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Interview mit Christian Jankowski

Stefan Dege10. Juni 2016

Erstmals leitet ein Künstler die europäische Kunstbiennale Manifesta - der Deutsche Christian Jankowski. Er möchte die Kunst für Ideen von außen öffnen. Was er darunter versteht, erzählt er im DW-Interview.

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Einblick in das Cabaret der Künstler-Zollhaus Voltaire - wo vor 100 Jahren die Dada-Bewegung startete Fotot: Manifesta 11/Alex Lehnerer
Bild: Manifesta 11/Alex Lehnerer

DW: Herr Jankowski, wozu braucht es noch eine Manifesta in Zeiten konkurrierender Kunstevents wie Documenta oder Kunstbiennale von Venedig, in Zeiten von Museumsboom und florierendem globalem Kulturaustausch?

Christian Jankowski: Ich glaube, es gibt nie genug davon. Bis jetzt scheint es nicht so, dass die Leute da übersättigt wären. Wichtiger ist, ob es interessant ist. Und wenn es interessant ist, lohnt es sich, hinzugehen. Und ich hoffe, dass wir das hier geschafft haben.

Sie sind der künstlerische Leiter und auch selbst ein Künstler - ein Novum bei einer Manifesta. "What People do for Money", unter dieses Motto haben sie die elfte Ausgabe in Zürich gestellt. Was ist Ihre Idee dabei?

Es klingt vielleicht ein bisschen moralisch – "What Poeple do for Money". Aber für mich es es eine Umschreibung. Die meisten Leute machen für Geld eine Arbeit, gehen irgendeinem Job nach. Mich interessiert: Was können diese verschiedenen Perspektiven, der Fachjargon, auch das Fachwissen, der Kunst Gutes tun? Die Interpretationen, die Begriffe und die Worte, die in der Kunst benutzt werden, sind ein eigener Fachjargon, der manchmal zur Floskel wird. Das nutzt sich ab. Wörter nutzen sich ab wie Formen. Insofern hoffe ich auf überraschende Verbindungen aus diesen verschiedenen Welten in ihrer Wirkung auf Kunst.

Manifesta 11-Kurator Christian Jankowski im Porträt. Foto: Manifesta 11
Manifesta 11-Kurator Christian JankowskiBild: Manifesta 11

Und was können Berufe für die Kunst tun?

Wenn ich zum Beispiel jemanden, der im Klärwerk arbeitet, darüber reden höre, was man aus der Kunst rausfiltern kann, dann kommen mir komplett andere Bilder in den Sinn, als wenn ein Kunsthistoriker mir das erzählt.

Einer der 30 Manifesta-Künstler, die Sie nach Zürich eingeladen haben, ist Michel Houellebeck, ein französischer Schriftsteller, der zuletzt mit seinem Buch "Unterwerfung" eine muslimisch geprägte Gesellschafsvisionen entworfen hat. Wie passt er in Ihr Konzept?

Michel passt bestens in mein Konzept. Er ist an einer Schnittstelle. Bei meinen Recherchen habe ich festgestellt, dass er auch Fotos macht. Dieser Berufswechsel vom Schriftsteller zum Bildenden Künstler ist eine interessante Schnittstelle, an der ich selber stehe zwischen Kurator und Künstler.

Houellebeck unterzieht sich einem öffentlichen Gesundheitscheck durch seinen Gastgeber, einem Mediziner. Wie genau entsteht daraus Kunst?

Die Kunst bei Michel ist, dass er sich medizinisch durchchecken lässt und an Bildern des eigenen Körpers arbeitet. Über diesen Vorschlag von Houellebeck hatte ich eine große Diskussion im Krankenhaus. Dort sagten sie ganz plötzlich ab, weil sie dachten, das sei keine Kunst, die der Künstler ausstellen will. Inzwischen ist alles wieder im grünen Bereich.

Seine Unterlagen liegen jetzt – en masse dupliziert – im Eingangsfoyer des Krankenkauses aus. Jemand, der keine Kunst kennt und da hingeht, diesen Patientennamen erkennt, denkt vielleicht: 'Misten die hier aus?' 'Geht man so auch mit meinen privaten Unterlagen um?' Houellebecks Arbeit spielt ganz stark mit der Privatheit von Krankheit und von Körper. Krankenversicherungen checken den eigenen Körper erstmal komplett durch, bevor sie sich auf eine Versicherung einlassen mit dem Kunden. Solche Themen sind es, die da mit reinschwingen in diesem Werk.

Imbissbuden werden zu "Imbissies", wo ein Sternekoch Leckerein anbietet, die sonst nur Diplomaten vorbehalten sind. Worin steckt hierin das Kunstpotential?

So ähnlich wie Kunst oder Geld jeden angehen und ein verbindendes Element sind, bringt auch Essen die Dinge zusammen. Selbst wenn Menschen ihre Heimat verlassen, aus den unterschiedlichsten Gründen, vermitteln Imbisse ganz oft, da sie eine kulinarische Kultur vermitteln. Egal ob im Gyros oder in der Pizza, in allem steckt eine Menge Information. Das macht sich der Künstler John Arnold zu Eigen in seinem Projekt, bei dem er mit einem Sternekoch zusammenarbeitet und recherchiert, welche Staatsbankette es in der Vergangenheit gab. Die Schweiz als ein neutraler Ort war in vielerlei Hinsicht wichtig für Verhandlungen zwischen Nationen. Arnold lädt etwa am Imbiss 'Riviera" zu einem Staatsbankett Reenactment (Neuinszenierung. Anm.d.R.) ein, mit einer Mischung aus Imbisskost und Sterneküche. Zugegeben ein schwieriges Projekt, weil natürlich die Imbisse ihr Stammpublikum haben. Die künstlerische Idee ist eine Mischung aus "High and Low", dass sich daraus neue Verbindungen ergeben.

Muss die Kunst ihre Zielgruppen erweitern – braucht sie ein neues, bisher eher kunstfernes Publikum?

Ja, wenn es dazu beiträgt, die Sichtweisen von sehr unterschiedlichen Menschen zusammenzubringen, gerade auch von Menschen, die sich bisher um Kunst nicht gekümmert haben.

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Christian Jankowski, Jahrgang 1968, ist ein deutscher Konzept- und Aktionskünstler. Seine Videoinstallation und seine Inszenierung von Rollenspielen beschäftigen sich mit der Beziehung zwischen den Künstlern, den Kunstinstitutionen, den Medien und der Gesellschaft. In diesem Jahr leitet er die Kunstbiennale Manifesta 11 in Zürick.