Kunst-Manifesta 11 in Zürich
10. Juni 2016Seit zwanzig Jahren zieht die Manifesta durch Europa. Neben der Kasseler Documenta und der Biennale von Venedig ist sie die dritte der großen Kunstschauen. 1993 von der Niederländerin Hedwig Fijen gegründet, soll sie die kulturelle Landschaft des Kontinents erkunden. "What People do for Money", hat Jankowski deshalb die elfte Ausgabe überschrieben. 100 Tage macht sie in Zürich Station (ab 12.07.2016). Indem er Künstler und Nichtkünstler zusammenbringt, möchte Jankowski der Kunst neue Perspektiven erschließen. "Ich hoffe", so verrät er der Deutschen Welle, "auf überraschende Verbindungen zwischen den sehr verschiedenen Welten". Und welche Früchte trägt das Programm des in Berlin lebenden Aktionskünstlers?
Das zeigt etwa der prominenteste der 30 beteiligten Künstler – Michel Houellebecq. Der französische Schriftsteller, der im vorigen Jahr mit seinem Roman "Unterwerfung" für europaweite Debatten sorgte, unterwarf sich jetzt einem öffentlichen Check-up. Blutdruck, Puls und Urin, Herzfrequenz oder Leberwerte – die Untersuchungsergebnisse liegen im Foyer eines Krankenhauses für jedermann aus. Auch wenn er nicht krank ist, so erforscht Houellebecq doch den Ärzte-Beruf. Ein Selbstversuch im Kunstauftrag. "Michels Arbeit spielt mit der Privatheit von Krankheit und Körper", sagt Kurator Jankowski. Machbar ist das Dank des Dialogs zwischen Künstler und Arzt.
Auch Essen wird zur Kunst auf dieser Manifesta. Was passiert, wenn hohe "Kulinarik" auf die Geschmackserwartung von Fastfood trifft, das lotet der amerikanische Künstler John Arnold zusammen mit Sternekoch Fabian Sequel aus. Dessen Kreationen für frühere Staatsbankette werden an Zürcher Imbissbuden serviert. Arnold macht sie zu "Imbissies" - einer Mixtur aus Imbiss und Embassy (Botschaft). "Zugegeben ein schwieriges Projekt", sagt Jankowski, "immerhin haben Imbisse ihr Stammpublikum, die normalerweise Gyros oder Bratwurst bestellen." Wieder so ein Zusammenprall verschiedener Welten.
Jankowksis Rezept ist das Zusammenspiel von Künstlern mit Menschen aus unterschiedlichsten Berufen. Daraus soll sich "etwas Tolles für die Kunst ergeben", hofft der Kurator. Auch Nebenschauplätze der Berufswelt kommen so in den Blick, etwa die Arbeitsbedingungen von transsexuellen Prostituierten in der Schweiz und in Mexiko, die Abläufe in einem Polizeirevier oder in einer Bäckerei. In einer Feuerwehrstation, hat der katalanische Künstler Carles Congost zusammen mit Brandbekämpfern einen Film mit dem Titel "Simply the Best" gedreht. Und selbst der städtischen Kläranlage lassen sich Erkenntnisse jenseits von Fäkalien abgewinnen.
Nun hofft die Manifesta auf viele Besucher. Für jedes der 30 Manifesta-Berufswelt-Projekte gibt es drei Präsentationsstätten: der jeweilige Entstehungsort, jeweils eine Zürcher Kunstinstitution und schließlich die Leinwand. Studenten der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) haben den Entstehungsprozess der Kunstprojekte dokumentiert. Ihre Filme sollen abends in dem sakral anmutenden, eigens gebauten Herzstück der Manifesta 11 über die Leinwand flimmern – einem 600 Quadratmeter großen "Pavillon of Reflections". Tagsüber dient die schwimmende Plattform am stadtnahen Ufer des Zürichsees als Schwimmbad.
Die Manifesta ermögliche es, den Alltag einer Stadt mit neuen Augen zu erleben, sagt Zürichs Kulturbeauftragter Peter Haerle. Jankowskis Konzept findet er zwar überzeugend. Dennoch sieht er die Manifesta am Geburtsort der Dada-Bewegung als "kollektives Experiment mit ungewissem Ausgang".