Warum ist Biodiversität für uns so wichtig?
22. Oktober 2024Unter Biodiversität versteht man die Vielfalt der lebenden Arten und Organismen und ihrer Gene, von kleinen Bakterien bis zu großen Tieren, von Moos bis zu riesigen Bäumen.
Dieses Kaleidoskop des Lebens bildet das Rückgrat der Ökosysteme an Land, im Süßwasser und im Meer. Diese Vielfalt ist zugleich Nahrung, Medizin und Ressource für das Leben auf unserem Planeten, erzeugt saubere Luft, sauberes Wasser und stabilisiert das Klima.
Die biologische Vielfalt verändert sich stetig und passt sich an veränderte Bedingungen an. Doch der Mensch zerstört und bedroht die Lebensräume und ihre vielfältigen Lebensformen sowie lebenswichtigen Ökosysteme.
Der Verlust der biologischen Vielfalt führt zu einem Rückgang der Populationen und zum Aussterben von immer mehr Arten — mit Auswirkungen auf das Leben auf der Erde.
Biodiversität der Schlüssel für gesunden Planeten?
Die biologische Vielfalt ist von grundlegender Bedeutung für die Gesundheit und Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen. Dazu gehört auch ihre Fähigkeit, den Auswirkungen extremer Wetterereignisse standzuhalten, die zunehmend mit dem Klimawandel zusammenhängen.
Ökosysteme mit einer hohen Artenvielfalt erbringen zudem eine breite Palette von Dienstleistungen, die für das Überleben aller Lebensformen unerlässlich sind, wie etwa die Bestäubung von Nutzpflanzen, den Nährstoffkreislauf und die Regulierung des Klimas.
Die Vielfalt unterschiedlicher Pflanzenarten verbessert zudem die Bodenfruchtbarkeit durch einen besseren Kohlenstoff- und Stickstoffkreislauf, was wiederum die Ernährung von Menschen und Tieren sichert.
Zur Biodiversität gehört auch die genetische Vielfalt innerhalb der Arten. Sie verbessert die Anpassung an veränderte Umweltbedingungen und stärkt den Umgang gegen neue Krankheiten sowie Klimaextreme.
Wichtig ist die genetische Vielfalt ebenfalls bei Nutzpflanzen und Nutztieren. Eine Vielfalt ist resistenter gegen Schädlinge und Dürren und ertragreicher.
Medikamente für vielfältige Behandlungen werden aus unterschiedlichen Pflanzenarten gewonnen und diese Pflanzenvielfalt braucht ein gesundes Ökosystem.
Was sind die Folgen des Artensterbens?
Vor der Industrialisierung gingen auf unserem Planeten von einer Million Arten etwa eine Art pro Jahr durch natürliche Prozesse verloren. Durch den Einfluss des Menschen liegt die Aussterberate heute 100 bis 1.000 Mal höher.
"Wir sind nicht im Einklang mit der Natur", sagte UN-Generalsekretär António Guterres 2022 vor den Staats- und Regierungschefs der Welt. "Die Menschheit ist zu einer Waffe des Massenaussterbens geworden."
Etwa 30 Prozent der 150.000 untersuchten Pflanzen- und Tierarten sind aufgrund menschlicher Aktivitäten vom Aussterben bedroht, sei es durch die Zerstörung von Lebensräumen, die Vergiftung durch Pestizide oder die Jagd aus Profitgründen oder zum Vergnügen.
Das letzte Mal ging vor 66 Millionen Jahren so viel Flora und Fauna verloren als ein Asteroid den Planeten traf und 75 Prozent aller Arten auslöschte.
Der von der Naturschutzorganisation WWF veröffentlichte Living Planet Report 2024 stellt fest, dass die weltweiten Populationen von Säugetieren, Fischen, Vögeln, Reptilien und Amphibien seit 1970 um durchschnittlich 73 Prozent zurückgegangen sind.
Den stärksten Rückgang verzeichnen die Süßwasser-Ökosysteme mit 85 Prozent, gefolgt von Land (- 69 Prozent) und Meeresökosystemen (- 56 Prozent). Geografisch sind Lateinamerika und die Karibik (- 95 Prozent), Afrika (- 76 Prozent) und die Asien-Pazifik-Region (- 60 Prozent) am stärksten betroffen. Mit Abstand folgen Nordamerika (- 39 Prozent) sowie Europa & Zentralasien (- 35 Prozent).
Dabei besteht zunehmend die Gefahr, dass ökologische Kipppunkte überschritten werden, die nicht mehr rückgängig zu machen wären.
Im besonders artenreichen Brasilien, mit mehr als zehn Prozent der weltweiten Flora und Fauna, könnten Abholzungen des Amazonas-Regenwald mehr als 10.000 Arten auslöschen.
Inzwischen beansprucht die Pflanzen- und Tierproduktion mit Monokulturen mehr als ein Drittel der weltweiten Landfläche und fast 75 Prozent der Süßwasserressourcen.
Der Rückgang von Pflanzen, Mikroorganismen und Tieren beeinträchtigt unseren Zugang zu sauberer Luft und sauberem Wasser, unsere Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten und dem Klimawandel ebenso wie unsere Ernährungssicherheit.
Was hilft, die biologische Vielfalt zu erhalten und zu regenerieren?
Der rapide Rückgang von Bienenpopulation, die für die Bestäubung von Pflanzen und damit für Nutzpflanzen und die Artenvielfalt von entscheidender Bedeutung sind, könnte beispielsweise durch ein Verbot von Pestiziden aufgehalten werden.
Auf der artenreichen Insel Borneo in Südostasien sind viele der rund 1.400 Tiere und mehr als 15.000 Pflanzenarten durch Bergbau und Abholzung bedroht. Die Zahl der vom Aussterben bedrohten Orang-Utans hat sich in den letzten 20 Jahren halbiert.
Während die Rodung von Wäldern für Kautschukplantagen und den Gewinn von Hartholz und der Abbau von Edelmetallen zur Zerstörung beitragen, kann laut WWF die biologische Vielfalt mit etwas Hilfe auch wieder regeneriert werden.
Dafür müssten Gebiete unter Schutz gestellt werden, um illegale Abholzung und zerstörerischen Ressourcenabbau zu beenden. Und Unternehmen können etwa verpflichtet werden, Holz und Lebensmittel verantwortungsbewusst zu beschaffen.
"Um den weltweiten Verlust der Artenvielfalt aufzuhalten, müssen wir neu darüber nachdenken, wie wir natürliche Ressourcen nutzen", so der WWF. Dazu sei es wichtig, den Druck auf die Ökosysteme zu verringern "und ihnen die Möglichkeit der Erholung zu geben."
Das sei dringend, sagt Kathrin Samson, Vorständin von WWF Deutschland: "Was wir für ein gutes und sicheres Leben benötigen, steht durch unsere Lebensweise auf dem Spiel."
Der Beitrag wurde adaptiert von Gero Rueter.
Redaktion: Tamsin Walker, Anke Rasper