und Gas sie nutzen - mithilfe einer Standardformel können sie dann ihre CO2-Emissionen ermitteln. Diese Formel berücksichtigt ebenfalls Zahlen zu Land- und Forstwirtschaft, damit auch Treibhausgase von Nutztieren, Düngemitteln und Änderungen im Waldbestand erfasst werden.
Bis wann muss das Regelwerk fertig sein?
Das Regelwerk muss die Buchhaltungsverfahren der Länder vereinheitlichen - nach dem Pariser Klimaabkommen müssen die Regeln bis 2018 stehen.
Um das in diesem Zeitfenster zu schaffen, müssen die Delegierten in Bonn sich auf Details darüber einigen, wie Kohlenstoff-Emissionen berechnet werden.
Eine der größten Hürden für Transparenz sei dabei das zweigleisige System, das auf der Klimakonferenz in Cancun 2010 verabschiedet wurde: Es gelten dabei verschiedene Regeln für Entwicklungs- und Industriestaaten. Letztere werden dabei einer genaueren Überprüfung unterzogen.
Wie stark werden die USA bei dem Regelwerk mitwirken?
Damit das Klimaabkommen von Paris funktionieren kann, muss irgendwann jeder nach denselben Regeln spielen, erklärt Light. Und obwohl US-Präsident Donald Trump das Klimaabkommen aufgekündigt hat, haben die Vereinigten Staaten - gemeinsam mit China - den Vorsitz des Transparenz-Komitees und tragen dort viele fortschrittliche Ideen vor, sagt der Klimaexperte.
Die USA hätten sogar einen der progressivsten Blicke auf ein universelles Nachweissystem, so Light; aber durch Trumps Ankündigung, aus dem Pariser Abkommen auszutreten, sei unklar, wie das bei den Bonn-Gesprächen ankäme, meint Light.
Beobachter sollten keine bahnbrechenden Verkündigungen während COP23 erwarten, sagt Glen Peters, Forschungsdirektor am Center for International Climate Research in Oslo.
Änderungen werden "recht langsam passieren, in Fünf- beziehungsweise Zehn-Jahresschritten", sagte Peters. Das System der zwei Systeme für Entwicklungs- und Industriestaaten könne auf lange Sicht nicht funktionieren.
Was sind die Regeln für Entwicklungsländer?
"Entwicklungsländer müssen regelmäßig Berichte liefern, aber sie müssen keine detaillierten Emissionsschätzungen abgeben. Das heißt, wir haben sehr wenige offizielle Angaben darüber, wie viele Emissionen sie ausstoßen", so Peters.
Auch wenn es unabhängige Schätzungen von Dritten gebe, beispielsweise von der Internationalen Energiebehörde, seien die Maßstäbe der Schätzungen oft nicht einheitlich. Deshalb sei unklar, wie viel Treibhausgase Länder wie China, Brasilien und Indien wirklich ausstoßen, sagt Peters.
Der Klimaforscher betont, dass besonders China seine Maßnahmen der Überprüfung und Verifizierung verstärken sollte. Kleinere und weniger entwickelte Länder könnten durchaus den begründeten Anspruch geltend machen, dass ihnen die Ressourcen für solch detaillierte Berichte fehlten. China hingegen habe alle nötigen Fähigkeiten und Kapazitäten, sagt er.
China wolle Führungscharakter zeigen - deshalb sollte das Land auch die Zahlen offen legen, so Peters. "Das wiederum übt Druck auf andere Entwicklungsländer wie Indien und Brasilien aus, es China gleichzutun."
Wie wird CO2-Monitoring in Zukunft funktionieren?
Technologien wie etwa Satelliten werden eine größere Rolle spielen, um CO2-Emissionen zu überwachen, zu verifizieren und den Kohlenstoffkreislauf generell zu analysieren. Das ist deshalb wichtig, weil fossile Brennstoffe nicht die einzigen Quellen für Treibhausgase sind. Die letzten drei Jahre liefern ein gutes Beispiel: Obwohl die jährlichen Emissionen durch fossile Brennstoffe von 2014 bis 2016 konstant blieben, hat die Gesamtmenge der CO2-Konzentration in der Atmosphäre sehr viel schneller zugenommen als in den vergangenen Jahren.
Die neue NASA- Satellitenmission Orbiting Carbon Observatory 2 hat diese CO2-Zunahmen auf Veränderungen in Tropenwäldern im Amazonas-Gebiet sowie in Afrika und Indonesien zurückgeführt.
Die Satelliten werden Informationen aus Ländern sammeln, wo finanzielle, politische oder geografische Faktoren es unmöglich machen, die Daten am Boden zu erheben, so Klimaforscher Palmer.
"Sie fliegen über große Waldflächen, wo es sonst sehr schwierig wäre, Messungen durchzuführen, und über große Ozeane", so der Experte. "Das wird uns dabei helfen, die Emissionen von Öl, Gas und Kohle von den natürlichen Prozessen und vom Wandel in der Landnutzung zu trennen."