Milliardenfonds für Afrika
30. Oktober 2018Stefan Liebing scheint nicht glauben zu können, was er da gerade gehört hat. "Frau Bundeskanzlerin, Sie haben mich als Verbandsvertreter arbeitslos gemacht", sagt der sonst so forsche Chef des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft. In dem Netzwerk sind über 500 Firmen zusammengeschlossen, die in Afrika aktiv sind. Eigentlich ist Liebing ein scharfer Kritiker der deutschen Afrikapolitik, die aus seiner Sicht viel zu wenig für die Firmen tut. Nun kann er die Kanzlerin gar nicht genug loben. Ihre Ankündigung sei "beinahe historisch."
Merkel: "Wir wollen schneller werden"
Denn was Merkel wenige Minuten vorher verkündet hat, könnte einem Strategiepapier seines Verbands entsprungen sein. Von der Konferenz solle ein deutsches Signal ausgehen, verspricht die Kanzlerin. "Wir als Europäer haben ein großes Interesse, dass die Staaten Afrikas gute wirtschaftliche Perspektiven haben", so Merkel. Das will sich die Bundesregierung einiges kosten lassen: Ein neuer Fonds soll Investitionen kleiner und mittlerer Unternehmen in Afrika erleichtern. Außerdem: bessere Absicherungen für Geschäfte deutscher Firmen und eine Ausbildungsinitiative für junge Afrikaner. Dazu noch Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und allen afrikanischen Ländern, die sich an der Initiative Compact with Africa beteiligen - damit Unternehmer nicht zweimal zur Kasse gebeten werden. "Ich weiß, dass Ihnen allen die Zeit ganz wichtig ist, denn Sie müssen schnell etwas schaffen. Ihre Bevölkerung erwartet schnelle Antworten und schnelle Resultate und so wollen wir uns auch bemühen, schneller zu werden", verspricht Merkel mit Blick auf die anwesenden Staatschefs.
Schnell ist das Stichwort. Die Investment-Konferenz ist eine Verkaufsshow. Die afrikanischen Staatschefs treten einzeln vor und loben artig den Compact with Africa. "Wir teilen Kanzlerin Merkels Ungeduld, messbare und greifbare Erfolge sehen zu wollen", ergänzt Ruandas Präsident Paul Kagame. Elf afrikanische Länder sind derzeit Teil der Initiative. Sie verpflichten sich zu wirtschaftspolitischen Reformen. Westliche Partner stellen dafür technische Expertise bereit und helfen bei der Investorenwerbung. "Die Partnerschaft zwischen Afrika und den G20-Staaten hat großes Potenzial, das Leben der Menschen und die Lage der Wirtschaft zu verändern", sagt Südafrikas Staatschef Cyril Ramaphosa. Die deutschen Firmenchefs preisen im Gegenzug die enormen Chancen der afrikanischen Märkte. Vor laufenden Kameras unterschreiben sie millionenschwere Investitionszusagen. Die Moderatorin ruft den Wert der jeweiligen Investition durch den Raum, als wäre es das letzte Angebot bei einer Versteigerung.
Kritik an fehlenden Sozialstandards
Die Konferenz soll eine klare Botschaft senden: Compact with Africa funktioniert. In der Realität sieht die Bilanz magerer aus. Zwar setzen die Compact-Länder Reformen um, aber die Investitionen sind nicht nennenswert gestiegen. Auch die Zahl deutscher Unternehmen, die in Afrika investieren, wächst nur langsam. Auswirkungen, darin sind sich Experten einig, werden sich allenfalls in einigen Jahren zeigen.
Für Kritiker bleibt umstritten, ob die neuen Maßnahmen der Bundesregierung helfen, die Armut in Afrika wirklich zu bekämpfen. Dazu seien verbindliche Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards nötig, sagt Stephan Exo-Kreischer von der entwicklungspolitischen Lobbygruppe ONE. "Das vermisse ich komplett. Es wird zu einseitig auf Maßnahmen Wert gelegt, die Investitionen ankurbeln sollen", sagt Exo-Kreischer zur DW. Entwicklungsorganisationen verweisen außerdem darauf, dass derzeit nur elf afrikanische Länder Teil von Compact with Africa sind. Gerade arme Staaten bleiben außen vor, weil sie für Investoren nicht interessant sind.
Für den Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft ist es hingegen ein guter Tag. Doch schnelle Erfolge mag man hier auch noch nicht versprechen. "Der deutsche Mittelstand ist in den letzten Jahren erfolgsverwöhnt gewesen und ist nicht ununterbrochen auf der Suche nach neuen Märkten", sagt Hauptgeschäftsführer Christoph Kannengießer zur DW. Wichtig sei es, die Chancen des Engagements in Afrika stärker zu betonen. "Aber es ist ein Prozess. Über Investitionen wird nicht über Nacht entschieden. Insofern dürfen wir uns einen guten Schluck Optimismus gönnen, aber wir müssen auch realistisch bleiben."