Zhao gewinnt den Oscar, China schweigt
26. April 2021Insgesamt drei Academy Awards hat Chloé Zhao mit ihrem Film "Nomadland" mit nach Hause genommen: den Oscar für den besten Film, die beste Regie und die beste Hauptdarstellerin für Frances McDormand in der Rolle der Nomadin Fern.
Während westliche Medien die Neuerfindung uramerikanischer Genres wie des Roadmovie seitens einer aus Asien stammenden Regisseurin feiern, berichten wichtige chinesische Medien wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua und der Staatssender CCTV am Montag zunächst überhaupt nicht über die Verleihung der Preise an die US-Amerikanerin, die ihre Kindheit in China verbracht hat.
Im chinesischen Netz gecancelt
Beiträge zum Thema wurden in sozialen Medien teilweise sogar gelöscht. Das Pekinger Außenministerium lehnte einen Kommentar mit der Begründung ab, dass es sich "nicht um eine diplomatische Angelegenheit" handele.
Dabei ist Zhao die erste aus China stammende Frau, die einen Oscar gewinnt, und mit ihr wurde erst zum zweiten Mal in der 93-jährigen Oscar-Geschichte eine Frau mit dem Regie-Oscar geehrt. Noch Anfang März hatte die chinesische Zeitung "Global Times" Zhao als "Chinas Stolz" tituliert, nachdem sie bereits bei den Golden Globes ausgezeichnet worden war.
Kritik an der Volksrepublik in Interview
Nachdem jedoch ein altes Interview mit der Filmemacherin im chinesischen Internet aufgetaucht war, in dem sie die Volksrepublik als "Ort der Lügen" kritisiert hatte, wurden Werbematerial und Verweise auf "Nomadland" in den vergangenen Tagen gelöscht. Alle aktuellen Mitteilungen, die Zhaos Namen oder den Filmtitel enthielten, verschwanden am Montag auf ungeklärte Weise aus dem Onlinedienst Weibo. Zahlreiche chinesische Kinos stoppten den geplanten Kinostart ihres Films, auch verschwanden Informationen zum Film von chinesischen Ticket-Websites. Fernsehzuschauer in Hongkong konnten die Oscar-Zeremonie ebenfalls nicht verfolgen. Zum ersten Mal seit 1969 verweigerte der Sender TVB die Übertragung - offiziell aus "kommerziellen Gründen". Doch viele vermuten dahinter Peking, das seine Macht auf Hongkong zuletzt massiv ausgeweitet hat.
In ihrer Oscar-Rede schien Zhao auf diese Schwierigkeiten anzuspielen: "Ich habe in letzter Zeit viel darüber nachgedacht, wie ich weitermache, wenn die Dinge schwierig werden", sagte sie. Sie zitierte auch eine Zeile aus einem chinesischen Gedicht: "Menschen sind bei Geburt grundsätzlich gut". Zahlreiche Nutzer hatten Zhao am Montagmorgen bei Weibo gefeiert, bevor ihre Einträge aus dem Online-Netzwerk verschwanden.
Stolz trotz mutmaßlicher Zensur
Trotz der Bemühungen der mutmaßlichen Zensoren war der Stolz auf die chinesische Regisseurin auf den Straßen Pekings am Montag deutlich zu spüren: "Es ist sehr selten, dass ein Chinese einen Oscar bekommt", sagte die Ingenieurin Yan Ying der Nachrichtenagentur AFP. "Ich denke, dass chinesische Filme immer besser werden und sie ein gutes Vorbild für chinesische Regisseure ist", sagte die 38-jährige Anwaltsgehilfin Yuan Min.
pj/pg (mit AFE/AFPD)