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COP16: Umweltverbände ziehen gemischte Bilanz

3. November 2024

Die UN-Artenschutzkonferenz in Cali ist ohne den großen Wurf zu Ende gegangen. Der Streit um Finanzierungsfragen blieb ungelöst. Doch es gibt auch Lob für einzelne Fortschritte.

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In Fischernetzresten verfangene Unechte Karettschildkröte vor den Azoren (15.01.2021)
In Fischernetzresten verfangene Meeresschildkröte vor den Azoren: Viele Arten sind vom Aussterben bedrohtBild: V. Legrand/blickwinkel/AGAMI/picture alliance

Bis zuletzt wurde in Cali im Süden Kolumbiens gerungen, die UN-Artenschutzkonferenz COP16 ging sogar in die Verlängerung, wurde dann aber am Sonnabend abrupt abgebrochen. Die Konferenz war nicht mehr beschlussfähig, denn zu viele Delegationen waren bereits abgereist. Offenbar hatten viele Teilnehmer nicht genug Mittel, um ihre Rückflugtickets umzubuchen, was ein Schlaglicht auf das Hauptproblem wirft: die Finanzierung der Bemühungen, die Artenvielfalt auf der Erde zu erhalten.

Dabei hatte die Gastgeberin und Konferenzleiterin, die kolumbianische Umweltministerin Susana Muhamad, kurz vor Schluss noch alles versucht, eine Lösung zu finden und am Freitag ein Kompromiss-Papier vorgelegt. Es solle "bis zum Sieg" verhandelt werden, kündigte die Präsidentin in der Nacht zu Samstag an. Vergeblich. Muhamad musste das Scheitern eingestehen. Der Hammer fiel und die COP16 war ohne Durchbruch zu Ende.

Etwas Licht und viel Schatten

Deutschlands Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sieht in der Konferenz dennoch "ein klares Signal für mehr natürlichen Klimaschutz". Die Umweltorganisationen Greenpeace und World Wide Fund For Nature (WWF) zogen eine gemischte Bilanz. Der WWF bezeichnete es als "Blamage", dass die Konferenz wegen fehlender Beschlussfähigkeit beendet werden musste. Inhaltlich sei "das Ergebnis durchwachsen". Greenpeace sprach von einer Blockade durch die Europäische Union.

Susana Muhamad (02.11.2024)
COP16-Präsidentin Muhamad (am Sonnabend): Eingeständnis des ScheiternsBild: JOAQUIN SARMIENTO/AFP/Getty Images

Die Verhandlungsfront verlief im Großen und Ganzen zwischen Delegierten aus reicheren und Delegierten aus ärmeren Ländern. Ein von COP16-Präsidentin Muhamad vorgeschlagener Biodiversitätsfonds zur Finanzierung des weltweiten Artenschutzes wurde von der EU, der Schweiz und Japan abgelehnt. Entwicklungsländer wiederum kritisierten, sie würden durch die bereits bestehenden Ausgleichsmechanismen nicht ausreichend berücksichtigt und verlangten in Cali explizit einen Fonds für Biodiversität.

Wichtige Teileinigungen

Vor dem Scheitern beim wichtigsten Verhandlungspunkt, den Finanzen, waren bei der COP16 zumindest zwei Teileinigungen erreicht worden. Kurz vor Konferenzende stimmten die Delegierten der Schaffung eines anderen Fonds zu. Er sieht die Aufteilung von Gewinnen vor, die aus der Nutzung von Gendaten von Pflanzen und Tieren stammen. Dieser sogenannte "Cali Fonds" sieht vor, dass Unternehmen oder andere Nutzer der Daten, die diese kommerziell verwerten, "einen Teil ihrer Profite oder Einnahmen in den weltweiten Fonds einzahlen".

Kolumbien: COP16-Plenum in Cali (01.11.2024)
COP16-Plenum in Cali (am Freitag): Einzelne Fortschritte, kein großer WurfBild: Camilo Rodriguez/REUTERS

Die Mittel des Fonds sollen dann unter Aufsicht der Vereinten Nationen zur einen Hälfte an die Staaten gehen, in denen die Arten vorkommen und zur anderen Hälfte an die dort lebenden indigenen Völker. Die Einigung ist für die in dem Dokument genannten Branchen, darunter Pharma- und Kosmetikindustrie, allerdings nicht bindend.

Ein Beispiel für die Nutzung von Gendaten ist der Einsatz eines bestimmten, häufig genutzten Vanille-Aromas für Speiseeis. Das Aroma wird anhand der Gensequenz einer Pflanze produziert, die ursprünglich nur mexikanischen Indigenen bekannt war.

Ein weiterer COP16-Erfolg: Am Freitag hatten sich die Delegationen darauf geeinigt, dass künftig ein ständiges Gremium mit Vertretern indigener Völker an Entscheidungen der Vereinten Nationen zum Artenschutz beteiligt wird. "Dies ist ein beispielloser Moment in der Geschichte der multilateralen Umweltabkommen", sagte die Indigenen-Vertreterin Camila Romero aus Chile nach der Einigung.

Greenpeace kritisiert EU

Auch Jannes Stoppel, Politikexperte von Greenpeace Deutschland, nannte die künftig institutionalisierte Beteiligung von indigenen Völkern eine "historische Entscheidung". Er kritisierte aber scharf die Haltung der Europäischen Union in Sachen Biodiversitätsfonds. Die EU-Blockade zum Ende der COP16-Konferenz habe "die Gräben zwischen Industriestaaten und Ländern des globalen Südens tiefer gegraben". Die bis dahin positive Konferenz in Cali sei "mit einer bitteren Note eines zunehmenden Vertrauensverlustes", zu Ende gegangen, so Greenpeace-Mann Stoppel.

Jannes Stoppel (29.09.2021)
Greenpeace-Politikexperte Stoppel (Archivbild): "Zunehmender Vertrauensverlust"Bild: Lucas Wahl/Greenpeace

Dass es beim globalen Biodiversitätsfonds keine Einigung gegeben habe, treffe das bereits schwer belastete Vertrauensverhältnis zwischen Industriestaaten und den Ländern im Globalen Süden empfindlich, heißt es auch vom WWF. Durch die gescheiterte Verabschiedung einer Finanzierungsstrategie aufgrund des abrupten Endes der Konferenz sei schließlich auch der Mechanismus aus dem finalen Beschluss geflogen, mit dem die Länder ihre Umsetzungsergebnisse hätten messen sollen.

Positiv äußerten sich WWF und Greenpeace zu Fortschritten beim Meeresschutz. So soll es künftig ein effizienteres Verfahren geben, um biologisch wertvolle Meeresgebiete zu identifizieren, die unter Schutz gestellt werden sollten.

Lemke: "Klares Signal für mehr natürlichen Klimaschutz"

Bundesumweltministerin Lemke sagte, es sei in Cali hart gearbeitet und gerungen worden. Sie freue sich besonders, dass die Stimme der indigenen Völker und lokalen Gemeinschaften gestärkt werde, denn sie spielten eine äußerst wichtige Rolle im globalen Biodiversitätsschutz.

Steffi Lemke (11.10.2024)
Bundesumweltministerin Lemke: "Künftig besser miteinander verzahnt"Bild: Jürgen Heinrich/IMAGO

Mit dem Beschluss zu Biodiversität und Klimakrise werde Klima- und Naturschutz künftig besser miteinander verzahnt, und zwar durch mehr Kooperation auf Politik-, Planungs- und Umsetzungsebene, so die deutsche Umweltministerin. Ebenso werde der Weg bereitet für eine engere Kooperation von Weltbiodiversitäts- und Weltklimarat und mehr Abstimmung zwischen Natur- und Klimaschutzplänen.

Die Konferenz in Cali sende so "ein klares Signal für mehr natürlichen Klimaschutz an die kommende Weltklimakonferenz in Baku". Die intensiven Verhandlungen der vergangenen zwei Wochen hätten aber "klargemacht, dass noch viel Arbeit vor uns liegt", betonte Lemke.

Ein Sprecher der COP16 sagte der Nachrichtenagentur AFP in Cali, das Treffen solle zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt werden. Dabei sollten die Themen, bei denen eine Einigung noch aussteht, behandelt werden. Dass Handlungsbedarf besteht, zeigen neuere Untersuchungen. Demnach sind mehr als ein Viertel der bekannten Pflanzen- und Tierarten vom Aussterben bedroht.

AR/sti (afp, dpa, kna)