"Die Sozialisten haben uns alles weggenommen"
23. Oktober 2020Der Lippenstift passt perfekt zu den gepflegten roten Zehennägeln, die in den offenen Ledersandalen einen knalligen Kontrast zu dem grünen, grünen Gras bilden. Bertica Cabrera Morris richtet die Schilder gerade im Vorgarten des großen Backsteinhaus. Ihre blonden Haare flattern leise im schwülen Wind. Die zwei großen SUVs, die in der prächtigen Auffahrt vor dem Haus stehen, glänzen schon jetzt, noch bevor der typische tropische Nachmittagsschauer niederprasseln wird. Auf den Schildern steht "Trump/Pence" und "Latinos for Trump".
Seit über 50 Jahren lebt Cabrera Morris in den USA. Sie war 14, als sie mit ihrer Mutter aus ihrer Heimat fliehen musste. "Uns wurde alles weggenommen. Alles. Mein Vater wurde in ein Arbeitslager gesteckt, weil er sich den Sozialisten nicht unterwerfen wollte." Das war 1967. Fidel Castro war schon seit acht Jahren Regierungschef, hatte Reiche enteignet und sich die absolute Macht gesichert auf der Insel, die knapp 170 Kilometer entfernt vom US-amerikanischen Festland im Golf von Mexiko liegt.
In diesen verbleibenden Tagen vor der Wahl gibt sie alles, damit Präsident Trump weitere vier Jahre im Weißen Haus bleibt - und um zu verhindern, dass Joe Biden gemeinsam mit Kamala Harris künftig die Geschicke der Vereinigten Staaten lenkt. Anders als viele der weißen Trump Unterstützer, mit denen wir den vergangenen Wochen während unseres Roadtrips in den verschiedensten Ecken dieses großen Landes gesprochen haben, argumentiert sie überlegter. Weniger hasserfüllt. Joe Biden selbst sei kein Sozialist. Auch nicht Kamala Harris. Aber die Menschen, mit denen sie sich umgeben würden, würden das Land in eine Richtung lenken, die sie nicht noch einmal erleben möchte. Die linke Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez sei so eine. Auch und vor allem Bernie Sanders. Der selbsternannte Sozialist.
Typische Argumente
Die Argumente der Exil-Kubanerin sind typisch für Menschen ihrer Herkunft. Es waren die wohlhabenden Kubaner, die nach der Revolution die Insel verlassen wollten. Weil ihnen ihre Besitztümer genommen worden waren. Und weil sie darauf hoffen durften, ein gutes neues Leben in den USA beginnen zu können "Ich glaube an den amerikanischen Traum. Sie haben ihn mir gegeben." Cabrera Morris floh zunächst nach Spanien. Ihrer Mutter war es möglich, erfolgreich eine Greencard für sich und ihre Tochter zu beantragen, mit der sie dann legal in die USA einreisen konnten. Das ist ihr wichtig. Illegale Einwanderer, auch wenn sie aus anderen lateinamerikanischen Ländern wie Honduras kommen oder Guatemala, möchte sie nicht ins Land lassen. Auch wenn die Fliehenden dort nicht nur um ihren Besitz, sondern auch ihr Leben fürchten müssen. "Wir können ein gutes Beispiel sein. Aber wir können nicht die ganze Welt aufnehmen."
Neben der Wirtschafts- und Fiskalpolitik des Präsidenten, die es Selbstständigen wie ihr und ihrem Mann ermöglicht, sehr gute Geschäfte zu machen, ist es genau diese restriktive Einwanderungspolitik des Präsidenten, die sie für ihn einnimmt. Anders als man das vielleicht annehmen würde, stört sie sich nicht an den harschen Worten, die Donald Trump immer wieder gegenüber Lateinamerikanern findet. "Wenn er mexikanische Drogenhändler kritisiert, dann erhebt er sich ja nicht über Mexikaner. Sondern will die Machenschaften von Kriminellen unterbinden."
Sicherheit ist ein wichtiges Thema für sie
Sicherheit ist für sie ein großes Thema. Nicht nur an der Grenze zu Mexiko, sondern auch innerhalb der Vereinigten Staaten. Auch hier sieht sie klare Argumente für Trump. "Kamala Harris möchte weniger Geld für die Polizei ausgeben. Ich möchte Sicherheit für meine fünf Kinder und meine Enkelkinder." In Städten wie Portland oder Kenosha habe man ja gesehen, wohin die Politik der Liberalen führe. Brennende Geschäfte und Häuser und Menschen in Angst und Schrecken.
Cabrera Morris liebt die Vereinigten Staaten. Als Mitglied der landesweiten Organisiation "Latinos für Trump" kämpft sie dafür, dass ihr Leben so bleibt, wie es ist. Und wofür ihre Mutter und sie selbst so hart gearbeitet haben. "Wir hatten nichts am Anfang, meine Mutter hat für 65 Cent in der Stunde in den ersten Jahren gearbeitet, um mir eine Zukunft zu geben." Ihr Garten ist ein kleines Paradies, das an Kuba erinnert. Bananen hängen zwischen den dicken Blättern, üppige Pflanzenrabatten säumen die Terrasse mit den einladenden Sitzgruppen, Moos wuchert frei und wild.
Hart erarbeitetes Paradies
Es ist ein hart erarbeitetes Paradies. Cabrera Morris organisiert hier immer wieder Fundraiser, Veranstaltungen, um Politiker zu unterstützen. "Ich habe Marco Rubio geholfen, gewählt zu werden." (Senator für Florida im Senat, Anm. d. Red.) Die USA sind ihre Heimat. Ein Zurück gibt es nicht mehr für sie. Und trotzdem bricht ihre Stimme, wenn sie vom nächtlichen Himmel über Kuba spricht und den Gerüchen in der Nacht. Und den Geräuschen. Weihnachten gönnt sie sich einen Ausflug in die Vergangenheit. "Das ist mein Kuba-Tag." Dann gibt es den traditionellen kubanischen Schweinebraten, und Reis und Bohnen. Und um Mitternacht geht es in die Christ-Mette. "Ich unterstütze Donald Trump auch, weil er so klar gegen Abtreibung ist."
Wenn sie nur ein Argument hätte, um Wähler davon zu überzeugen, dass sie Trump unterstützen sollten? "Ich möchte nicht noch einmal erleben, was ich schon einmal erlebt habe." Sie blickt bei diesem Satz in Richtung des Sees am Haus und den Golfclub auf der anderen Seite, den es seit 1911 gibt. Ihr Mann und sie sind seit Jahren Mitglieder.