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Cancun: Der Weg zu mehr Wohlstand?

Karl Zawadzky5. September 2003

Die WTO-Konferenz in Cancun (10. bis 14.9.) wird mit Spannung erwartet. Dort sollen die Weichen für den Welthandel neu gestellt werden. Das ist schwierig, denn im Handel geht es vor allem um eines: den eigenen Gewinn.

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WTO-Konferenzen sind immer wieder Ziel von gewalttätigen Kritikern - wie hier in MontrealBild: AP

Ein möglichst freier Welthandel verspricht allen Teilnehmern enorme Wohlstandsgewinne. Das Prinzip des Freihandels ist leicht erklärt: Jeder produziert, was er besser und billiger kann als andere. Wenn die so hergestellten Waren ungehindert ausgetauscht werden, haben alle einen Vorteil davon. In der Tat ist das Wachstum des Welthandels eine der Ursachen für die ungeheuren Wohlstandsgewinne der vergangenen 50 Jahre.

Den Freihandel mit einem verbindlichen Regelwerk zu organisieren, ist Aufgabe der Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organization), der Nachfolgerin des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens GATT (General Agreement on Tariffs and Trade). Die Aufgabe ist wichtig, denn nur im Prinzip sind alle für den Freihandel, in der Praxis wird immer wieder versucht, mit offiziellen und versteckten Handelshemmnissen sowie mit Subventionen unliebsame Konkurrenz vom eigenen Markt fernzuhalten, beziehungsweise der eigenen Wirtschaft Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.

Beispiel Landwirtschaft

Ein besonders schlimmes Beispiel dafür ist die Landwirtschaft. Weltweit, vor allem aber in den großen Industriestaaten, werden die Bauern mit 300 Milliarden Dollar subventioniert. Dabei sind sich Entwicklungsexperten seit langem darin einig, dass die subventionierten Agrarexporte der Industrieländer und der zugleich eingeschränkte Zugang zu ihren Agrarmärkten eine der Ursachen von Hunger und Armut in der so genannten Dritten Welt sind. Alle Leistungen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit werden ihr Ziel verfehlen, wenn die Entwicklungsländer, die bei der Produktion von Agrarerzeugnissen gegenüber den Industriestaaten erhebliche Kostenvorteile haben, in der Weltwirtschaft weiterhin strukturell benachteiligt bleiben.

Mehr noch: Handelserleichterungen sind für die Entwicklungsländer wichtiger als Entwicklungshilfe. Genau das ist der Grund für die herausragende entwicklungspolitische Bedeutung der von der WTO betriebenen Liberalisierung des Welthandels. Würden die Industriestaaten - vor allem die USA und die Mitgliedsländer der EU - ihren Agrarprotektionismus einstellen - also ihre Märkte für Erzeugnisse der Entwicklungsländer öffnen und aufhören, mit Exportsubventionen Agrarüberschüsse auf den Märkten der Entwicklungsländer abzuladen, dann würden die Länder der so genannten Dritten Welt pro Jahr rund 30 Milliarden Dollar zusätzlich an Einnahmen erzielen, haben Ökonomen errechnet.

Nicht aus Nächstenliebe

Touristen fahren auf einem Jetski am Strand von Cancun
Cancun ist vor allem als Badeort bekanntBild: AP

Da in der WTO das Prinzip der Einstimmigkeit herrscht, haben die Entwicklungsländer einen starken Hebel in der Hand. Am Schluss der WTO-Konferenz in Cancun wird nämlich die Zustimmung eines jeden Landes gebraucht. Die Welthandelsorganisation ist freilich kein wohltätiger Verein. Deshalb machen die Industriestaaten nicht aus purer Nächstenliebe Zugeständnisse an die Entwicklungsländer. Sie wollen ihrerseits erreichen, dass die Entwicklungsländer stärker als bislang ihre Märkte für Dienstleistungen öffnen - für Banken, Versicherungen, Tourismusunternehmen. Und die Industriestaaten wünschen im Interesse ihrer Unternehmen Erleichterungen bei Investitionen in Entwicklungsländern.

Hilfe für Entwicklungsländer

Die zunehmende Globalisierung der Weltwirtschaft muss also nicht von einseitigem Vorteil für die Industriestaaten sein, auch die Entwicklungsländer können, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, ihren Vorteil daraus ziehen. Das heißt: Es muss nicht nur das internationale Regelwerk der Welthandelsorganisation stärker als bislang auf die Belange der so genannten Dritten Welt Rücksicht nehmen. Vielmehr müssen die Entwicklungsländer gezielt in den Stand versetzt werden, sich stärker am Welthandel beteiligen zu können. Das setzt nicht nur gerechtere Marktchancen, sondern auch mehr finanzielle und technische Hilfe voraus.

Ein erfolgreicher Abschluss in Cancun könnte die Initialzündung für den Aufschwung der Weltwirtschaft sein. Denn unbestritten ist, dass sich Erleichterungen beim internationalen Handel in Euro und Dollar, in Yen und Rubel, in Pfund und Peso auszahlen. Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds halten je nach dem Grad der Handelserleichterungen einen Zuwachs des weltweiten Bruttosozialprodukts um 250 bis 620 Milliarden Dollar für möglich. In Cancun sowie bei den weiteren Verhandlungen in der WTO-Zentrale in Genf geht es nun darum, die Bedingungen für das Wachstum des Welthandels zu verbessern. Darin sind sich alle einig. Schwierig, strittig und vom Scheitern bedroht sind die Verhandlungen, weil es auch um die Verteilung des weltweiten Wohlstandes geht.