Knobloch besucht Hochschule der Bundeswehr
30. Mai 2022Auch für Charlotte Knobloch ist es ein ungewöhnlicher Besuch. "Das ist mal etwas, an der Bundeswehr-Universität zu sprechen. Das habe ich mir auch noch nicht vorgestellt." Die gebürtige Münchnerin, die in vier Monaten 90 Jahre alt wird, gibt rund 50 Studierenden einen kurzen Einblick - aus der Geschichte bis in die Gegenwart der jüdischen Gemeinschaft: "Der Weg in die Moderne ist immer auch ein Weg in die Mitte der Gesellschaft", sagt sie.
Ihr Vater habe als emanzipierter jüdischer Bürger im Ersten Weltkrieg gekämpft und kehrte verwundet und dekoriert zurück. "Er blieb zeitlebens stolz darauf, für sein Vaterland gekämpft zu haben", erzählt Knobloch. Sie erinnert an die 12.000 deutsch-jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkriegs, die zu oft vergessen würden.
Optimistisch für das Judentum in Deutschland
Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Massenmord an den Juden, den das junge Mädchen versteckt in einem Bauernhof auf dem Land überstand, sei es sehr schwer gewesen, in Deutschland zu bleiben, ein "Leben im Land der Mörder".
Aber Knobloch, nach wie vor Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern sowie frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, blickt hoffnungsvoll in die Gegenwart: "Trotz aller Herausforderungen standen die Chancen für die Entwicklung der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland noch nie so gut wie heute."
Militärrabbiner für Juden bei der Bundeswehr
Das mag auch an Menschen wie Zsolt Balla liegen, dem ersten Militärrabbiner der Bundeswehr, der nach ihr zu den meist uniformierten Zuhörenden spricht. "Ihr Optimismus ist eine Kraft für die ganze jüdische Gemeinde", sagt der gebürtige Ungar, der als Kind mit neun Jahren erfuhr, dass er und seine Familie Juden sind. Vor knapp 20 Jahren kam Balla als ausgebildeter Ingenieurwissenschaftler nach Deutschland und entschied sich erst hier für eine rabbinische Ausbildung.
Balla wurde 2009 in München ordiniert - als erster in Deutschland ausgebildeter orthodoxen Rabbiner seit 1938. Danach leitet er die Gemeinde in Leipzig mit heute 1200 Mitgliedern, im Juni 2021 steigt er gleichzeitig, orthodox geprägt, zum ersten Militärrabbiner der Bundesrepublik auf. Der Sohn eines früheren Artillerie-Kommandeurs der ungarischen Volksarmee leistet derzeit Aufbauarbeit für weitere Rabbiner, sowohl orthodoxe als auch liberale.
Balla betont, nicht für Antisemitismusbekämpfung oder politische Bildung in der Truppe zuständig zu sein, sondern für die Seelsorge für die laut Verteidigungsministerium 300 Juden und Jüdinnen in der Truppe. Doch sollten deutsche Juden nicht besser zur israelischen Armee statt zur Bundeswehr gehen?
Was tun gegen Antisemitismus bei der Bundeswehr?
Knobloch berichtet, drei ihrer Enkel seien in Israel bei der Armee gewesen. Balla ist zurückhaltender: "Wir sind als jüdische Gemeinde und als Militärrabbiner keine Außenstelle Israels." Seinem ältesten Sohn würde er gerne in einigen Jahren zur Bundeswehr raten. "Und dass er dann auch als orthodoxer Jude dort eine gute Zeit hat."
Doch auch bei der Bundeswehr häuften sich zuletzt die Fälle von Antisemitismus. "Es gibt in allen Bereichen schwarze Schafe", sagt Charlotte Knobloch, man sollte das allerdings nicht verallgemeinern. Juden in der Bundeswehr könnten durch Überzeugungsarbeit selbst ihren Beitrag gegen Antisemitismus bei der Bundeswehr leisten. "Wenn das nicht gelingt, sollte man diejenigen aus der Bundeswehr entfernen."