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Pekings teure Notkredite

28. März 2023

China kommt sein Projekt Neue Seidenstraße einer Studie zufolge teuer zu stehen. Weil immer häufiger Partnerländer bei der Begleichung ihrer Schulden Probleme haben, muss Peking immer mehr Notkredite vergeben.

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Sri Lanka | Hambantota International Port
Sri Lanka musste den Hafen von Hambantota 2017 wegen Zahlungsproblemen für 99 Jahre an China verpachten Bild: Liu Hongru/Xinhua/imago images

Um Zahlungsausfälle bei den Infrastruktur-Projekten der Neuen Seidenstraße zu verhindern, muss Peking einer Studie des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) zufolge immer häufiger Rettungskredite an seine Partner vergeben. Denn immer mehr Schwellen- und Entwicklungsländer, die bei der Volksrepublik Kredite für den Bau von Infrastruktur aufgenommen haben, können diese nicht mehr planmäßig bedienen, so das Ergebnis der aktuellen Untersuchung. In der Folge habe die Führung in Peking die Vergabe von Rettungskrediten in den vergangenen Jahren drastisch ausgeweitet.

60 Prozent der Auslandskredite betroffen

Demnach waren zum Jahresende 2022 insgesamt 60 Prozent aller chinesischen Auslandskredite von einem Zahlungsausfall bedroht. 2010 habe dieser Anteil noch bei lediglich fünf Prozent gelegen, so das Ergebnis der Studie. Die Analyse von Forscherinnen und Forschern von AidData, der Harvard Kennedy School, dem Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) und der Weltbank macht die finanzielle Dimension der chinesischen Rettungsdarlehen nun erstmals öffentlich. AidData ist ein Forschungsinstitut am College of William & Mary in Williamsburg im US-Bundesstaat Virginia, das sich mit der Finanzierung von Entwicklungsprojekten beschäftigt.

Infografik China's new Silk Road Fokus auf Sri Lanka EN
Chinas Neue Seidenstraße umfasst die gesamte Welt

Um Ausfälle zu verhindern, vergibt China der Studie zufolge Notkredite in großem Stil. Bis Ende 2021 zählten die Autoren 128 Rettungsdarlehen an 22 Schuldnerländer im Gesamtwert von 240 Milliarden US-Dollar. Ein Großteil davon - 170 Milliarden Dollar - wird demnach über Zentralbankkredite vergeben. Diese seien für internationale Organisationen und Ratingagenturen besonders schwer nachzuvollziehen.

Kaum Schuldenerlasse, kaum neue Kredite

Dabei handele es sich zumeist um Refinanzierungskredite - also die Verlängerung von Laufzeiten oder Zahlungszielen sowie um die Vergabe neuer Kredite zur Finanzierung fälliger Schulden. "Der Erlass von Schulden findet nur äußerst selten statt", so das IfW. Die reguläre Kreditvergabe für neue Infrastruktur- und Energieprojekte hätten chinesische Banken als Folge der umfangreichen Rettungskredite drastisch reduziert, was der Analyse zufolge Fragen zur Zukunft der Neuen Seidenstraße aufwirft.

Die Studie "China as an International Lender of Last Resort" wurde von Sebastian Horn (Weltbank), Brad Parks (AidData), Carmen Reinhart (Harvard Kennedy School, ehemalige Chefvolkswirtin der Weltbank) und Christoph Trebesch (Kiel Institut für Weltwirtschaft) verfasst. Für den zugrundeliegenden Datensatz zu Rettungskrediten, der frei zugänglich ist, haben die Autoren unter anderem systematisch die Bilanzen von Zentralbanken ausgewertet.

Ärmere Länder für Peking weniger wichtig

Den Autoren zufolge behandelt Peking Schuldnerländer mit Zahlungsschwierigkeiten sehr unterschiedlich. Länder mit mittlerem Einkommen stellen große Bilanzrisiken für die chinesischen Banken dar, weil auf sie 80 Prozent und damit mehr als 500 Milliarden US-Dollar der gesamten chinesischen Auslandskredite entfallen.

Chinas Staats- und Parteiführung hat daher ein großes Interesse, einen Zahlungsausfall dieser Länder auf jeden Fall zu verhindern. Sie bietet ihnen im Fall von Zahlungsschwierigkeiten in der Regel neue Kredite an, um damit die alten Schulden zu tilgen. Da viele dieser Länder eine schwache Bonität und geringe Devisenreserven haben, ist das Ausfallrisiko für die neuen Kredite also entsprechend hoch.

People's Bank of China | Zentralbank in Peking
Chinas Zentralbank spielt bei den Notkrediten eine Schlüsselrolle Bild: Koki Kataoka/Yomiuri Shimbun/AP/picture alliance

Auf Länder mit niedrigem Einkommen entfallen nur 20 Prozent der chinesischen Auslandskredite. Diese Kredite sind für die Stabilität des chinesischen Bankensektors daher weniger wichtig. Ärmere Länder erhalten deswegen selten neue Gelder. Bei Zahlungsschwierigkeiten steht ihnen in der Regel nur die Option eines Staatsbankrotts oder einer Umschuldung zur Verfügung, etwa durch eine Streckung der Fälligkeiten.

"Peking versucht, eigene Banken zu retten"

"Chinesische Banken haben ein Interesse daran sicherzustellen, dass ihre größten ausländischen Kreditnehmer ausreichend liquide sind, um die ausstehenden Schulden für Infrastrukturprojekte der Neuen Seidenstraße weiter zu bedienen. Peking versucht letztlich, seine eigenen Banken zu retten. Deshalb hat es sich auf das riskante Geschäft der internationalen Rettungskredite eingelassen", sagt Carmen Reinhart. "Aber wenn man einen Schuldner retten will, der in Verzug ist oder kurz davor steht, muss man sich im Klaren darüber sein, ob man versucht, ein kurzfristiges Liquiditätsproblem oder ein langfristiges Solvenzproblem zu lösen."

Die Autoren der Studie sehen Parallelen zu den europäischen Rettungskrediten an Griechenland und andere südeuropäische Länder während der Eurozonenkrise. Auch damals spielte die Rettung von einheimischen Banken eine wesentliche Rolle bei der Vergabe von Rettungskrediten.

Bislang hat China Rettungskredite an 22 Länder vergeben, darunter Ägypten, Argentinien, Ecuador, Laos, die Mongolei, Pakistan, Surinam, Sri Lanka, die Türkei, die Ukraine, Venezuela und Weißrussland. Dabei liegt der durchschnittliche Kreditzins mit fünf Prozent sehr hoch. Ein typischer Rettungskredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird mit nur zwei Prozent verzinst.

Chinas wachsende, aber intransparente Rolle

"Dank unserer Daten können wir Chinas wachsenden Einfluss auf die internationale Finanzordnung verstehen. Bisher war nicht bekannt, dass China ein System zur Rettung von Krisenstaaten aufgebaut hat, geschweige denn das große Ausmaß und die Empfänger der Rettungskredite", so Trebesch.

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China macht dem IWF in Washington bei Rettungskrediten zunehmend Konkurrenz Bild: Yuri Gripas/REUTERS

"Chinas entschlossenes Handeln in Finanzkrisen des globalen Südens könnte ein Vorbote eines neuen, fragmentierten globalen Finanzsystems sein, in dem Rettungspakete nicht mehr allein aus Washington DC (etwa durch den Internationalen Währungsfonds IWF, Anm. d. Red.) vergeben werden. Ehemalige Schwellenländer wie China oder Indien, die früher vom Westen abhängig waren und Notkredite erhielten, werden heute immer häufiger selbst zu aktiven Gläubigern."

Brad Parks von AidData kritisierte, dass China "auf undurchsichtige und unkoordinierte Weise" ein neues globales System für grenzüberschreitende Rettungsdarlehen geschaffen habe. "Sein strikt bilateraler Ansatz hat die Koordinierung der Aktivitäten aller wichtigen Kreditgeber erschwert, was bedenklich ist, da die Lösung von Staatsschuldenkrisen in der Regel ein gewisses Maß an Koordination zwischen den Gläubigern erfordert."

Die Seidenstraße war die wichtigste Handelsverbindung zwischen China und Europa in Antike und frühem Mittelalter. China kündigte 2013 an, sie neu beleben zu wollen. Kritiker fürchten, die Volksrepublik will damit ihren Einfluss ausweiten. "Die Initiative für eine Neue Seidenstraße ist ja nicht das, was manche in Deutschland glauben: Es ist keine sentimentale Erinnerung an Marco Polo", warnte der frühere Bundesaußenminister Sigmar Gabriel. "Sondern sie steht für den Versuch, ein umfassendes System zur Prägung der Welt im chinesischen Interesse zu etablieren."

tko/hb (rtr, afp, IfW)