CDU: Die Suche nach dem Markenkern
11. Februar 2020Annegret Kramp-Karrenbauer reicht es. Nur 14 Monate nach ihrer Wahl zur CDU-Vorsitzenden gibt sie sich im Kampf um die Macht an der Parteispitze geschlagen. Zum einen, weil sie nie aus dem Schatten von Angela Merkel herausfinden konnte, die nach wie vor im Bundeskanzleramt regiert. Zum anderen aber auch, weil sie es nicht geschafft hat, die politische Spaltung in der CDU zu überwinden.
Versucht hat sie es durchaus. Die CDU habe drei Wurzeln: die christlich-soziale, die liberale und die konservative. Alle drei Wurzeln seien gleichermaßen wichtig, betonte AKK, wie sie auch genannt wird, immer wieder. In der Partei, aber auch unter abgewanderten Wählern sehen das viele anders. Unter Angela Merkel, die die CDU im Jahr 2000 übernahm, sei die Partei nach links geöffnet und "sozialdemokratisiert" worden.
Atomausstieg und Ehe für alle
Merkel habe im Verlauf ihrer Amtszeit das "christdemokratische Tafelsilber" verscherbelt. Gemeint ist, dass sie von vielen Standpunkten, die die CDU einst wie selbstverständlich vertrat, abgerückt ist. Der Ausstieg aus der Atomenergie, die Abschaffung der Wehrpflicht, die Öffnung Deutschlands als Einwanderungsland, das Ausloten eines Regierungsbündnisses mit den Grünen, die gleichgeschlechtliche Ehe - Angela Merkel hat Dinge möglich gemacht, die vor ihr in der CDU undenkbar waren.
Die Ausweitung der Sozialpolitik unter Merkel war sicherlich auch den großen Koalitionen mit der SPD geschuldet. Doch Merkel verstand es auch geschickt, Gesetzesinitiativen der Sozialdemokraten, sobald sie von der Regierung umgesetzt worden waren, erfolgreich für die CDU zu reklamieren. In dem Maße, in dem die CDU sozialdemokratische und auch grüne Politikfelder besetzte, schrumpften die Zustimmungswerte der SPD und gewann die CDU.
Neuer Angstgegner AfD
Gleichzeitig wuchs aber eine Lücke auf der rechten politischen Flanke. In die stieß die zunächst konservative, inzwischen aber national-völkische und in Teilen auch rechtsradikale AfD vor. Auf ihren Aufstieg hat die CDU bis heute keine Antwort gefunden. Soll man sich von ihr abgrenzen, oder in den Parlamenten mit der AfD zusammenarbeiten? Vor allem im Osten Deutschlands gibt es eine Reihe von CDU-Politikern, die das gerne ausprobieren würden.
Sicherlich auch mit dem Ziel, über die Zusammenarbeit mit der AfD in der CDU wieder konservativere Politik durchsetzen zu können. In der westdeutschen CDU hingegen sind die Vorbehalte gegen die AfD so groß, dass eine Zusammenarbeit weitgehend ausgeschlossen wird. Was nicht heißt, dass nicht auch hier die Sehnsucht nach einer wieder deutlich konservativen Politik groß ist.
Union in der Union
Bereits vor knapp drei Jahren schlossen sich konservative Politiker aus CDU und CSU in der sogenannten "Werteunion" zusammen. Im April 2018 stellten sie auf einer Tagung ein "Konservatives Manifest" vor, in dem die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel scharf angegriffen wurde. Zudem wurde betont, dass Ehe und Familie sowie das Leitbild Vater-Mutter-Kinder die wichtigsten Grundlagen der Gesellschaft seien. Auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht war ein Thema.
Der als konservativ geltende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist zwar kein Mitglied der Werteunion, schrieb aber in einem Grußwort, die CDU/CSU brauche Kreise wie die Werte-Union und die Besinnung auf einen klugen liberalen Konservatismus. "Wenn wir reden und handeln in einer Haltung, die breite, sich bürgerlich fühlende Schichten zuletzt oft schmerzlich vermisst haben, dann können wir die AfD überflüssig machen", so Spahn.
Zurück zu konservativen Wurzeln
Ein Denken, dass in der CDU umso mehr Anhänger findet, je schlechter die Umfrage- und Wahlergebnisse werden. Die Partei habe kein eigenes Profil mehr und sei von der SPD nicht mehr zu unterscheiden, klagen die einen. Niemand wisse mehr, wofür die CDU programmatisch stehe, murren die anderen. Gemeinsam träumen sie davon, dass der Weg zurück zu den konservativen Wurzeln auch der Weg zu früheren Erfolgen sein könnte. Aber stimmt das?
Sicherlich würde es bei einer Neuausrichtung der CDU eine Wählerwanderung geben. Aber nicht nur in eine Richtung. Wähler, die sich der AfD zugewandt haben, könnten zur CDU zurückkehren. In gleichem Maße, wenn nicht mehr sogar, würden aber Wähler in die andere Richtung abwandern. Sei es zu den Grünen, zur SPD oder zur Linkspartei. Oder auch zur FDP.
Der Nachfolgekampf ist eröffnet
Wer auch immer auf Annegret Kramp-Karrenbauer an der CDU-Spitze folgt, wird mit diesem Dilemma umgehen müssen. Das sich auch daraus ergibt, dass die Zeiten der großen Volksparteien vorbei sind, in denen CDU und SPD Politikfelder noch viel breiter besetzen konnten. So ist auch durchaus vorstellbar, dass die Unionsparteien weiter schrumpfen würden, wenn sie sich wieder stärker auf ihren konservativen Markenkern besinnen würden.
Wohin die CDU steuern wird, das hängt in jedem Fall davon ab, wer auf AKK folgen wird. Heiß gehandelt werden der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, Gesundheitsminister Jens Spahn und der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz. Während Laschet durchaus zugetraut wird, nach der nächsten Bundestagswahl ein Regierungsbündnis mit den Grünen schmieden zu können, stehen Spahn und Merz eher für einen Schwenk nach rechts. Wohin der die CDU am Ende führen würde, das allerdings kann heute noch niemand sagen.