Carlos Ghosn setzt sich in den Libanon ab
31. Dezember 2019Der in Japan auf Kaution freigelassene frühere Autoboss Carlos Ghosn ist völlig überraschend in den Libanon geflüchtet. Er sei "nicht länger eine Geisel des manipulierten japanischen Justizsystems", erklärte der frühere Konzernchef von Renault.
Und Ghosn legte noch nach: Japans Justiz habe ihm grundlegende Rechte verwehrt, das Prinzip der Unschuldsvermutung ignoriert und gegen internationale Abkommen verstoßen. "Ich bin dem Unrecht und politischer Verfolgung entkommen." Am 19. November 2018 war Ghosn in Tokio wegen Verstoßes gegen Börsenauflagen festgenommen und angeklagt worden.
Drei Pässe und eine Villa in Beirut
Ghosn, der neben der französischen und brasilianischen auch die libanesische Staatsangehörigkeit hat und ein Luxusanwesen in Beirut besitzt, war im April auf Kaution aus der Untersuchungshaft in Japan entlassen worden - unter strengen Auflagen, um zu verhindern, dass er flieht oder Beweismaterial vertuscht. Unter anderem wurde ihm verboten, das Land zu verlassen. Diese Auflagen wurden nie aufgehoben, wie das zuständige Bezirksgericht in Tokio laut der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo klarstellte.
Aus dem Außenministerium in Tokio hieß es, Japans Regierung sei nun auf Hilfe der libanesischen Behörden angewiesen, da kein Auslieferungsabkommen mit dem Mittelmeerstaat bestehe, wie der Sender NHK berichtete. In der Nacht zuvor hatte es erste Berichte aus dem Libanon gegeben, dass Ghosn völlig überraschend an Bord eines Privatjets in Beirut gelandet sei - und das schon am Sonntagabend.
Präsidentenberater ist informiert
Der libanesische Staatsminister und Präsidentenberater Salim Jreissati betonte gegenüber der libanesischen Zeitung Al-Nahar, dass Ghosn legal ins Land gereist sei. "Alles was wir wissen ist, dass er mit seinem französischen Pass legal am Rafik-Hariri-Flughafen eingereist ist."
Die Staatssekretärin im französischen Wirtschafts- und Finanzministerium, Agnès Pannier-Runacher, gab sich überrascht. Sie habe von Ghosns Flucht am Montagabend aus den Medien erfahren, sagte sie dem Sender France Inter. "Die konsularische Unterstützung wird ihm wie allen französischen Bürgern gewährt", so die Staatssekretärin. Wenn ein ausländischer Staatsbürger vor der französischen Justiz fliehen würde, wäre man allerdings sehr wütend. Pannier-Runacher erklärte, man müsse erst einmal verstehen, was passiert sei.
Einst als Macher gelobt
Ghosn gilt als Architekt des internationalen Autobündnisses zwischen Renault, Nissan und Mitsubishi. Er soll laut Staatsanwaltschaft aber auch private Investitionsverluste auf Nissan übertragen haben. Nur wenige Tage nach seiner Festnahme wurde er von Nissan und kurz darauf auch von Mitsubishi Motors als Verwaltungsratschef gefeuert. Im Januar trat er schließlich auch von seinem Posten als Renault-Konzernchef zurück.
Ghosn hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe stets zurückgewiesen. In Kürze will er sich nach eigenem Bekunden detaillierter äußern: "Ich kann nun endlich frei mit den Medien kommunizieren, was ich ab nächster Woche tun werde."
Ghosns Ehefrau Carole hatte in der Vergangenheit US-Präsident Donald Trump und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron um Hilfe in dem Fall gebeten. Macron hatte damals erklärt, dass er sich als Präsident nicht öffentlich in einen Rechtsfall einmischen könne. Carole Ghosn hatte immer wieder die Haftbedingungen ihres Mannes scharf kritisiert und angezweifelt, dass er einen fairen Prozess bekomme.
haz/qu (dpa, rtr)