China wegen Abschiebung von Nordkoreanern unter Druck
9. Dezember 2023China beharrt auf seinem Standpunkt, dass die Rückführung von Menschen nach Nordkorea, die Peking üblicherweise als "Wirtschaftsmigranten" statt Flüchtlinge betrachtet, der richtige Weg sei. Doch Menschenrechtsorganisationen warnen, den Abgeschobenen drohten harte Strafen durch das nordkoreanische Regime von Kim Jong Un. Überlaufen gilt in Nordkorea als Hochverrat.
Die südkoreanische Nationalversammlung verabschiedete am 30. November eine Resolution, die Peking auffordert, die Rückführung von Nordkoreanern zu stoppen. Stattdessen sollten die Menschen als Flüchtlinge anerkannt und es ihnen erlaubt werden, nach Südkorea oder in andere Länder zu reisen. Die Resolution fordert auch mehr Bemühungen ein, andere Regierungen und Hilfsorganisationen zu ermutigen, ebenfalls den Druck auf China zu erhöhen, damit es die Rückführungen einstellt.
Anfang November veröffentlichte auch ein Ausschuss der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) für humanitäre Fragen einen Resolutionsentwurf. Für die Vereinten Nationen wurde die Angelegenheit erneut Thema, nachdem Menschenrechtsgruppen berichtet hatten, dass China im Oktober bis zu 600 nordkoreanische Flüchtlinge zwangsweise zurückgeschickt hatte - kurz nachdem Nordkorea die Grenzen wieder geöffnet hatte, die seit Beginn der Corona-Pandemie geschlossen waren.
Verletzt China einen UN-Grundsatz?
Der UN-Ausschuss drückte in dem Resolutionsentwurf große Sorgen über die "ernste Menschenrechtslage in Nordkorea" und die Bestrafung derjenigen aus, die von China über die Grenze zurückgeschickt werden. Der Ausschuss betont, von einem UN-Mitgliedsstaat werde erwartet, dass der Grundsatz der Nichtzurückweisung befolgt wird. Dieser garantiert: Niemand wird in ein Land zurückgeschickt, in dem ihm Folter, grausame Behandlung, Bestrafung oder sonstiger schwerer Schaden droht.
Peking teilte den Vereinten Nationen mit, Berichte, denen zufolge China Flüchtlinge zwangsweise zurückgeschickt hat, seien "völlig unbegründet". Das Land rechtfertigte die Abschiebungen damit, dass es keine Beweise für Folter oder Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea gebe.
Dieser Behauptung stehen Berichte von Menschenrechtsorganisationen gegenüber, die sich auf Überläufer berufen, denen es gelungen ist, sich in einem Drittland in Sicherheit zu bringen. Ihnen zufolge werden Zurückgeschickte gefoltert und zur Strafe in Arbeitslager gebracht.
Es wird davon ausgegangen, dass etwa 2000 Nordkoreaner in China inhaftiert sind. Menschenrechtsgruppen befürchten, dass auch die übrigen zurückgeschickt werden.
Geopolitik wichtiger als internationale Kritik
Hyobin Lee, Lehrbeauftragte für koreanische Politik an der Chungnam National University in Daejeon, Südkorea, sagt, dass trotz der weit verbreiteten Kritik an der Rückführungspolitik geopolitische Rivalitäten für China wichtiger seien. Was bedeute, dass sich Peking wahrscheinlich nicht von seinem Kurs abbringen lasse.
"Die Rückführung nordkoreanischer Überläufer durch China wird erheblich von der Allianz zwischen Peking und Pjöngjang beeinflusst", sagt Lee zur DW. "Nordkorea reagiert bei dem Thema Überläufer besonders empfindlich. China kann es sich angesichts der Sensibilität Nordkoreas in der Überläuferfrage nicht leisten, sich auf die Seite Südkoreas und der Vereinigten Staaten zu stellen, indem es Überläufern erlaubt, in diese Länder zu gehen."
Jedoch scheinen nach Lees Beobachtung die zuvor aggressiven Bemühungen von China etwas nachgelassen zu haben, Nordkoreaner aufzuspüren, sie zu inhaftieren und zurückzuschicken. Denn sie hätten sich als wichtige Quelle billiger Arbeitskraft für die chinesische Wirtschaft erwiesen.
Kim Sang-woo ist der Ansicht, dass die jüngste Rückführung von Nordkoreanern als unausgesprochene Warnung an Südkorea gesehen werden kann, das praktisch keinen Einfluss auf China hat, um die Praxis zu stoppen. "Hier geht es nicht einfach darum, Flüchtlinge zurückzuschicken", sagt der ehemalige Politiker der linksgerichteten Partei "Nationaler Kongress für Neue Politik" (NCNP), der jetzt Vorstandsmitglied der Stiftung des ehemaligen südkoreanischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträgers Kim Dae-jung ist, die sich für Frieden auf der koreanischen Halbinsel einsetzt. "Dies geschieht aufgrund der schlechten Beziehungen zwischen China und Südkorea, vor allem aber auch zur (aktuellen südkoreanischen, Anm. d. Red.) Regierung Yoon Suk Yeol, die hart daran arbeitet, die militärischen und politischen Beziehungen mit Japan und den USA zu verbessern." China sei besorgt, dass diese Beziehungen enger würden. Menschen nach Nordkorea abzuschieben ist laut Kim Sang-woo nur eine der vielen Möglichkeiten, mit denen Peking seine Unzufriedenheit zeigen kann.
China will Führungsposition behalten
China ist auch alarmiert darüber, wie sich zuletzt die Beziehungen zwischen Nordkorea und Russland entwickelten. Peking droht, aus seiner langjährigen Rolle als wichtigster Verbündeter Pjöngjangs verdrängt zu werden. Die USA und Südkorea beschuldigen Russland, Artilleriegeschosse und Kleinwaffen von Nordkorea zu kaufen und im Gegenzug Treibstoff, Nahrungsmittel und vor allem die Technologie zu liefern, die Kim Jong Uns Regierung für ihr Raketen- und Atomwaffenprogramm benötigt. Im September besuchte Kim Jong Un den russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Nachdem China so lange an erster Stelle stand, will es sich nicht mit der zweiten Reihe begnügen. Die neue Freundschaft zwischen Russland und dem Norden bereitet Peking Unbehagen", sagt Kim Sang-woo.
Südkorea könne keinen wirksamen Druck auf den Wirtschafts- und Militärriesen China ausüben, um ihn davon zu überzeugen, die Rückführung von Flüchtlingen in den Norden zu stoppen, so Kim. Stattdessen sollte sich der seit 2022 amtierende Präsident Yoon seiner Ansicht nach "darauf konzentrieren, die Rückführung zu einer humanitären Angelegenheit zu machen, die international kritisiert wird, insbesondere von Europa, den USA und anderen Ländern".
"Südkorea kann diese Menschen nicht allein retten", fügte er hinzu. "Es braucht die Hilfe aller, die sich Sorgen darüber machen, was mit diesen Menschen geschieht, wenn sie nach Nordkorea zurückkehren."
Aus dem Englischen adaptiert von Uta Steinwehr