China überschreitet Seegrenze zu Taiwan
5. August 2022Am zweiten Tag der Militärmanöver haben die chinesischen Streitkräfte mehrfach die inoffizielle Seegrenze zwischen China und Taiwan überschritten. Chinesische Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe hätten die sogenannte Mittellinie in der Taiwanstraße überquert, erklärte Taiwans Verteidigungsministerium in Taipeh. Die Behörde sprach von einem "höchst provokativen Akt". Die Mittellinie der Taiwanstraße gilt als inoffizielle, aber sonst weitgehend respektierte Grenze zwischen China und dem Inselstaat.
Auch Taiwans Premierminister Su Tseng-chang reagierte mit großem Unmut. Die Regierung in Taipeh habe nicht erwartet, "dass der boshafte Nachbar eine Machtdemonstration vor unserer Haustür abhalten und willkürlich die meistbefahrenen Seerouten der Welt mit Militärübungen aufs Spiel setzen würde", sagte Su vor Journalisten. Die chinesische Regierung hatte kürzlich erklärt, die inoffizielle Grenze existiere aus ihrer Sicht nicht mehr.
Die Taiwanstraße ist eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt. Frachtschiffe und Öltanker umfahren derzeit die Insel, um eine Konfrontation mit dem chinesischen Militär zu vermeiden, wie Analysten und Schiffseigner mitteilten. Das verlängere die Fahrtzeit um etwa einen halben Tag.
China hatte seine Übungen, bei denen auch mit scharfer Munition geschossen wird, nach dem Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan gestartet. Sie sollen bis Sonntagmittag (Ortszeit) dauern. Die größte militärische Machtdemonstration der Chinesen seit mehr als zwei Jahrzehnten soll Taiwan vor weiteren Bestrebungen nach Unabhängigkeit abschrecken. Peking sieht die Insel als Teil der Volksrepublik an und droht mit einer militärischen Eroberung. Taiwan hingegen versteht sich als unabhängig.
Peking: Sanktionen gegen Pelosi - Japans Botschafter einbestellt
Das chinesische Außenministerium kündigte Sanktionen gegen die US-Spitzenpolitikerin Peslosi und ihre Familie an - ohne Details zu nennen. Pelosi habe sich mit ihrem Taiwan-Besuch "ernsthaft in die inneren Angelegenheiten Chinas eingemischt und Chinas Souveränität und territoriale Integrität ernsthaft untergraben", hieß es zur Begründung in Peking. Außerdem setzte China die Zusammenarbeit mit den USA in den Bereichen Klima und Verteidigung aus, wie offiziell mitgeteilt wurde.
Aus Verärgerung über die Kritik Japans im Rahmen der Gruppe der sieben führenden Wirtschaftsmächte (G7) an Chinas Manövern bestellte das Pekinger Außenministerium den japanischen Botschafter ein. Ihm wurde ein formeller Protest überreicht. Die Regierung in Tokio hatte auch scharf kritisiert, dass bei der Militärübung fünf chinesische Raketen in Japans ausschließlicher Wirtschaftszone (AWZ) im Meer niedergegangen waren. Die G7-Gruppe hatte in einer Stellungnahme ihre Sorge geäußert und betont, es gebe keinen Grund dafür, einen Besuch als Vorwand "für aggressive militärische Aktivitäten" zu benutzen.
Mit einer weiteren Protestaktion reagierten die Außenminister Chinas und Russlands, Wang Yi und Sergej Lawrow, beim Treffen des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN) auf die Kritik aus Japan. Die beiden Chefdiplomaten verließen den Sitzungssaal im kambodschanischen Phnom Penh, als der Redebeitrag ihres japanischen Kollegen Yoshimasa Hayashi anstand, wie die japanische Nachrichtenagentur Kyodo berichtete. Lawrow sprach bei dem Treffen von einer strategischen Partnerschaft zwischen Russland und China.
US-Außenminister Antony Blinken versicherte Japan am Rande des ASEAN-Treffens die "starke Solidarität" der Vereinigten Staaten nach den "gefährlichen Aktionen Chinas". Mit Blick auf den Einschlag mehrerer chinesischer Raketen in Japans ausschließlicher Wirtschaftszone sprach Blinken von einer "signifikanten Eskalation". Er warf der chinesischen Führung vor, den Status quo in der Meerenge der Taiwanstraße ändern zu wollen.
In Washington wurde der chinesische Botschafter Qin Gang einbestellt, um den Unmut der USA deutlich zu machen. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby nannte die Antwort Chinas auf Pelosis Besuch unvernünftig. Sie könnte den Frieden und die Stabilität in der Region gefährden. "Wir haben auch klar gemacht, dass die USA vorbereitet sind, was auch immer Peking entscheidet zu tun." Die USA hätten kein Interesse an einer Krise. Gleichzeitig würden die USA aber weiter Taiwan unterstützen, betonte Kirby.
se/as/gri (dpa, afp, rtr, ap)